Der Vater
, [
1165-1166] des -s, plur. die Väter,
Diminut. das Väterchen, Oberd. Väterlein, ein Wesen männlichen Geschlechtes,
welches durch die Befruchtung eines weiblichen ein anderes Wesen seiner Art
zeuget, zum Unterschiede von der Mutter und im Gegensatze des Kindes, wo es so
wohl von Thieren, als auch, und zwar am häufigsten, von Menschen gebraucht
wird. 1. Eigentlich. (1) Absolute. Vater werden, ein anderes Wesen seiner Art
zeugen. Vater von vier Kindern seyn. Ein glücklicher Vater, welcher Freude an
seinen Kindern erlebet. (2) In näherer Beziehung auf das Kind oder auf die
Kinder. Nicht Vater von dem Kinde oder des Kindes seyn. Lebt sein Vater noch?
Ein Kind hat keinen Vater mehr, wenn derselbe gestorben ist. In einem andern
Verstande sagt man, ein Kind habe keinen Vater, wenn derselbe unbekannt ist.
Von der Gewohnheit der Kinder, ihren Vater mit diesem Worte anzureden. (
S. Papa.) In weiterer Bedeutung beziehet sich dieses
Wort auch auf die entfernten Nachkommen, so fern sie ihrem Wesen nach in
jemanden gegründet sind. Abraham war ein Vater vieler Völker, 1 Mos. 17, 4.
Daher der Stammvater, derjenige, von welchem ein Geschlecht, ein Volk seinen
Ursprung hat. Auch die Vorfahren männlichen Geschlechtes werden um deßwillen
Väter genannt, besonders in der edlern und höhern Schreibart. 2. Figürlich. (1)
Eine bejahrte Person männlichen Geschlechtes pflegt man im gemeinen Leben
häufig mit Vater, guter Vater, alter Vater anzureden, so wie man eine solche
hoch bejahrte Person in der vertraulichen Sprechart auch wohl ein altes
Väterchen zu nennen pflegt. (2) Eine Person männlichen Geschlechtes, welche die
Stelle eines Vaters bey einem andern vertritt, den Grund ihres Unterhaltens,
ihres Glückes enthält. So wird der Landesherr oder Regent der Landesvater, der
Vater des Volkes genannt, so wie auch Stadtobrigkeiten Väter der Stadt genannt
werden. In der Deutschen Bibel kommt es von der Obrigkeit mehrmahls vor. Diese
Benennung gründet sich theils auf die zärtliche, väterliche Vorsorge, welche
Obrigkeiten für ihre Untergebene zu tragen verbunden sind, theils auch auf die
ehemahlige Gewohnheit, nur bejahrte und erfahrne Personen zu Obrigkeiten zu
ernennen. Mit der Seelsorge versehene Geistliche werden daher auch geistliche
Väter genannt. (Siehe auch Beichtvater.) Ferner gehören hierher die
Zusammensetzungen Hausvater, Pflegevater, Schwiegervater, Stiefvater,
Waisenvater u. s. f. 3) Eine Person, ein Ding, eine Sache, welche den Grund des
Daseyns und der Fortdauer eines andern enthält, wenn diese Person oder Sache
männlichen Geschlechtes ist. So heißt Gott der Vater der Menschen, der Welt, so
fern er den Grund aller zufälligen Dinge und ihrer Erhaltung enthält. Von der
veralteten Stellung des Fürwortes in dem Vater Unser, (
S. Unser.) In einer andern Bedeutung, welche sich der
ersten eigentlichen nähert, heißt die erste Person in der Gottheit der Vater,
wegen ihres innern Verhältnisses gegen die beyden übrigen, besonders gegen die
zweyte oder den Sohn. Opitz heißt der Vater der Dichtkunst, Leibnitz der Vater
der Philosophie, weil beyde ihnen nicht so wohl die Entstehung, als vielmehr
ihre Wiederherstellung, Verbesserung zu danken haben. Der Teufel ist ein Vater
der Lügen, Joh. 8, 44. Anm. Schon in den ältesten Denkmählern unserer Sprache,
als dem Isidor, Kero u. s. f. Fater, im Nieders. Vader, und mit der dieser
Mundart gewöhnlichen Ausstoßung des d Vahr, im Dän. Fader, im Angels. Faeder,
im Engl. Father, im Schwed. Fader, im Pers. Pader, im Lat. Pater, im Griech.
hier nichtlateinischer Text, siehe Image. Es ist eine seltsame
Pedanterey, dieses Wort unmittelbar aus dem Lateinischen, so wie Mutter von
Mater, abzuleiten, gerade, als wenn die alten Deutschen die Urheber ihres
Daseyns erst von den Römern härten müssen nennen lernen. Diese Ableitung
erscheinet desto ungereimter, wenn man erwäget, daß dieses Wort schon in so
frühen Zeiten vorkommt, da die Deutsche Sprache durch die Lehrer der Religion
noch nicht mit so vielen Lateinischen Wörtern und Begriffen bereichert war, als
in den folgenden Zeiten geschehen. Vater ist eines der ältesten Stammwörter,
welches alle Europäischen und Nordasiatische Sprachen und Mundarten aus einer
ältern gemeinschaftlichen Sprache beybehalten haben. Die letzte Sylbe ist die
den Deutschen, Lateinern, Griechen u. s. f. gemeinschaftliche Ableitungssylbe
er, ein Subject zu bezeichnen, daher es nur noch auf die Stammsylbe Vat oder
Fad ankommt. Schon ältere Wortforscher haben diese Sylbe von einem alten
Zeitworte fodan, föden, abgeleitet, welches noch im Niedersächs. vorkommt, wo
es ernähren bedeutet, und das Stammwort von unserm futtern ist. Allein, es
bedeutet nicht allein ernähren, sondern auch zeugen, welche Bedeutung das
Schwedische föda, Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image
noch hat, so wie fode im Dän. gebären bedeutet. Diese Ableitung ist noch jetzt
die wahrscheinlichste, so daß Vater eigentlich einen Zeuger bedeutet, Genitor
von gignere. Da föden aber auch gebären bedeutete, so sind Fodrein bey dem
Ulphilas die Ältern überhaupt, daher Vater auch in Gevatter von beyden
Geschlechtern [
1167-1168] gebraucht wird. Das Zeitwort
hatte ehedem den niedrig schmutzigen Nebenbegriff nicht, welchen das Lat.
futuere, das Französ. fouter u. s. f. angenommen haben. Es erhellet daraus
zugleich daß Vater keines von denjenigen Wörtern ist, welche ihr Entstehen dem
ersten Stammeln der Kinder zu verdanken haben, wie Abba, Atta, Tatta, Papa,
Mamma, Amma, das Fries. Haita u. s. f. Siehe auch Vetter, Gevatter und Pathe.
Einige Provinzen sprechen das a kurz, Vatter, und man kann es ihnen nicht
wehren, wenn sie es auch so schreiben wollen; seltsam aber ist es, wenn einige
Sprachlehrer diese provinzielle Aussprache den Hochdeutschen aufbringen und
Vatter geschrieben wissen wollen, obgleich kein reiner Hochdeutscher so
spricht, Gevatter gründet sich freylich auf eine solche Aussprache, aber in
diesem Worte ist dieselbe auch im Hochdeutschen allgemein. Im Oberdeutschen
declinirt man dieses Wort im Singular mit einem n, des Vatern, dem Vatern,
welche Form aber im Hochdeutschen gleichfalls unbekannt ist.
[
1167-1168]