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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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Wann

, [1381-1382] die Oberdeutsche Form der Partikel wenn, sie mag nun ein Adverbium der Zeit, oder eine bedingende Conjunction seyn. Da die Oberdeutsche Mundart da, wo sie es thun kann, immer die breiten und tiefen Vocale den höhern vorziehet, so thut sie es auch in diesem Worte, und diese Partikel lautet bey ihr in allen Fällen wann, so wie sie im Niederdeutschen in allen Fällen wenn gesprochen und geschrieben wird. Wann wird er kommen? wann man dich fragt, so antworte; wann es nicht regnet, so komme ich u. s. f. wo eigentlich der Niederdeutsche in allen Fällen wenn gebraucht. Im Hochdeutschen hat man dieses wann nur in der R. A. dann und wann, d. i. zuweilen, aus der Oberdeutschen Mundart beybehalten; in allen übrigen Fällen aber erfordert der Sprachgebrauch wenn, es mag nun ein Adverbium der Zeit, oder eine bedingende Conjunction seyn. Da wir, selbst im Hochdeutschen, unter dann und denn den Unterschied machen, daß jenes als ein Adverbium der Zeit, dieses aber als eine Conjunction gebraucht wird, so haben schon einige ältere Sprachlehrer geglaubt, daß wann und wenn eben dieser Analogie folgen müßten, und daß wann allemahl von der Zeit, wenn aber nur als eine Conjunction gebraucht werden müßte; und die meisten neuern Sprachlehrer sind ihnen darin gefolgt. Allein, da der beynahe völlig übereinstimmige Hochdeutsche Sprachgebrauch dawider ist, so sind einzelne Personen nicht befugt, demselben willkürliche Gesetze vorzuschreiben, wenigstens sind dergleichen Vorschriften unnütz und vergeblich, indem sie das Geziere einiger weniger einzelner Personen abgerechnet, an dem Sprachgebrauche doch nichts ändern, und noch nie etwas daran geändert haben. Dieß voraus gesetzt, ist nur übrig, die Ursachen aufzusuchen, warum die Hochdeutsche Mundart diesen Unterschied in dem wann und wenn nicht angenommen hat, welchen sie unter dem dann und denn so sorgfältig beobachtet. Ich glaube, diese Ursache ist nicht schwer zu finden. Dann und denn lassen sich als zwey ganz verschiedene Wörter betrachten, und wenn sie es auch nicht seyn sollten, (denn hier wird sich nie etwas gewisses bestimmen lassen,) so ist doch die Verbindung ihrer bey den Bedeutungen, oder die Art der Figur, welche aus einem Nebenworte der Zeit eine causale Conjunction macht, so dunkel, daß sie immer als zwey verschiedene Wörter angesehen werden konnten, und da war es leicht möglich, daß man beyde Mundarten im Hochdeutschen vereinigte, und das Oberdeutsche dann als ein Adverbium, das Niederdeutsche denn aber als eine Conjunction behielt. Eben so verfuhr man mit dem vor und für, welches sich in eben demselben Falle befindet. Allein, ganz anders verhält es sich mit dem wann und wenn. Beyde sind augenscheinlich nur ein und eben dasselbe Wort, und die bedingende Bedeutung ist sehr auffallend eine Figur der Bedeutung der Zeit. In solchen Fällen, wo das Band zweyer Bedeutungen so merklich ist, als hier, wäre es ein Fehler, einem Worte um zweyer verschiedener, aber nahe verwandter Bedeutungen willen, zwey verschiedene Gestalten zu geben, und ich getraue mir, zu behaupten, daß kein Volk diesen Fehler jemahls begangen hat, wenn anders das Band verschiedener Bedeutungen so merklich war, daß es von demselben wenigstens dunkel empfunden werden konnte. Dieß ist nun genau der Fall mit dem wann und wenn. Die Hochdeutschen empfanden, daß beyde nur ein und eben dasselbe Wort waren, und da sie unter beyden Formen eine wählen mußten, so bestimmten sie sich, wie in so vielen andern Fällen, für die Niedersächsische, ohne Unterschied der Bedeutung. Wer nun um zweyer verschiedener, aber nahe verwandten Bedeutungen willen, nicht bloß die Schreibart, sondern sogar die Aussprache eines und eben desselben Wortes verändern will, verdienet noch ein wenig mehr Tadel, als Gottsched, wenn er Mal, Mahl und Maal, gar und gahr, die Haabe und ich habe, Heyde, Heide und Hayde u. s. f. unterschieden lehrete, da er sich doch nur an der Orthographie vergriff, die Aussprache aber ungeändert ließ. S. Wenn. [1383-1384]
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