Nachschrift
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Am Ende des
Werkes glaube ich der gelehrten Welt Rechenschaft von meiner Arbeit geben zu
muessen. Als sich der Herausgeber dieses Werkes entschloß, Adelungs
grammatisch-kritisches Woerterbuch der Hochdeutschen Mundart nicht bloß nur
aufzulegen, sondern auch zu berichtigen und vollkommner zu machen: wandte er
sich an mich, daß ich die Unrichtigkeiten in den Griechischen Woertern
verbessern moechte. Ich fand derselben viele, und berichtigte sie. Allein mir
schien dieses noch nicht genug, den Zweck einer Verbesserung und
Vervollkommnung zu erreichen; wenn nicht auch noethige Ergaenzungen beygefuegt
wuerden. Ich rieth daher, nach jedem Theile Soltau's Supplemente als einen
Anhang zu geben. Da ich nun diese, welche von Adelungs Orthographie sehr
abweichen, nach Adelungs Grundsaetzen berichtigte, fiel mir, freylich erst nach
geendigtem ersten Theile, er gar sehr auf, daß Adelungs Woerterbuch mit sich
selbst nicht uebereinstimmend, oft auch im Widerspruche ist. Dieß gilt zwar von
allen, vorzueglich von dem vierten Theile, der so ganz, nicht selten in den
Aufschlagewoertern, mit Adelungs Grundsaetzen der Sprachlehre und Orthographie
streitet, daß Adelung gegen sich selbst zu Felde zu liegen scheinet. Ich fing
also mit einer Muehe, die nur jener beurtheilen kann, der eine aehnliche Arbeit
selbst versuchet hat, das Übrige des ganzen Woerterbuches zu durchlesen an, und
fand manche Unrichtigkeiten und Fehler, die ich nach Adelungs Grundsaetzen zu
verbessern suchte. Ich sage, nach Adelungs Grundsaetzen; denn da Adelungs
Woerterbuch gegeben wird, kann nur von Adelungs Grundsaetzen die Rede seyn,
ohne daß die Frage gestellet werde, ob diese Grundsaetze auch die meinigen
seyn. So wuerde ich nie zur Dehnung der letzten Sylbe in Kaffee, Rappee ec. das
h waehlen, und Kaffeh, Rappeh schreiben. Da aber Adelung das Dehnungszeichen h
allgemein annimmt, durfte auch ich nicht davon abgehen. Selbst in jenen
Woertern, wo vielleicht der bloß aeußere Anschein gegen mich seyn koennte, als
waere ich von Adelung abgewichen, wird jeder, der die Sache zu pruefen sich die
Muehe nehmen will, gewiß finden, daß ich auch hier mich genau an Andelungs
Grundsaetze gehalten habe. Z. B. Adelung schreibt im Aufschlageworte Bosheit
oder richtiger Boßheit, Boshaft oder richtiger Boßhaft, und gibt in der
Anmerkung die Erklaerung, die Wurzel davon sey nicht Böse, sondern ein altes
Zeitwort Boßen, das in Erboßen noch uebrig ist. Dieß ließ ich freylich, als
eine Eigenheit Adelungs, unveraendert stehen; schrieb aber doch, so oft diese
Woerter vorkommen, immer mit s Boshaft und Bosheit, und glaube nicht gegen
Adelungs Grundsaetze gehandelt zu haben. Denn auch nach diesen ist der
Lexikograph nicht berechtiget, in der Sprache und Schreibart, wenn auch die
Etymologie fuer ihn spraeche, willkührlich zu verfahren, und von dem allgemein
angenommenen Gebrauche, quem penes arbitrium est et jus et norma loquendi atque
scribendi, abzugehen. Nun aber steht der Sprachgebrauch aller classischen
Deutschen Schriftsteller fuer Bosheit; wie auch alle im Woerterbuche selbst
angefuehrte Beyspiele bestaetigen. Über dieß ist es nichts weniger als gewiß,
