Werden
, [
1493-1494] verb. irreg. neutr. Präs. ich
werde, du wirst, er wird, wir werden u. s. f. Conj. ich werde, u. s. f. Imperf.
ich ward oder wurde, du wurdest, (wardst,) er ward, oder wurde, wir wurden, ihr
wurdet, sie wurden, seltener wir warden, ihr wardet, sie warden; Conj. ich
würde, u. s. f. Particip geworden, und wenn es das Hülfswort ist, worden. Es
bekommt das Hülfswort seyn, und wird auf eine gedoppelte Art gebraucht. I. Als
ein eigenes Verbum für sich; oder als ein Verbum mit einem vollständigen
Prädicate, und da bedeutet es: 1. * Reifen, gehen, den Ort verändern, eine
längst veraltete Bedeutung, welche nur noch in einigen Gegenden, z. B. in und
um Dresden, in den gemeinen Sprecharten üblich ist. Nach Leipzig werden,
reifen. Über Feld werden, gehen. Ich setze diese Bedeutung voran, weil sie die
concreteste ist, und die abstracten Bedeutungen allemahl aus concreten und
sinnlichen entstanden sind. Daß sie sehr alt seyn muß, erhellet aus dem
mittlern Lateine, wo exfieri, für exire, ausgehen, und fuit, für ivit
vorkommen. Es scheinet in dieser Bedeutung mit fahren, reifen, gehen, Schwed.
färdas, verwandt zu seyn. 2. In einen gewissen Zustand gerathen, eine gewisse
Beschaffenheit überkommen, jetzt die gewöhnlichste Bedeutung. Die
Beschaffenheit welche man überkommt, kann auf zwiefache Art ausgedruckt werden.
(1) Vermittelst eines Pronominis oder Substantives, da denn dieses alle Mahl im
Nominativ stehet, so daß werden alsdann einen doppelten Nominativ regieret, den
Nominativ des Subjectes, und des Prädicates. Salomo ward König. Was willst du
werden? Antw. ein Kaufmann, ein Gelehrter u. s. f. Christus ist Mensch
geworden. Ein Soldat, ein Christ, ein Jude werden. Eine Nonne, ein Mönch, eine
Braut werden. Oft auch ohne Artikel, besonders mit Nahmen der Titel, Ämter und
Stände der bürgerlichen Gesellschaft. König, Kaiser, Cardinal, Fürst, Graf,
Magister, Doctor, Bürgermeister, Amtmann werden. Bürge für jemand werden. Er
ist mein Freund geworden. Ein Paar werden, ehelich verbunden werden, in der
vertraulichen Sprechart. Ich möchte gern, daß sie ein Paar würden, Gell. Es
scheinet, daß werden gemeiniglich alsdann mit zwey Nominativen verbunden wird,
wenn es so viel bedeutet, als solche freywillige Handlungen vornehmen, wodurch
ein gesammter, dauerhafter Zustand bewirket wird. Ist keine Mitwirkung
vorhanden, oder ist der Übergang nicht freiwillig, so bekommt entweder das
Subject die Präposition aus, und das Prädicat bleibt im Nominative. Aus Kindern
werden Leute. Aus Pflanzen werden Bäume. Aus dem Nebel wird endlich Regen. Es
wird nichts aus der Sache. Was wird aus der Sache werden? Was wird endlich aus
dir werden? Denken sie, was aus ihm werden würde, wenn man ihn bekäme, wie es
ihm ergehen würde. Oder das Subject bleibt im Nominativ, und das Prädicat
bekommt die Präposition zu, da denn dieses alle Mahl mit dem Artikel, wenn
einer stehen sollte, zusammen gezogen wird. Du wirst endlich noch zum armen
Manne werden. Cajus ist zum Bettler geworden. Sie ist zur Witwe geworden, wo
man aber noch häufiger sagt, sie ist Witwe geworden. Das Holz ist zu Stein
geworden, ist in Stein verwandt worden. Das Eis ist zu Wasser geworden. Die
Sache ist mir zu Wasser geworden, figürlich, ist mir vereitelt worden. Zu
Nichts werden. Zum Sprichworte werden. Es wird mir sehr zur Last.
Mein Leben selbst wird mir zur Last; Und meine Klagen werden
Thränen, Gell.
