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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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* Verfahen | | Der Verfall

Verfahren

, [1217-1218] verb. irreg. ( S. Fahren,) welches nach Maßgebung des einfachen fahren in verschiedener Bedeutung üblich ist. Es wird auf doppelte Art gebraucht. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, in Einer Bedeutung auch wohl mit haben. 1. Eine Sache auf eine gewisse Art behandeln, welche Art durch Nebenwörter oder Umschreibungen ausgedruckt wird. Strenge, grausam, unordentlich, rechtlich verfahren. Rechtlich in einer Sache verfahren. In dieser Sache bist du nicht als ein weiser Mann verfahren. Der persönliche Gegenstand bekommt das Vorwort mit; grausam, gelinde, gültig mit jemanden verfahren. Habe ich das an dir verdient, daß du so mit mir verfährest? Daher das Verfahren. Ein grausames, hartes, gelindes Verfahren. Das rechtliche Verfahren, die in den Gerichten übliche Art und Weise der Behandlung. Da verfahren in dieser Bedeutung mehr eigene Thätigkeit ausdruckt, als in den folgenden, so wird von einigen in derselben auch das Hülfswort haben gebraucht; indessen ist doch seyn am üblichsten. Ehedem gebrauchte man dafür häufig das einfache fahren, daher noch Luther übersetzt, fahret säuberlich mit dem Knaben Absalon. Ver scheint hier eine bloß intensive Bedeutung zu haben. In weiterm Verstande wurde es ehedem auch für handeln überhaupt gebraucht.
Gott rottet aus, zerstreuet und verkehrt, Wer gottlos ist und wider ihn verfährt, Opitz.
In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, indem man es daselbst nur gebraucht, wenn zugleich die Art und Weise des Handelns ausgedruckt wird. 2. * Vergehen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung.
Reiß mich ja nicht so von hinnen, Starker Gott, in meinen Jahren, Weil sie kaum sind halb verfahren, Opitz.
3. Sterben, eine Fortsetzung der vorigen Bedeutung, in welcher verfarn schon im Schwabenspiegel vorkommt.
Gelebt, als ein Tyrann, und alt doch beym Verfahren, Opitz.
Auch diese Bedeutung ist veraltet, außer daß man im Oberdeutschen, und aus dieser Mundart in den Kanzelleyen, noch mit der zweyten Endung des Wortes Tod die Redensart Todes verfahren für sterben, mit Tode abgehen gebraucht. II. Als ein Activum. 1. Waaren verfahren, sie auf der Achse an einen andern Ort fahren oder führen; wofür doch verführen üblicher ist. (Siehe Ver 1.) 2. Ausfahren, durch Fahren aushöhlen; nur in einigen Fällen des gemeinen Lebens. Wege, die verfahren, soll man höhen, in der Jülich. Polizey-Ordn. Hierher scheint auch der bergmännische Gebrauch zu gehören, wo ein verfahrnes Feld, ein solches ist, wo das Erz schon ausgehauen ist. 3. Vorbey fahren. (1) Im Bergbaue wird ein Gang verfahren, wenn man neben dem Gange hin arbeitet, den Gang aber stehen lässet. (2) In engerer Bedeutung verfähret man den Zoll, wenn man bey einer Zollstätte vorbey, oder um dieselbe herum fähret, ohne den gebührenden Zoll zu entrichten. Im Schwabenspiegel verfüren, ingleichen hinfüren. 4. Irre fahren, ohne Vorsatz falsch fahren, als ein Reciprocum, doch nur im gemeinen Leben. Sich verfahren. Dahin scheint auch der Gebrauch der Buchdrucker zu gehören, welche sich verfahren, wenn sie die Form aus einem Versehen nicht weit genug unter den Tiegel schieben. 5. Seine Schicht verfahren, im Bergbaue, seine Schicht durch Ein- und Ausfahren zur gehörigen Zeit, beobachten, die bestimmte Arbeit verrichten. 6. Aus einander fahren oder treiben, ein nur in der Jägerey üblicher Gebrauch, wo der Hirsch die Ameisenhaufen verfähret, wenn er sie mit seinem Gehörn und Läufen aus einander schlägt, welches daselbst auch wimbeln genannt wird. So auch das Verfahren in allen Bedeutungen beyder Formen, besonders in der ersten Bedeutung des Neutrius, die Art und Weise ein Ding zu behandeln. [1217-1218]
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