Ai
, ein Doppellaut der Oberdeutschen, welcher von ihnen
gemeiniglich in der Gurgel gebildet wird, und daher für einen Hoch- und
Niederdeutschen unangenehm klinget. Da die südlichen Oberdeutschen diese
Gurgellaute sehr lieben, so sprechen sie fast alle ei wie ai aus, Bain, Stain,
ain, und in den gröbsten Mundarten gar wie oi, gleichfalls tief aus der
Gurgel gehohlt. Daß diese Aussprache ein bloßer Provinzial-Fehler
ist, sahe schon der berühmte Hieronymus Wolf in der 1556 ohne
Beyfügung seines Nahmens heraus gegebenen Schrift, de orthographia
Germanica ac potius Suevica ein, und rieth daher das ai ganz zu verbannen,
welches denn auch nach und nach in der Hochdeutschen Mundart geschahe, und mit
desto größerm Rechte geschehen konnte, da es in den meisten
Fällen der Abstammung widerspricht. In einigen wenigen behielt man es,
theils um des verjährten Ge- [
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willen, wie in Kaiser, theils aus etymologischen Gründen, wie in Hain und
Kain, wovon das erstere aus Hagen zusammen gezogen, das letztere aber mit Rand
eines Geschlechtes ist; theils zur Unterscheidung einiger gleich lautender
Wörter, wie in Waise, orphanus, Saite, chorda. In andern legte man es nach
und nach ab, und aichen, vom dem Gemäße, laichen, Froschlaich, Aimer,
maischen, Getraide, Haide für Wald, Waitzen, welche noch am längsten
damit geschrieben wurden, sind jetzt mit einem ei am üblichsten. Laie,
Waid, Isatis, Main, Mainz und andere sind theils fremde Wörter, theils
eigene Nahmen, welche sich an keine Regel binden. Laib, ein ganzes Brot, und
Fraiß sind ohnehin Oberdeutsche Wörter, welche im Hochdeutschen nicht
üblich sind. Wenn nun aber dieser Doppellaut gleich in manchen
Wörtern von den Hochdeutschen beybehalten worden, so haben sie doch dessen
unangenehme Aussprache durch die Gurgel nicht mit aufgenommen, sondern sie
sprechen ai fast so wie ei aus.
S. auch Ay. Unverantwortlich ist es, wenn man diesen den
Hochdeutschen fremden Doppellaut dazu mißbrauchen will, gewisse
Unterschiede in der Bedeutung, auch bey einem unläugbar gemeinschaftlichen
Ursprunge, damit zu bezeichnen, und solches gar zu einer grammatischen Regel zu
machen, wie man mit Laib, baitzen, Waidwerk u. a. versucht hat.
S. diese Wörter. [
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