Der Wille
, [
1547-1548] des -ns, plur. doch nur in der
ersten Bedeutung, und auch hier nur selten, die -n. 1. Das Vermögen, zu wollen,
da denn dieses Wort, besonders in der Philosophie, in verschiedenem Umfange der
Bedeutung gebraucht wird, und bald nur die obere Kraft der Seele, nach
Erkenntniß zu wollen und nicht zu wollen, bedeutet, bald aber auch das ganze
Begierden-System des Menschen ausdrückt. Verstand und Willen haben. Der
Verstand beschließt, der Wille führet aus. Der Wille des Menschen ist verderbt,
in der Theologie, wo es auch die Begierden mit in sich schließet. Der freye
Wille, das Vermögen, nach eigener Entschließung zu handeln. Seinen freyen
Willen haben; jemanden seinen freyen Willen lassen. In der Theologie ist der
freye Wille das natürliche Vermögen und Unvermögen in geistlichen Dingen. In
dieser Bedeutung wird es zuweilen im Plural gebraucht. Die Liebe ist eine
Übereinstimmung zweyer Willen zu gleichen Endzwecken, sagt der Magister bey
Gellert. 2. Die Äußerung dieses Vermögens in einzelnen Fällen, es gründe sich
nun auf klare, oder dunkele und sinnliche Erkenntniß, so daß es gemeiniglich
die gewollte Sache mit einschließet. Auf seinen Willen bestehen. Das ist mein
Wille. Er will seinen Willen haben, er verlangt, daß das geschehe, was er will.
Du hast darinn deinen Willen, kannst nach eigenem Gutdünken, nach eigener
Entschließung verfahren. Jemandes Willen brechen, ihn nöthigen, wider seine
Begierden zu handeln. Es war nicht mein Wille, daß dieses geschehen sollte.
Sein Wille muß geschehen. Den Leithund kurz fassen, damit er nicht so vielen
Willen habe, damit er sich nach Willkühr bewegen könne. Besonders, 3. der
Vorsatz, Entschluß. Ich habe es mit Willen gethan. Das ist mit willen
ausgelassen worden. Ich habe alles gehöret, ohne daß es mein Wille war. Hierher
gehöret auch der adverbische Gebrauch, Willens seyn, entschlossen seyn. Ich bin
nicht Willens, zu ihm zu gehen. Dieß ist die einzige gute Hochdeutsche Form,
weil das Verbum seyn in mehrern ähnlichen Fällen mit dem Genitive ohne Artikel
gebraucht wird, daher die provinziellen, in Willens haben, Willens haben, im
Willens haben, in Willen seyn, unanalogisch und unrichtig sind. Auch in Willens
mit Auslassung des Verbi seyn, vertauscht man lieber mit üblichern Ausdrücken:
ich ging zu ihm, in Willens, mit ihm von der Sache zu sprechen, besser, in der
Absicht, mit dem Vorsatze, Entschlusse. 4. Gefallen, Neigung, Wunsch. Etwas
wider seinen Willen thun, wider seine Neigung, ungern. Einem zu Willen leben,
ihm zu Willen seyn, am häufigsten im gemeinen Leben. Der Wille des Menschen ist
sein Himmelreich, die Erfüllung seiner Wünsche, Befriedigung seiner Neigungen.
Oft im Gegensatze der That. Den Willen für die That annehmen. Ich sehe doch
seinen guten Willen. In der niedrigen und nur im gemeinen Leben üblichen R. A.
etwas für Willen nehmen, damit fürlieb nehmen, es sich gefallen lassen:
Mit diessem Danke nehmt für Willen, Günth.
scheint es nicht unser Substantiv Wille, sondern das noch hin
und wieder im Niederdeutschen übliche Adverbium will, angenehm, zu seyn, (
S. Willkommen.) 5. Einwilligung, Beyfall. Es geschiehet
mit meinem guten Willen. Mit meinem Willen ist das nicht geschehen. Etwas mit
jemandes Willen thun. Er hat seinen Willen darein gegeben. Ohne mein Wissen und
Willen, wider mein Wissen, mit meinem Wissen und Willen. Endlich 6. wird willen
oder Willen mit der Präposition um auch häufig adverbisch gebraucht, einen
Bewegungsgrund anzudeuten, da denn das Substantiv, von welchem der
Bewegungsgrund hergenommen wird. im Genitiv zwischen beyden stehet; woraus
erhellet, daß Willen hier zwar als ein Adverbium gebraucht wird, aber doch
seine substantivische Eigenschaft nicht ganz abgeleget hat. Ich bitte dich um
deines eigenen Besten, um unserer Liebe, um Gottes Willen. Es wird in dieser
Gestalt am häufigsten in Bitten und Ermahnungen, und mit Pronominibus
gebraucht, um meinetwillen, um deinetwillen, um deßwillen, (
S. davon Dein in der Anmerk.) In andern Fällen ist es
seltener, obgleich nicht ungewöhnlich. Es geschiehet um Le-
[
1549-1550] bens und Sterbens willen, d. i. in Rücksicht
auf einen möglichen Todesfall. Etwas um Lobes willen thun, besser, um gelobt zu
werden, in der Absicht, Lob zu erlangen. Er wird um seiner Nachlässigkeit
willen gestraft, besser, wegen. Ich thue es bloß um deines Bruders willen, in
Rücksicht auf deinen Bruder, aus Liebe zu ihm. Um des Himmels willen! ein
gewöhnlicher Ausdruck der Verwunderung über eine unangenehme Sache. Anm. Dieses
überaus alte Wort lautet von des Kero Zeiten an Wille, bey dem Ulphilas Willja,
im Angels. Vylla, im Engl. Will, im Slavon. Wule, Wola, Vola. Das Lat. Voluntas
ist genau damit verwandt.
S. Wollen. [
1549-1550]