Weit
, [
1471-1472] -er, -este, adj. et adv. einen
Abstand zweyer Dinge, eine Entfernung zu bezeichnen. 1. Eigentlich. (1) Von dem
Abstande, der Entfernung überhaupt, ohne die Größe derselben zu bezeichnen; nur
als ein Adverbium. Wie weit ist es von hier bis Berlin? So weit stehet der
Tisch von der Wand. Sie stehen zu weit aus einander. Es ist weiter von hier
nach Berlin, als von hier nach Dresden. Ich kann nicht weiter gehen. Wird das
Maß der Entfernung ausgedruckt, so stehet dasselbe im Accusativ. Drey Meilen
weit von hier. Sechs Zoll weit von der Wand. Wo aber weit überflüssig ist, weil
von die Entfernung bereits hinlänglich ausdruckt. Zu weit gehen, zu weit
kommen. Der Weg ist für mich zu weit. Der Scharfsinn des Menschen gehet nicht
weit, erstreckt sich nicht tief in die Unterschiede. (2) Von einer großen aber
beträchtlichen Entfernung, wie das edlere und mehr Oberdeutsche fern.
Vornehmlich als ein Adverbium. Das Licht ist schon weit herab gebrannt. Ich
habe nicht weit nach Hause. Ein weit entlegener, entfernter Ort. Sich weit weg
machen. Jemanden weit entgegen gehen. Weit und breit, in einem großen Raume
umher. Sie schlief, und weit und breit erschallten keine Nachtigallen, Less.
Ihr Nahme ist schon weit und breit bekannt, Weiße. In dem edlern Style ist
dafür weit umher üblicher. Unser Gesang tönet dann weit umher, Geßn. Die weit
ausgebreitete Gegend. Weit von einander abstehen. Der Terminus a quo bekommt
von. Weit von dem Flusse. Nicht weit von hier. Ein weit aussehender Handel,
figürlich, der von vielen entfernten Folgen ist. Etwas weit herhohlen,
entfernte Ähnlichkeit, Gründe u. s. f. aufsuchen. Weit hören, sehen, reichen,
schießen, gehen u. s. f. in die Ferne. Als ein Adjectiv ist es in dieser
Bedeutung nur mit wenig Substantiven üblich, wovon Weg, Reise und Feld
vielleicht die vornehmsten sind. Ein weiter Weg, der sich weit in die Ferne
erstreckt. Mein Weg ist der weiteste, der Ort, wohin ich will, ist am meisten
entlegen. Eine weite Reise, an einem entfernten Ort. Die Sache stehet noch in
weitem Felde, figürlich, ist noch sehr ungewiß. Von weiten, nicht von weitem,
oder vom weiten, aus der Ferne. Ich habe schon etwas von weiten gehöret,
dunkel, durch Umschweife, Ich sehe ihn von weiten. Einem von weiten nachfolgen,
von fern. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. (a) Von der Zeit, eine
beträchtliche Entfernung der Zeit zu bezeichnen; nur als ein Adverbium. Die
Zeit ist nicht mehr weit entfernet. Der Sommer ist noch weit. Erst zwey Uhr? Es
muß weiter seyn. (b) Von dem innern Raume eines Dinges. 1. So wohl absolut, und
überhaupt. Dieses Kleid ist weiter als jenes; der eine Schuh ist weiter als der
andere. Das Gefäß ist drey Fuß weit, nach dem Umfange des innern Raumes. Wo es
nur als ein Adjectiv gebraucht werden kann, wenn das Maß der Weite mit
ausgedruckt wird. Ein drey Fuß weites Gefäß. 2. Einen großen, beträchtlichen
innern Raum auf allen Seiten habend, so wohl adverbisch, als adjective. Das
Kleid ist sehr weit. Die Thür weit aufsperren. Weit offen stehen. Einen weiten
Umschweif nehmen. Ein weites Zimmer, ein weites Gefäß. Eine weite Ebene, welche
sich auf allen Seiten weit erstreckt. In die weite Welt gehen. Ein weiter Kamm,
ein weites Sieb, wo die Zwischenräume beträchtlich sind; im Gegensatze des
engen. Ein weites Gewissen haben, wenig Handlungen durch das Gewissen für
bestimmt halten; im Gegensatze eines engen Gewissens. Die weitere Bedeutung
eines Wortes, welche mehr einzelne Fälle unter sich begreift, der weitere
Verstand, im Gegensatze des engern. (c) Von einem gewissen Grade, so wohl des
Fortganges einer Sache, als auch der innern Stärke, oft von beyden zugleich;
nur als ein Adverbium. So weit ist es mit der Sache gekommen, bis auf diesen
Punct, bis auf diesen Grad. Weiter laß ich es nicht kommen. Die Sache ist schon
zu weit gekommen. Eine Sache sehr weit, zu weit treiben. Ich will es so weit
bringen, daß u. s. w. Wie weit hast du sie durch deine Gründe gebracht? Gell.