Eine besondere Art des Ausdruckes ist: Die Sache ist mir zu
Theil geworden, ich habe sie bekommen. Diese Arten, das Subject oder Prädicat
zu bezeichnen, sind nicht willkührlich, so daß man nach Belieben eine für die
andere setzen könnte, welches nur in den wenigsten Fällen angehen wird. So kann
man zwar sagen, aus dem Eise wird Wasser, und das Eis wird zu Wasser; allein es
hat doch jede ihre eigene schwache Nebenbedeutung, welche in der umständlichen
Bezeichnung entweder des Subjectes, oder des Prädicates vermittelst einer
Präposition zu liegen scheinet, daher diese Nebendeutungen nicht alle Mahl
verwechselt werden können. In einigen wenigen Fällen der vertraulichen
Sprechart bekommt das Subject auch wohl die Präposition mit. Wie wird es mit
mir werden? wie wird es mir ergehen? (2) Vermittelst eines Adverbii, und zwar
ohne Unterschied des thätigen oder leidenden Verhältnisses; da denn das Subject
am häufigsten im Nominative stehet. Die Sache muß anders werden. Sie wird nun
einmahl nicht anders. Die Sache wird immer schlimmer, übler, ärger, besser,
verwickelter u. s. f. Größer, kleiner, kürzer, länger, weiter, enger werden.
Arm reich, weise, gelehrt, klug werden. Er ist krank geworden. Der Kranke ist
gesund geworden. eifersüchtig, zornig, böse, lustig, verliebt, ohnmächtig,
schwanger werden. Blaß, roth werden. Einem feind werden, einem gut werden,
anfangen, ihn zu hassen, zu lieben. Es wird noch alles gut werden, einen guten
Ausgang gewinnen. Einer Sache gewiß werden, sich davon überzeugen, Gewißheit
[
1495-1496] davon erlangen. Einem untreu werden. Es wird
mir zu wider. Es ist wahr geworden, ist eingetroffen. Besonders Arten des
Ausdruckes sind: Eines Dinges ansichtig werden, es gewahr werden, es erblicken.
Etwas inne werden, es empfinden, merken. Die Zeit wird mir lang, dauert meiner
Empfindung nach lange. Einer Sache los werden, sich von ihr als einer
beschwerlichen Sache trennen. Vielleicht werde ich seiner desto eher los.
Zuweilen auch mit dem Accusative. Könnte ich doch den verzweifelten Titel los
werden! Einer Sache habhaft werden, sie in seinen Besitz bekommen. Ich kann
nicht klug daraus werden, kann mich darein nicht finden, den Zusammenhang nicht
einsehen. Er läßt es sich sauer werden, gibt sich viele beschwerliche Mühe.
Ingleichen unpersönlich mit dem Dative der Person, wo das es den Nominativ des
Subjectes vertritt. Es wird mir leicht, wird mir schwer. Wenn es mir auch noch
so sauer werden sollte. Es wird mir immer gewisser, daß die Briefe verloren
gegangen sind. Es wird mir übel, es wird mir besser, von der unmittelbaren
physischen Empfindung. In einer andern Bedeutung sagt man, es wird besser,
schlimmer mit dem Kranken, er bessert, verschlimmert sich. Es wird mir angst,
bange, oder mir wird bange. Es soll dir so gut nicht werden, du sollst diesen
Vortheil, dieses Glück, dieses Vergnügen u. s. f. nicht erhalten. Und ähnliche
Arten des Ausdruckes mehr. In einigen Fällen, besonders in der höhern
Schreibart, stehet das Subject im Genitive, doch vermuthlich nur mit den
allgemeinen Zahlwörtern, viel, wenig u. s. f. Des Übels wurde mehr, des Guten
wurde minder, Dusch. Wo aber auch die vorige unpersönliche Form zum Grunde
liegt, es wurde des Guten mehr. (3) * Vermittelst eines Infinitives; eine im
Hochdeutschen veraltete Form, welche aber ehedem sehr häufig war. Des Tewrdank
scheffman grausen ward, Theuerd. er empfand ein Grausen, es fing ihn an zu
grausen. Besonders das Imperfect auszudrucken. Es ward fallen, er fiel. 3. Den
Fortgang einer Sache, den fernern Erfolg zu bezeichnen; da denn das
unpersönliche es den Nominativ des Subjectes ausdruckt. Wie ward es denn
weiter? wie ging es weiter? Hören sie nur, wie es ward. Diese Bedeutung ist
doch nur der vertraulichen Sprechart eigen. 4. In jemandes Besitz kommen, ihm
widerfahren, mit dem Dative der Person. Die Hälfte der Summe soll dem Angeber
werden, er soll sie bekommen. Was recht ist, soll dir werden. Euer Lohn soll
euch werden. Was wird mir nun dafür? was bekomme ich dafür? Meine Forderung muß
mir endlich doch werden.
