Be-
, das verkürzte Vorwort bey, welches im Hochdeutschen
allein den Verbis, und den von ihnen abgeleiteten Nennwörtern eigen ist,
welches es als eine untrennbare Partikel vorgesetzet wird. WasI. Den Gebrauch
und die Bedeutung dieser Partikel betrifft, so wird sie so wohl schon
vorhandenen Verbis vorgesetzet, als auch Nennwörtern, um aus den letztern
Verba zu bilden.1. Die schon vorhandenen Verba sind entweder Activa oder
Neutra.1) In den Activis hat diese Partikel, (a) zuweilen die eigentliche
Bedeutung des Vorwortes bey; wie in begleiten, welches ehedem beleiten lautete,
gleichsam beyleiten; beschließen, in der Oberdeutschen Bedeutung, sich
verschließen, gleichsam beyschließen; sich begeben, so wohl von dem
Begeben an einen Ort, sich bey, d. i. an denselben geben, als auch von dem
Begeben einer Sache, sich derselben begeben, gleichsam sich bey Seite derselben
geben; begraben, d. i. beygraben, bey Seite graben; berufen, gleichsam herbey
rufen u. s. f. Doch in dieser Bedeutung ist bey in seiner vollständigen
Gestalt üblicher. (b) Häufiger druckt sie den Gegenstand der
Handlung, doch mit verschiedenen Nebenbegriffen aus, und zwar am
häufigsten den Nebenbegriff der Anfüllung, oder der Ausdehnung der
Handlung über den ganzen Gegenstand; wie aus den Verbis bedecken; einen
Platz bebauen, einen Bogen Papier bedrucken, beschreiben, bemahlen,
beschmieren, einen Acker besäen, bepflanzen, mit Tapeten behängen,
mit Salz bestreuen, einen Ort belagern, gleichsam umlagern, mit Erde
beschütten u. s. f. erhellet. (c) In vielen Fällen weiset sie auf
den [
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geschiehet, und bedeutet alsdann, daß selbige an demselben nur hin und
wieder, oder ein wenig vorgenommem wird; welcher Begriff in den Verbis
berühren, ausrühren, beschaben, d. i. hin und wieder etwas abschaben,
berupfen, beschneiden, befeuchten, benetzen, besprengen, u. s. f. Statt findet.
Oft aber druckt sie (d) auch im Gegentheile eine Intension, oder einen hohen,
stärkern Grad der Handlung aus, wie in bedrücken, bedrängen,
beängstigen, befestigen, beschimpfen, bewaffnen, bezwingen u. s. f.2) In
den Neutris, oder Intransitivis, dienet be, (a) zuweilen, die Bedeutung des
einfachen Verbi zu verstärken, so daß das Zusammengesetzte ein
Intransitivum bleibt; z. B. bestehen bleiben, für stehen bleiben, beruhen
lassen, für ruhen lassen, bedürfen, beharren, bedünken, u. s. f.
Noch häufiger aber, (b) macht es aus Neutris Activa, oder aus
Intransitivis Transitiva, indem es den Zustand, den jene ausdrucken, auf einen
Gegenstand überträgt, und den Zustand dadurch zu einer Handlung
macht. Die Verba dieser Art sind sehr häufig; z. B. beantworten, auf etwas
antworten, bearbeiten, an etwas arbeiten, bebluten, an oder auf etwas bluten,
bebrüten über etwas brüten, bedenken, so fern es über etwas
nachdenken bedeutet, bedrohen, die Drohung an jemanden richten, begehren, nach
etwas gehren, d. i. verlangen, beweinen, über etwas weinen, belachen,
beseufzen, beherrschen, bewohnen, u. s. f. Zuweilen schleichen sich allerley
Nebenbegriffe mit ein, am häufigsten aber der Anfüllung oder
Verbreitung der Handlung, über den ganzen Gegenstand; wie in betrinken,
beleuchten, bewachsen, belecken u. s. f. oder der öftern Wiederholung;
einen Weg befahren, ein Meer besegeln, beschiffen, den Puls begreifen,
befühlen, betasten, beriechen, besehen; zumahl wenn durch die öftere
Wiederholung der Gegenstand eine Art von Vollkommenheit erhält, wie in
bereiten, bereden, die Grenzen begehen, einen Baum behauen, ein Bret behobeln
u. s. f. Oft auch der Intension oder der innern Stärke der Handlung, wohin
besonders die Reciproca sich bedanken, sich beeifern, sich befinden, sich
befleißigen, sich begatten, sich begnügen, sich behelfen, sich
bekehren, sich besprechen u. s. f. gehören; denn der Form nach sind alle
Reciproca wahre Activa, ob sie gleich der Bedeutung nach Intransitiva sind. In
einigen, ob gleich wenigen Fällen, hat be, noch die eigentliche Bedeutung
des Vorwortes bey; wie in beschlafen, für schwängern, wovon noch das
Hauptwort Beyschlaf in der vollständigen Gestalt üblich ist,
beschmausen, gleichsam bey einem schmausen, und vielleicht noch einigen
andern.2. Eben so oft aber hilft diese Partikel auch Verba aus Nennwörtern
bilden, und alsdann druckt sie gleichfalls die Übertragung oder
Mittheilung derjenigen Sache, welche das Nennwort bezeichnet, an einen andern
Gegenstand aus. Dahin gehören von Substantiven die Verba beädern,