Kann man sich wohl vorstellen, daß die Verblendung so weit gehen sollte? So
weit hast du Recht, bis auf diesen Punct, so fern. Ich will ihnen in so weit
baldige Besserung wünschen, als sie dieselbige für gut befinden, Gell. So weit
ist mirs gelungen, so fern, bis dahin. Man kommt jetzt mit Betriegern weiter,
als mit ehrlichen Leuten, man kann mehr mit ihnen ausrichten, Less. Da denn
auch der Comparativ weiter, (nicht weiters,) so wie ferner; häufig gebraucht
wird, eine Fortsetzung, ein Fortfahren zu bezeichnen. Fahre weiter fort. Weiter
kann ich die nicht helfen. Es würde mir weiter doch nichts helfen. Nun lacht
ihm weiter keine Flur, keine Flur mehr, Gell. Weiter nichts, als, sonst nichts.
Wollen sie sich nicht weiter erklären? nicht deutlicher. Es ist nichts weiter
in der Sache geschehen. Was kann ich weiter thun? Was wollt ihr weiter? Ein
ander Mahl wollen wir weiter sprechen. Was weiter (außer diesem) daraus werden
wird, mag die Zeit lehren. Wir brauchen einander weiter, können einander in
Zukunft noch gebrauchen. welcher Comparativ denn auch als ein Adjectiv
gebraucht werden kann. Sie nahm die Einladung ohne weitere Umstände an, ohne
fernere. Verlangen sie keine weitere Erklärung von mir. Bis auf weitern Befehl.
(d) Als eine intensive Partikel, für sehr, so wohl mit Verbis, doch nur mit
einigen. Jemanden weit übertreffen. Ich ziehe dir ihn weit vor. Weit gefehlt,
für es fehlet sehr viel. Doch weit gefehlt, daß ich gesagt hätte, so u. s. w.
Als auch, und zwar am häufigsten vor Comparativen, ihren Grad zu erhöhen, wie
viel. Sie haben weit mehr Verdienste als ich. Ich habe ihn weit lieber, als u.
s. f.
Im Felde leben wir zwar schlechter, Allein weit ruhiger als
hier, Michael.
Die Dichtkunst ist weit was Edlers, Gottsch. Besser, ist
etwas weit Edleres, oder ist weit edler. (e) Bey weiten (nicht bey weitem,)
wird auf ähnliche Art gebraucht, den folgenden Ausspruch zu verstärken. Am
häufigsten vor Verneinungen. Das ist bey weiten noch nicht alles. Er kommt ihm
bey weiten nicht gleich. Das rührt ihn bey weiten nicht so viel, als u. s. f.
In bejahenden Sätzen ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. Der Krokodill ist
bey weiten das fürchterlichste Thier in Ägypten; wo der Superlativ dieser
Erhöhung ohnehin nicht bedarf. Es ist bey weiten größer, besser, weit größer.
Anm. Schon bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern wito, Nieders. wit,
Schwed. vid, Engl. wide. Es ist vermutlich mit dem Franz. vuide, leer,
vielleicht auch mit dem Lat. patere, verwandt. Da es ein wahres Adverbium ist,
so macht es mit den [
1473-1474] Verbis, welchen es
zugesellet wird, auch keine Composita, so wenig als andere gewöhnliche
Adverbia. Folglich weit bringen, weit kommen, weit reifen, und nicht,
weitbringen u. s. f. (
S. meine Sprachlehre.) In von weiten, und bey weiten,
ist weit nicht das Adjectiv, sondern ein neues vermittelst der Endsylbe en
gebildetes Adverbium, wie von fernen, von vornen, von außen, von innen u. s. f.
Daher auch von weitem und bey weitem irrig sind.
[
1473-1474]