Wohl
, [
1591-1592] eine Partikel, welche auf
verschiedene Art gebraucht wird. 1. Als ein Adverbium, oder
Beschaffenheitswort, da es denn der Natur der Sache nach zwar der Steigerung
fähig ist, selbige aber nicht an sich selbst verstattet, sondern dafür, so wie
gut, den Comparativ und Superlativ besser und beste von dem veralteten des
entlehnet. (1) Dem Gefühle, und in weiterer Bedeutung den äußern Sinnen
angenehm. (a) Dem Gefühle angenehm, im Gegensatze des weh. Das thut ihm wohl,
erweckt ihm eine angenehme Empfindung des Gefühles. (b) In weiterer Bedeutung,
keine unangenehme Empfindung habend; im Gegensatze des Übel. Mir ist wohl, ich
befinde mich wohl, wenn man keine unangenehme Empfindung der veränderten
Gesundheit hat. Mir ist nicht wohl, ich befinde mich nicht wohl. Der Gebrauch
mit dem Verbo seyn, und dem Nominative, er ist seit ein Paar Tagen nicht recht
wohl, für, ihm ist u. s. f. scheinet mehr eine provinzielle Eigenheit als eine
Hochdeutsche Form zu seyn. (b) Den übrigen Sinnen, den Empfindungen angenehm,
wie gut, und oft im Gegensatze des schlecht. Es ist mir nicht wohl zu Muthe bey
der Sache, ich fürchte ein Übel. Es schmeckt, riecht, klinget wohl, gut. Er
gefällt mir ganz wohl. Sie siehet sehr wohl aus. Diese Farbe stehet ihm wohl.
Ich kann ihn sehr wohl leiden. Wohl gebauet, wohl gebildet seyn, so daß man
andern gefällt. (2) Den Wünschen, den Absichten, der Natur der Sache
angemessen, für gut, im Gegensatze des schlecht. (a) Den Wünschen, der Absicht
angemessen. Es gehet ihm wohl, seinen Wünschen gemäß. Leben Sie wohl! Schlafen
Sie wohl! Eine Sache sehr wohl ausrichten. Einem wohl wollen, ihm günstig seyn.
Das Glück will ihm wohl. (b) Der Natur der Sache angemessen, auf gehörige Art.
Etwas wohl überlegen. Es ist sehr wohl gethan. Etwas sehr wohl bedenken. Daran
thun sie wohl. Wie wohl hat mein Freund für mein Glück gesorgt! Er zielt und
faßt den Pilger wohl, Gell. Den Pfeffer wohl stoßen, gehörig. Etwas wohl unter
einander mengen, hinlänglich. Ich kenne mich mehr als zu wohl, vollkommen. (3)
Da es denn oft dazu dienet, seinen Beyfall an den Tag zu legen, wie gut. Wohl,
nun wohl, wenn es dein Ernst ist! Wohl, ganz wohl! Willst du deiner Schwester
etwas geben, nun wohl! Gell. Zuweilen auch als eine Verstärkung des ja. Ja wohl
kann man vor Liebe krank werden, Gell. allerdings. In manchen Provinzen, z. B.
in Baiern, wird wohl allein, für ja gebraucht. (4) In manchen Fällen gehet die
vorige zweyte Bedeutung in eine Art von Intension oder Verstärkung über, und
läßt sich alsdann oft durch hinlänglich, füglich u. s. f. auflösen. Ich weiß es
wohl; ich sehe, höre es wohl; ich möchte wohl wissen, woher er es hat; ich höre
es nunmehr wohl, daß dir nicht recht ist, Gell. Es kann heute nicht wohl seyn,
nicht füglich. Gott wirds wohl machen. Da hat man dir nun wohl keine Lügen
gesagt. Ingleichen in Fragen. Glauben Sie wohl, daß mir ihr Glück lieb ist?