bebändern, beblümen, bedeichen, beamten, bedrücken, bedachen,
beflügeln, begütern, behaaren, beherbergen u. s. f. mit Adern,
Bändern, Blumen u. s. f. versehen. Ingleichen von Adverbien, befesten oder
befestigen, befeuchten, befreyen, begütigen, bekräftigen, bereichen
oder bereichern, besänften oder besänftigen, beschleunigen, beseligen
u. s. f. fest, feucht, frey, gütig u. s. f. machen.3. Endlich muß
noch eines Gebrauches dieser Partikel Erwähnung geschehen, obgleich
derselbe nur in der niedrigen Sprechart Statt findet, wo man, wenn man eine
Sache ahnden oder bestrefen will, den Nahmen derselben vermittelst dieser
Partikel in ein Verbum verwandelt. Z. B. Es ist der Herr von Liebreich, du
weißt nicht was du thust; worauf Jobst antwortet:Ich will dich und ihn
beliebreichen, Weiße. Sie behauptet, sie frey die Frau Junkern. Aber ich
will sie bejunkern, daß sie an mich denken soll, ebend. Doch, wie gesagt,
dieser Gebrauch gehöret nur in die niedrigen Sprecharten.II. Was die
Conjugation und Wortfügung der mit be zusammen gesetzten Zeitwörter
betrifft, so gehöret diese Partikel zu den untrennbaren, welche ihr Verbum
nie verlassen. Das ordentliche Merkmahl der vergangenen Zeit, die Sylbe ge,
fällt alsbey diesen Verbis völlig weg, und man sagt nicht begesehen,
begewandert, begebauet, sondern besehen, bewandert, bebauet. Es bekommt in der
Rede niemahls den Accent; obgleich die mit bey zusammen gesetzten Verba
denselben fast allezeit haben. Da diese Partikel in allen den Fällen, wo
sie nicht bloß das Zeichen einer Intension ist, eine Richtung auf einen
gewissen Gegenstand oder die Übertragung einer Sache auf denselben
bedeutet, so wird sie auch alle Mahl, einige wenige Fälle ausgenommen, mit
der vierten Endung der Sache verbunden. Eine Wand bemahlen, den Puls begreifen,
den Degen bebändern. Eben so wurde ehedem auch das Vorwort bey, wenn es
eine Bewegung nach einem Gegenstande bedeutete, mit dem Accusativ verbunden.
S. Bey.Anm. Es könnte bey dieser Partikel und den
mit ihr zusammen gesetzten Verbis noch sehr vieles angemerket werden. Um aber
diesen Artikel nicht zu lang zu machen, soll nur folgendes berühret
werden. 1) Daß dieses be, wirklich das Vorwort bey ist, erhellet aus der
ältesten Schreibart bey der, welche bey den Franken und Alemannen bi oder
pi ist. Das ey in dem Vorworte gehöret den neuern Alemannen zu. Ehedem
schrieb man auch in manchen Wörtern be-, wo man jetzt bey gebraucht.
Henisch hat beseits für beyseit, und beruft sich auf 2 Kön. 5, 24,
und 1 Chron. 14, 9 wo aber unsere heutigen Ausgaben beyseit haben.
S. Bey. 2) In manchen Wörtern ist es neuern
Ursprunges, und viele Verba sind in den gemeinen Mundarten in ihrer einfachen
Gestalt üblich, wofür die Hochdeutschen das Compositum mit be haben;
z. B. gehren für begehren, schädigen für beschädigen,
festen für befestigen, deuten für bedeuten, fördern für
befördern. Dagegen pflegen die Oberdeutschen diese Partikel manchen Verbis
auch ohne Roth vorzusetzen; wie in belassen für lassen, benöthigen
für nöthigen, behindern für hindern. 3) Be, ge und ver, werden
oft mit einander verwechselt. So sagt Opitz besegnen für gesegnen, und im
Oberdeutschen ist behörig für gehörig, beschehen für
geschehen, besammeln für versammeln u. s. f. üblich. 4) Die
Oberdeutschen haben an dieser Partikel einen solchen Geschmack gefunden,
daß sie oft ganze Redensarten vermittelst derselben in thätige Verba
verwandeln, welches ihr beabsichten, bewetteifern, beargwohnen, beanfragen,
bewerkthätigen, beaugenscheinigen, beerbtheilen, begenehmigen u. s. f.
beweisen. Da diese Verba eigentlich aus ganzen Redensarten verstümmelt
sind, so beleidigen sie so wohl die Klarheit, als den guten Geschmack. 5) In
manchen Wörtern ist dieses be mit dem folgenden Worte so zusammen
geschmolzen, daß nichts als das bloße b übrig geblieben ist.
S. die Wörter Barmherzig, Beicht, Bange, Brücke,
Bleiben u. s. f. 6) Von allen oben angeführten Bedeutungen lassen
sich jetzt nur noch folgende zur Bildung neuer Wörter vermittelst dieser
Vorsylbe anwenden. (a) Die Erstreckung einer Handlung über den ganzen
Gegenstand zu bezeichnen, einen Acker bepflügen, Can. (b) Activa aus
Neutris zu bilden, beekeln, Hall. beeifen, Canitz. (c) Verba aus Substantiven
und Adverbien zu bilden, beblätterte Zweige, begras'te Hügel, schwarz
beharnischt, Gesn. Doch ist auch hier Behutsamkeit und Geschmack nothwendig,
indem das be wegen seiner Kürze und vielfachen Bedeutung leicht Dunkelheit
verursachen kann. [
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