Kann ihre Gunst mir werden, So hab' ich alle Welt, Opitz. Wenn
mir die Amsel wird, so bleibt Montan doch dein, Gell.
Ew. - - Schreiben ist uns zurecht geworden, wir haben es
richtig erhalten, in den Kanzelleyen. In der R. A. eines andern werden, in
eines andern Besitz gerathen, stehet die Person im Genitive, welcher Casus aber
von den ausgelassenen Substantiven Braut, Gattinn u. s. f. herzurühren
scheinet, weil er sich in andern Fällen wohl nicht leicht gebrauchen läßt.
Fragen sie lieber, was er sagen würde, wenn ich eines andern werden sollte,
Weiße. 5. Wirklich werden, entstehen. (1) Unpersönlich, mit dem Nominative des
Prädicates und dem es des Subjectes. Es wird Lärm im Zimmer, es entstehet ein
Lärm. Es wird Krieg werden. Wird es nicht bald Friede werden? Es wird Tag,
Nacht, Morgen, Abend. Es wird bald Sommer, bald [
1497-1498] Winter, werden. Es wird in dieser Bedeutung nur mit einigen
Substantiven gebraucht, die man daher nicht willkührlich vermehren darf. Dahin
gehöret auch der Ausdruck, dazu kann Rath werden, dazu soll schon Rath werden,
dazu werden sich Mittel ausfindig machen lassen. (2) Persönlich, mit dem
Nominative des Subjectes, welches wirklich wird; eine seltnere Bedeutung, ohne
Zweifel, weil der Begriff des wirklich Werdens durch das bloße Verbum zu kurz
und mager, vielleicht auch nicht bestimmt genug ausgedruckt wird. Gott sprach
und die Erde ward. Wer bin ich? Wie ward ich? Von dem Participio werdend.
S. die Anmerkung. 6. Dauern, von der Zeitdauer; wo es
aber eine Verwechselung mit währen zu seyn scheinet. Wie lange wird es werden,
so bringen sie mich um meinen Bräutigam? Besser, währen oder dauern. Es wird
nicht lange mehr mit mir werden, ich werde vermuthlich bald sterben; wofür
Gellert ausdrücklich sagt: ich denke, es wird nicht lange mit mir währen. II.
Als ein Hülfswort, wo der allgemeine Begriff des Gerathens in einen gewissen
Zustand gebraucht wird, manche der Deutschen Conjugation fehlende Verhältnisse
der vollständigern Lateinischen Conjugation zu umschreiben, da denn der
allgemeine Begriff des werden entweder durch das Participium der vergangenen
Zeit oder auch durch den Infinitiv eines andern Verbi, näher bestimmt wird. In
dieser Gestalt lautet das Mittelwort der vergangenen Zeit alle Mahl worden für
geworden. Es wird als ein Hülfswort auf gedoppelte Art gebraucht. 1. Den
Begriff der Künftigkeit des Begriffes eines Verbi, oder das Futurum, zu
bezeichnen, welche die Deutsche Conjugation nicht unmittelbar an der Wurzel des
Verbi bezeichnen kann, wie die Lateinische, sondern ihn durch werden
umschreiben muß. (1) Eigentlich, oder diesen Begriff der Künftigkeit allein,
und ohne allen Nebenbegriff, und zwar so wohl im Activo, als im Passivo, da
denn in beyden Fällen eigentlich ein dreyfaches Futurum Statt findet. (a) Das
Futurum absolutum, welches ohne Rücksicht auf eine andere Handlung gebraucht
wird, mit dem Infinitivi eines andern Verbi. So wohl im Activo: ich werde
kommen. Morgen werden ich dich sehen. Als im Passivo: morgen wird die Sache
vorgenommen werden. (b) Das Futurum exactum, in Rücksicht auf eine andere
Handlung, in deren Betrachtung sie als vergangen angesehen wird. Im Activo:
wenn ich ihn werde gelobet haben, wo wird er lächeln; wenn ich es werde gesehen
haben, dann will ich urtheilen. Im Passivo: wenn die Sache wird untersucht
seyn, dann wird sich darüber urtheilen lassen. (c) Das Futurum imperfecto
mixtum, welches sich doch mehr auf eine Ungewißheit, als auf eine Künftigkeit,
beziehet, und daher nur im Conjunctivo gebraucht werden kann. Im Activo: ich