daß das Stammwort nicht Böse, sondern Boßen ist. Denn das ß zeigt ein
Intensivum ober Iterativum, das ist eine Fertigkeit oder Heftigkeit böse zu
seyn an; und kann daher nicht das Stammwort seyn, welches vielleicht einst
Bosen, oder böse seyn gewesen seyn mag. Aber der Begriff des Iterativi oder
Intensivi liegt auch schon in den Sylben Haft und Heit. Siehe des Woerterbuchs
II. Theil Seite 890 und 891, dann Seite 1091 und 1092. Mir scheint also die
Schreibart Boßheit, selbst nach Adelungs Grundsaetzen, nicht nur nicht
richtiger, sondern willkührlich gewagt und unrichtig zu seyn. Ich glaube nun,
dieses Woerterbuch (das immer noch das einzige grammatisch-kritische
Woerterbuch der Deutschen Sprache ist, und wahrscheinlich noch lange das
einzige bleiben wird;) durch Ausmerzung unzaehliger Unrichtigkeiten, nach
Absicht des Herausgebers, mit sich selbst uebereinstimmender, und fuer jeden
brauchbarer gemacht zu haben, so daß es fuer alle Faelle zureichen kann. Denn
der Vorwurf, der diesem Woerterbuche schon oefter und erst neulich gemacht
wurde, daß hier die von den neuern Schriftstellern gebildeten neuen Woerter
nicht aufgenommen wurden, ist nicht vom Belange und vom Adelung selbst schon
geloeset worden. Er gibt zu, daß die Zahl dieser neu gebildeten Woerter seit
einer bestimmten Zeit betraechtlich zugenommen hat, besonders seit dem hier und
da eigene Woerter-Fabriken angelegt worden, aus welchen sie von Zeit wie
Kaninchenherden zu Hunderten hervorstroemen. Aber haben alle diese Neulinge
sogleich ein Recht zu einer Stelle in einem Woerterbuche, welches nur, dem
anerkannten wahren und bleibenden Reichthum einer Sprache gewidmet seyn kann?
Entweder sind diese Woerter nach leichten und gangbaren Analogien gebildet,
(und nur solche erlaubt der Genius der Sprache,) so verstehen sie sich -
besonders in einem grammatisch-kritischen Woerterbuche - von selbst, und es ist
unnoethig, ein Woerterbuch durch sie aufzuschwellen. Ober sie sind, wie nur zu
oft der Fall ist, nach dunkeln und veralteten Analogien, oder gar ohne alle
Analogie auf bloßes Gerathewohl gebildet: so verdienen sie hier noch weniger
einen Platz; weil sie gewiß kein Glueck in der Sprache machen, so lange diese
noch der Leitung der Vernunft und des guten Geschmackes folget. Sie werden, wie
so viel tausend ihrer Vorgaenger, wenn es hoch kommt, bewundert, und auf immer
vergessen. Es ist moeglich, daß eines oder das andere mit der Zeit das
Buergerrecht erhaelt; aber ob dieses wirklich geschehen werde, laeßt sich jetzt
nicht weissagen, sondern bleibt der Zukunft vorbehalten, die ihm alsdann seinen
gehoerigen Platz in dem Woerterbuche anweisen mag. Das einzige, was man dagegen
mit einigem Grunde einwenden koennte, waere vielleicht dieses, daß doch einige
Woerter, welche vorzueglich das Seewesen betreffen, und von vielen gar nicht,
von vielen unrichtig verstanden werden, und daher einer vollkommenen Erklaerung
noethig haben, in diesem Woerterbuche theils ganz fehlen, theils nicht richtig
erklaert werden. Aber diesen Mangel hat der Herausgeber gehoben, da er Soltau's
Supplemente, die sich groeßten Theils mit dem Schiff- und Seewesen
beschaeftigen, als Anhang zu jedem Theile des Woerterbuches gab. Geschrieben
zur Ostermesse 1808. Franz Xaver Schönberger.