Bekommen
, verb. irreg. neutr. (
S. Kommen,) welches auf gedoppelte Art gebraucht wird.1.
Mit dem Hülfsworte haben, da es denn alle leidentliche Veränderungen
eines Dinges bezeichnen kann, welche vermittelst eines Substantives ausgedruckt
werden, ob es gleich nicht in allen Fällen üblich ist. Man gebraucht
es, 1) eigentlich von solchen Sachen, die einem Dinge von außen
widerfahren. Geld, Briefe bekommen. Er hat Befehl bekommen, abzureisen. Zeit,
Gelegenheit, Ursache bekommen. Sie haben derbe Schläge bekommen. Er hat
seinen Lohn, einen Dienst bekommen. Händel mit jemanden bekommen. Das
Mädchen hat einen Mann, der Mann eine Frau bekommen. Große Geschenke
von jemanden bekommen. Einen zum Freunde bekommen. Ich habe einen wahren Freund
an ihm bekommen. Wir haben noch keine Antwort bekommen. Ich bekam zur Antwort,
es sey niemand zu Hause. Hier ist nichts zu bekommen. Das Vieh hat sein Futter
bekommen. Verdruß mit jemanden bekommen. Einen Verweis bekommen. Etwas zu
Gesichte bekommen, gewahr werden. Ingleichen in einigen R. A. auch mit dem
Infinitiv. Kann man nichts zu essen bekommen? Ich konnte ihn nicht zu sehen
bekommen. Wenn ich ihn nur zu sehen bekomme. 2) Figürlich, auch von
solchen Veränderungen, welche sich aus der Natur eines Dinges selbst
entwickeln, sie mögen nun durch eine Ursache von außen veranlasset
werden oder nicht. Die Bäume bekommen Laub, Wurzeln, Blüthen,
Früchte. Eine Krankheit bekommen. Er hat das Fieber, die Schwindsucht, das
Podagra u. s. f. bekommen. Ich habe Lust bekommen, zu ihm zu reisen. Die Thiere
bekommen Haare, die Vögel Federn. Die Mauer hat ein Loch, das Bret einen
Riß, das Faß ein Loch bekommen.2. Mit dem Hülfsworte seyn. 1)
Zum Nutzen oder Schaden gereichen, eigentlich nur in Beziehung auf die
Gesundheit des Körpers. Die frische Luft will mir nicht recht bekommen.
Diese Speise ist mir übel bekommen. Die Bewegung ist mir vortrefflich
bekommen. Wohl bekomme es! ein gewöhnlicher Glückwunsch, so wohl bey
dem Niesen, als Trinken. Figürlich wird dieses Wort oft auch im
moralischen Sinne gebraucht. Diese Verwegenheit wird dir übel bekommen. Es
hätte ihnen [
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sie es mir nicht gestanden hätten. 2) Fortkommen, bekleiden, von
Gewächsen. Die Pflanzen sind sehr gut bekommen. Die Bäume wollen hier
nicht bekommen.Anm. Ob man gleich gegen Wachters oft zu künstliche
Ableitungen mehrmahls auf seiner Huth seyn muß, so scheinet er doch
Beyfall zu verdienen, wenn er bekommen in der ersten Hauptbedeutung nicht von
kommen, venire, sondern von einem alten Worte kam, welches eine Hand bedeutet
haben soll, herleitet; wenn nur dieses kam, welches sich zur Zeit nur noch in
dem Salischen Gesetze findet, völlig erweislich wäre. Was diese
Muthmaßung, wenigstens in Absicht auf ein doppeltes Stammwort für
bekommen, wahrscheinlich macht, ist, daß kommen in dieser Bedeutung mit
dem Hülfsworte haben verbunden wird, da es in allen übrigen
Bedeutungen und Zusammensetzungen das Wort seyn zu sich nimmt.
S. auch überkommen. Wenn man indessen dieses Wort
durch beykommen erkläret, so lassen sich beyde Bedeutungen ziemlich
ungezwungen daraus herleiten. Begegnen würde alsdann dessen erster
eigentlicher Verstand seyn, der noch bey den Schwäbischen Dichtern
vorkommt.
Nu suogt es sich so von geschicht Das inen luite bekamen,
Fabeln der Minnesänger. S. 120. Do bekamen in zwen ander man, ebend. S.
121. Do in die luit bekamen, ebend.
So fern dieses Wort schaden oder nützen bedeutet, war es
ehedem von einem weit größern Umfange, und wurde nicht bloß in
Rücksicht auf dem Bau des menschlichen Körpers, sondern in einem
jeden andern Verhältnisse gebraucht. Daher kommt biqueman bey dem Ottfried
so oft für sich schicken, nützlich, ersprießlich seyn, vor.
S. Bequem. Zu eben derselben Zeit bedeutete dieses Wort
aber auch so viel, wie das einfache kommen, doch so, daß das Vorwort be-
die Stelle des Vorwortes zu vertritt; z. B. biqueme uns thinaz richi, zu uns
komme dein Reich, Ottfr. B. 2, Kap. 21. In Oberdeutschland bedeutet einem
bekommen nicht so viel, als einem begegnen. Bekommlich für bequem, und
Bekomst für Genüge, sind gleichfalls Oberdeutsch. Doch gebrauchen
auch die Niedersachsen Bikumst für ein bescheidenes Theil. In der ersten
Hauptbedeutung aber ist ihnen dieses Wort größten Theils unbekannt,
weil sie dafür ihr kriegen haben. [
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