Die Angel
, plur. die -n, Diminutivum Angelchen, ein Wort, welches in
denjenigen Fällen, in welchen es heut zu Tage gebraucht wird, vornehmlich
einen doppelten Begriff mit sich führet.1. Den Begriff der Spitze, und da
wird es, 1) in vielen Fällen für einen jeden Stachel gebraucht. So
werden in den Oberdeutschen Mundarten die Stacheln der Bienen, Wespen u. s. f.
Angeln genannt. Besonders, 2) der spitzige Theil verschiedener Werkzeuge,
vermittelst dessen sie in den Häft, oder auf andere ähnliche Art
befestiget werden. In diesem Verstande wird dem Amboße, den Sensen, den
Degenklingen, den Feilen, den Messern u. s. f. eine Angel zugeschrieben. 3)
Derjenige eiserne Haken, in welchem die Thür hänget, und um welchen
sie sich beweget; die Angel, oder Thürangel. Eine Thür aus den Angeln
heben. Zwischen Thür und Angel seyn, oder stecken, sich zwischen zwey
gleich unangenehmen Fällen befinden. So auch: sich zwischen Thür und
Angel legen, sich in die Nothwendigkeit setzen, von zwey gleich unangenehmen
Fällen einen zu erwählen.
Und hat in Fesseln an der Höllenpforten Angel Die
Zwietracht hingebannt, Raml.
Siehet man auf die heutige Gestalt dieser Angeln, so
müßte man ihren Nahmen aus dem folgenden Begriffe der Krümme
herleiten.Allein anfänglich bestand eine solche Angel bloß aus einem
geraden, spitzigen Eisen, welches sich unten senkrecht in der Thür befand,
und sich in einer darunter befindlichen Pfanne umdrehete, dergleichen noch die
Thorwege auf dem Lande haben. In Niedersachsen heißt eine Angel in der
heutigen Gestalt Häspe und Hänge, in Österreich der Kegel,
Schwed. Hurrhaka, von hurra, wenden, drehen. Figürlich wurden ehedem auch
die Pole der Welt und der Erde Angeln genannt, welche Benennung heut zu Tage
nur zuweilen noch bey den Dichtern vorkommt.
Daß noch die ganze Welt in ihren Angeln geht,
Günth.
2. Den Begriff der Krümme, besonders in demjenigen
Werkzeuge, welches zum Fischen gebraucht wird, und aus einem Häkchen mit
einem Widerhaken bestehet. In weiterer Bedeutung wird auch das ganze Werkzeug,
von welchem die eigentliche Angel ein Theil ist, eine Angel genannt. Angeln
legen. Der Fisch hat an die Angel gebissen. In noch weiterer Bedeutung
heißen noch mehrere mit Widerhaken versehene Werkzeuge und deren Theile
Angeln; z. B. Fußangeln.Anm. 1. Angel für Winkel ist veraltet, und
stammet zunächst von dem Latein. angulus her. Die gleichfalls veraltete
Benennung der Angeltugenden, d. i. der Haupt- oder vornehmsten Tugenden ist
eine buchstäbliche Übersetzung der Lateinischen Benennung virtutes
cardinales. Skinner leitet Angel, besonders in der letzten Bedeutung, von
hangen her, weil sie in das Wasser gehänget wird, welcher Ableitung das
Holländ. Hangel und Hengel günstig zu seyn scheint. Nach Wachtern ist
anken, inserere, infingere, das Stammwort, dem auch Ihre beypflichtet. Allein
es scheinet, daß Angel in seinen zwey verschiedenen Bedeutungen auch eine
gedoppelte Abstammung habe, aus welchen, bloß zufälliger Weise, ein
und eben dasselbe Wort geworden. In beyden ist es vermittelst der
Ableitungssylbe-el, von der Wurzel Ang gebildet, von welcher bey den Alten noch
Spuren vorkommen. Die ältesten Franken hatten eine Art mit Widerhaken
versehener Spieße, deren schon Agathias unter dem Nahmen Angones gedenkt,
und Ange kommt noch in dem Gedichte Winsbecks für eine Angel zum Fischen
vor. Hier scheinet der Begriff der Krümme der herrschende, und unser
Hauptwort mit dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , krumm, und dem Latein. uncus verwandt zu seyn.
S. auch Änkel und Anker. In Ansehung der ersten
Bedeutung der Spitze gehöret Angel ohne Zweifel zu dem weitläufigen
Geschlechte, zu welchem auch Achel, Aculeus, Acus, Agen, Ähre, Ahle, Ege,
Igel und hundert andere gerechnet werden müssen. Das eingeschaltete n darf
niemanden irre machen, weil solches vor dem Hauchbuchstaben nichts seltenes
ist. Siehe N.Anm. 2 In des Ansehung des Geschlechtes dieses Wortes sind die
Mundarten sehr unbeständig. Bey den meisten Oberdeutschen, welchem auch
Frisch folget, ist es in beyden Bedeutungen männlichen Geschlechtes. Dem
Steinbach und Aichinger ist es ein Masculinum, wenn es cardo bedeutet, hingegen
ein Fämininum, wenn es für hamus steht; wobey der letztere den Plural
des Masculini zugleich die Ängel macht. Andere kehren es gerade um, und
gebrauchen Angel, hamus, im männlichen, Angel, cardo, aber im weiblichen
Geschlechte. Doch das sind vermuthlich nur willkürliche Maßregeln.
Gehen wir auf das, was am häufigsten geschiehet, so müssen wir dieses
Wort in beyden Bedeutungen im Hochdeutschen zu den weiblichen zählen;
obgleich bey den Niedersachsen und Oberdeutschen das männliche Geschlecht
häufiger ist. [
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