würde es glauben, wenn er mich nicht so oft belogen hätte; ich würde es ihm
gegeben haben, wenn er es verlangt hätte, kürzer: ich hätte es ihm gegeben,
wenn u. s. f. So auch im Passivo: ich würde seyn bezahlt worden, (kürzer, ich
wäre bezahlet worden,) wenn ich es verlangt hätte. (2) Figürlich, oder mit
allerley Nebenbegriffen, welche besonders in der vertraulichen Sprechart sehr
gewöhnlich sind. Und zwar a. mit dem Nebenbegriffe der Vermuthung, welche denn
gern in eine Frage eingekleidet wird; auf welche Art so wohl das Futurum
absolutum, als das exactum, gebraucht wird. Sie wird bey deinem Bruder seyn. Er
wird doch kommen? Sie wird nunmehr doch ruhig seyn? Oder: sie wird nunmehr doch
ruhig geworden seyn. Damöt wird von dem Ruß doch
[
1497-1498] munter geworden seyn? Gell. Sie wird sich wohl
einmahl am Bilde letzen wollen, eben ders. Oft noch mit dem Nebenbegriffe eines
Verweises. Du wirst doch wissen, ob du es gethan hast. Oder des Wunsches, daß
die Vermuthung ungegründet seyn möchte. Du wirst es ihm doch nicht gesagt
haben? Oder auch des Wunsches, daß sie gegründet seyn möchte. Du wirst es ihm
doch gesagt haben? b. Mit dem Nebenbegriffe des Verlangens nach dem Ende eines
Zustandes, dessen künftige Fortdauer man voraus siehet; mit dem Futuro
absoluto. Wie lange werde ich noch nach dir seufzen! Ach, wenn wird er doch
kommen! c. Mit dem Nebenbegriffe oder vielmehr Hauptbegriffe eines gelinden
Verweises, indem sich der Begriff der Künftigkeit hier völlig verlieret; mit
dem Futuro absoluto. Wer wird denn beständig singen! wer wird auch so
abergläubig seyn! Wer wird den Augenblick gleich voller Argwohn seyn! Gell.
Neugieriger Myrtill, wer wird nach allem fragen! eben ders. d. Mit dem
Nebenbegriffe einer mit Zweifel und Hohn vermischten Verwunderung, vermittelst
des Futuri exacti. Von Person hat sie mir gefallen, ich werde aber nicht
gedacht haben, daß eine so schöne Person nicht reden kann, Gell. Auch mit einem
beygemischten Verweise. Ich werde es gewiß nicht gesehen haben, da er dich
vorhin im Nebenzimmer küßte, eben ders. e. Mit dem Nebenbegriffe des Spottes
über eine unwahrscheinliche Sache. Er wird wohl mit einem Stiefel geritten
seyn! und was dergleichen versteckte Nebenbegriffe mehr sind, welche sich
leichter empfinden, als durch Worte deutlich machen lassen. 2. Den Begriff des
leidenden Verhältnisses eines Verbi zu bezeichnen, da es denn gebraucht wird,
das ganze Passivum der Lateinischen Conjugation zu umschreiben, indem es in der
Deutschen völlig fehlet. Es wird sehr verkannt. Es ward gesagt. Du wirst
geehret werden u. s. f. Anm. 1. Wenn der Vocal der Wurzel in diesem Verbo e
ist, so lautet es im Hochdeutschen alle Mahl gedehnt: ich werde, wir werden,
ihr werdet, werden. Gehet er aber in einem andern Vocal über, so wird er
geschärft: du wirst, er wird, ich ward, ich wurde, geworden. Letzteres
geschiehet nach der Regel, daß zwey unmittelbar auf einen Vocal folgende
Consonanten denselben schärfen; ersteres gründet sich aber vermuthlich auf die
Abstammung von ich war, vielleicht auch von währen; daher in Art, Arzt, Erde,
erst, dar Erz, die Fahrt, Fährte, Geburt u. s. f. ähnliche Ausnahmen Statt
finden, welche sich insgesammt auf die Abstammung gründen. Anm. 2. Wenn dieses
Verbum das Hülfswort ist, so lautet es im Particip. Präteriti, ohne Ausnahme,
worden, außer dem aber nach der gewöhnlichen Regel geworden. Da nun das
Imperfect auch auf eine doppelte Art gebildet wird, ich ward, und ich wurde, so
haben einige diese Formen auf ähnliche Art unterscheiden, und wurde auf das
Hülfswort einschränken, ward aber in den übrigen Fällen gebrauchen wollen.