Sehen Sie wohl, daß er noch nicht da ist? Was hätte ich wohl für Vortheil
davon? Es hat in allen diesen und ähnlichen Fällen verschiedene schwache
Nebenbegriffe, welche den Übergang dieses Adverbii zu dem folgenden
Umstandsworte ausmachen. 2. Als eine Interjection, und zwar des Glückwunsches,
da sie denn im Hochdeutschen alle Mahl mit dem Dative der gepriesenen Person
verbunden wird. Wohl mir, daß ich es nicht gesehen habe! Wohl dir, wenn du es
hast! Wohl dir, o du, durch meinen Freund regieret! Raml. Bey den Schwäbischen
Dichtern kommt es so wohl mit dem Dative als Accusative vor. Wol mich! Wol der
sumerlichen zit. 3. Als ein Umstandswort, da es denn den Begriff eines Verbi
oder andern Adverbii nur modificiret, und dabey oft so seine Nebenbedeutungen
ausdruckt, daß sie sich nur dunkel empfinden, aber nicht leicht durch Worte
klar machen lassen. Ich kann daher nur die vornehmsten und hervorstechendsten
anführen. Es sind selbige: (1) Der Nebenbegriff des Zweifels, der Vermuthung,
der Frage; wie vielleicht. Das kann wohl nicht seyn. Das ist wohl nicht
erlaubt. Er ist nicht so einfältig, als Sie wohl denken. Er hat jetzt andere
Gedanken. Das Gewissen eines Menschen, der viel gereis't ist, muß wohl eine
Hölle auf Erden seyn. Camilla, - doch wohl nicht die Schwester des Lelio? Da
nahmest du es wohl? Todt oder blind seyn, kommt wohl auf eine hinaus. Mit Fleiß
wird er's wohl nicht gethan haben. Sie irren sich wohl. Den willst du wohl gar
noch lieben? Ich werde wohl nicht dabey nöthig seyn. (2) Da es denn zuweilen so
viel als ungefähr bedeutet, doch mit einem merklichen Nebenbegriffe der
Gradation oder Intension. Ich habe es ihm wohl zehn Mahl gesagt. Hier sang sie
wohl eine Stunde lang. Es sind ihrer wohl zehen. Er muß nun wohl funfzig Jahr
alt seyn. (3) In manchen Fällen sticht die Gradation stärker vor. Den sie so
lieb, wie sich, und wohl noch lieber hatte. Ich habe wohl mehr dergleichen
Männer gesehen. Die Liebe ist schlauer, als die Freundschaft; ihr süßes
Pfeifchen schläfert wohl einen Argus ein, Weiße. (4) Für zwar, als eine
concessive Conjunction. Er hat wohl Geld, aber keinen Verstand. Es sind wohl
gute Leute, aber sie sind ein wenig schwatzhaft. Ingleichen in dem zusammen
gesetzten Obwohl, (
S. dasselbe.) Oft modificirt es das adversative aber.
Heute nicht, aber wohl morgen; und das copulative und disjunctive so, in So
wohl.
S. dasselbe. [
1593-1594] Anm. 1.
Die Niederdeutschen und einige gemeine Oberdeutschen Mundarten sprechen dieses
Wort in allen Fällen geschärft, woll, aus; im Hochdeutschen hingegen lautet es
in allen seinen Bedeutungen gedehnt, wohl, nur daß es, wenn es das Adverbium
und die Interjection ist, wegen der Vollständigkeit seines Begriffes, auch den
Ton hat, in den meisten Fällen des Umstandswortes aber den Ton auf das folgende
Wort wirft. Wohl mir; ich sehe es wohl. Aber, ich habe es ihm wohl zehnmahl
gesagt. Da denn im ersten Falle die Dehnung freylich stärker empfunden wird,
als im letzten. Sonderbar genug ist es, wenn einige Neuere bey diesem Werte die
Hoch- und Niederdeutsche Mundart unter einander werfen, und das Adverbium und
die Interjection wohl, das Umstandswort ader wol, oder gar woll, schreiben und
sprechen lehren. Wie viele Partikeln, ja wie viele tausend andere Wörter müßten
nicht umgemodelt werden, wenn die Verschiedenheit der Bedeutung und des
Gebrauches dazu berechtigen könnte. Der Comparativ wöhler und Superlativ am
wöhlsten sind im Hochdeutschen völlig fremd; allein in einigen Oberdeutschen
Gegenden sind sie noch gangbar. Anm. 2. Dieses Wort lautet bey allen alten
Schriftstellern von des Kero Zeiten an wola, wela, woraus zugleich das Alter
der Dehnung erhellet, bey dem Ulphilas vaila, im Angels. hingegen wel, im Engl.
well, im Schwed. wäl, im Wallis. gwell. Das Lat. belle ist genau damit
verwandt. Anm. 3. Das Adverbium wohl wird mit vielen Wörtern zusammen gesetzt,
da denn der Grund der Zusammensetzung entweder eine elliptische oder figürliche
Bedeutung, oder auch ein gemeinschaftliches vorher gehendes und zwar biegsames
Bestimmungswort ist. Das Wohlbefinden. Wo keine dieser beyden Ursachen
vorhanden ist, da schreibt man es getheilt, wie ein jedes anderes
Bestimmungswort, sich wohl befinden. Daher werden viele Verba getheilt, ihre
Substantiva aber, ingleichen die Participia, wenn sie als Adjectiva decliniret
werden, zusammen gesetzt geschrieben. (Man sehe meine Sprachlehre, in dem
Kapitel von der Zusammensetzung der Wörter.) In vielen Fällen bezeichnen die
mit wohl zusammen gesetzten Wörter einen geringern Grad, als die ähnlichen mit
doch, besonders in den Titeln.
S. die vornehmsten im Folgenden.
[
1593-1594]