Allein beyde Fälle sind sich nicht gleich, und können daher auch nicht aus
einem und eben denselben Gesichtspuncte betrachtet werden. wenn das Participium
von werden das Hülfswort ist, so ist es alle Mahl mit einem andern Participio
Präteriti verbunden, welches bereits sein Augment hat, daher geworden das
seinige, um des Wohlklanges Willen, verlieret; ich bin geliebt worden, für
geliebt geworden. Allein in ward und wurde findet nichts dergleichen Statt,
sondern die erste Form ist eine Folge der immer fortschreitenden Ausbildung der
Sprache, welche unter andern auch in vielen irregulären Verbis das tiefe o und
u mit den angenehmern a vertauschet hat. Man sagt jetzt nicht mehr, ich begonn,
borg, borst, bund, drung, empfund, fund, gelung, golt, gewonn,
[
1499-1500] klung, rung, schwung, sung, zwung, u. s. f.
sondern, begann, barg, barst, band, drang, empfand, fand, gelang, galt, gewann,
klang, rang, schwang, sang, zwang. Eben diese Ursache hat auch ward für wurde
eingeführet; allein es scheinet, daß man in Ansehung desselben wieder stehen
geblieben ist, indem wurde nicht allein noch sehr gangbar geblieben ist,
sondern auch ward fast nur in der ersten und dritten Person des Singulars
üblich geworden ist. In der zweyten ist wardst freylich hart; allein dieser
Härte ist leicht durch wardest auszuweichen, so wie man ihr in du wurdest,
barstest, galtest, rangest, sangest, bandest u. s. f. gleichfalls durch e
auszuweichen weiß. Über dieß findet diese Härte im Plural nicht Statt, und doch
sind, wir warden, ihr wardet, sie warden, bey weitem nicht so üblich, als
wurden. Ich kann mir diese Ungleichheit nicht anders, als durch einen
stillstand in der Cultur der Sprache in Ansehung dieses Verbi, erklären.
Wenigstens würde es auf alle Fälle unerlaubt und unschicklich seyn, einen
willkührlichen Unterschied zwischen ward und wurde zu machen. Daß der
Conjunctiv noch der alten Form folget, ich würde, und nicht ich wärde, darf
nicht befremden, weil der Conjunctiv und das Participium die neue Form immer am
spätesten annehmen, daher auch noch gölte, hülfe, schölte, stöhle, stürbe,
verdürbe, würbe u. s. f. üblich sind, ob wir gleich im Indicative lange nicht
mehr golt, hulf, scholt, stohl, sturb, verdurb, und wurb sagen. Anm. 3. Das
Participium Präsentis werdend ist im Hochdeutschen eigentlich eben so wenig
üblich, als seyend. Allein die Oberdeutschen Kanzelleyen gebrauchen es häufig:
die täglich beschwerlicher werdenden Unruhen. Unsere neuern Dichter haben es in
der Bedeutung des Entstehens einzuführen gesucht. Das Bild der werdenden Eva,
Klopst. Wo um den drohenden Fels die werdenden Donner sich sammeln, Zach. Anm.
4. Die Hülfswörter haben und seyn können in manchen Fällen verschwiegen werden;
allein werden niemahls, außer, wenn es bey mehrern verbundenen Verbis
wiederhohlet werden sollte, da es denn nur Ein Mahl gesetzt werden darf. Du
wirst geliebt und gelobt werden. Nur muß das werden nicht Ein Mahl das eigene
Verbum, und das andere Mahl das Hülfswort, auch nicht Ein Mahl das Hülfswort
des Futuri, und das andere Mahl des Passivi, seyn. folglich nicht: die
Verbrecher welche scharf bewacht, und ihren verdienten Lohn empfangen werden;
wo das letzte werden, als ein Hülfswort des Futuri, das ausgelassene
ungleichartige Hülfswort des Passivi nicht vertreten kann. Überhaupt vermeide
man so wohl grammatisch fehlerhafte, als auch den Wohlklang beleidigende Arten
de Gebrauches dieses Hülfswortes. Die Streitigkeiten scheinen noch so bald
nicht beygelegt zu werden, ist fehlerhaft, weil hier ein Hülfswort fehlet;
folglich besser: es scheinet nicht, daß die Streitigkeiten so bald werden
beygelegt werden, oder daß sie sich so bald werden beylegen lassen. Er zeigte,
wie unglücklich die Leute werden werden, wenn sie sich nicht bessern, besser,
seyn werden, oder werden müssen. Anm. 5. Dieses Verbum lautet schon von den
frühesten Zeiten an werden, bey dem Ulphilas wairthan, im Isländ. werda und
Schwed. varda. Es ist vermuthlich ein Abkömmling von dem alten wara, seyn,
wovon noch war ist, da denn der dunkele Unterscheidungsbegriff durch den alten
Ableitungslaut d bezeichnet worden. [
1499-1500]