Das Stück
, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stückchen, Oberd.
Stücklein, ein in doppelter Hauptbedeutung übliches Wort. 1. Ein Theil eines
Ganzen, wo es eigentlich von einem engern Umfange der Bedeutung ist, als Theil,
und ein abgesondertes aus Einer Masse bestehendes Theil eines Ganzen bedeutet,
die Absonderung sey nun geschehen, auf welche Art sie wolle. Einen Körper in
Stücke schneiden, hauen, brechen, sägen, reißen u. s. f. In zwey, sechs Stücke
schneiden. Ein abgebrochenes, abgerissenes Stück. Ein Stück Brot, Fleisch,
Kuchen, Holz, Stein, Bindfaden, Gold u. s. f. Wo das Ganze oder die Art
zuweilen in der zweyten Endung stehet. Ein Stück Landes, ein Stück Feldes, für
ein Stück Land, oder ein Stück Feld. Welcher Genitiv aber das Ohr beleidigt,
wenn Stück schon im Genitiv stehet: der Anbau eines ungebauten Stückes Landes,
welchen Übellaut andere irrig dadurch zu vermeiden suchen, daß sie Stück
unverändert lassen, eines ungebauten Stück Landes; besser eines ungebauten
Stückes Land. So auch ein Stück Weges, wofür man auch nur ein Stück schlechthin
sagt. Er ging ein gut Stück Weges oder ein gut Stück mit. Gehen sie noch ein
Stückchen mit. Sie gingen noch ein gutes Stücke, (Stück,) Gell.
Er schalt, und lief ein gutes Stücke Dem bösem Schwarme zu
entfliehn, eben ders.
Wo es aber auch die folgende Bedeutung eines ausgedehnten
Dinges leidet, und mit Strecke und Strich gleichbedeutend ist. Im Tatian kommt
Stuk von einem Raume vor. Ingleichen ein Theil, woraus ein körperliches Ganzes
zusammen gesetzt ist. Eine Flöte von sechs Stücken. Ein Strumpfstuhl besteht
aus fast unzählig vielen Stücken. Das Kopfstück, Mundstück, Mittelstück u. s.
f. Das Gartenstück, Baumstück, Luststück, Rasenstück u. s. f. In weiterer
Bedeutung wird es auch, obgleich nur in einigen Fällen, von den Theilen eines
unkörperlichen Ganzen gebraucht. Ein Stück aus einer Rede, aus einer Schrift.
Die Stücke Esther, in der Deutschen Bibel, die Fragmente von ihrer Geschichte.
Etwas von Stück zu Stück erzählen, im gemeinen Leben. Die Fragestücke, Fragen
über einzelne Sätze, auch nur noch im gemeinen Leben und in den Rechten. Ehedem
sagte man auch die Glaubens-Stücke, für Glaubens-Artikel. Aus allen erhellet,
daß Stück in dieser Bedeutung eigentlich nur von körperlichen Theilen gebraucht
wird, es mag ein Ganzes darein zerleget werden, oder daraus zusammen gesetzet
seyn; wodurch es sich von Theil welches von einem größern Umfange ist,
hinlänglich unterscheidet. 2. Ein zusammen hangendes Ganzes; so wohl, (1)
Eigentlich, da es denn zunächst von einem körperlichen Ganzen, als eine und
eben dieselbe zusammenhange Masse betrachtet, gebraucht wird. Es ist aus Einem
Stücke. Eine Flöte, eine Säule aus Einem Stücke. In weiterer Bedeutung sagt man
auch wohl: in Einem Stücke fortarbeiten, ununterbrochen. Der Weg gehet in Einem
Stücke fort. Wofür man auch wohl Strecke und Strich gebraucht. (2) In engerer
Bedeutung, ein Individuum, entweder so fern es als ein Theil der ganzen Art
oder Gattung betrachtet wird, oder, welches noch wahrscheinlicher ist, so fern
es ein ausgedehntes Ding ausmacht. Die göttliche Vorsehung gehet nicht bloß auf
ganze Arten der Dinge, sondern auch auf einzelne Stücke einer jeden Art.
Besonders: (a) Von lebendigen Geschöpfen, wo es von Thieren aller Art am
üblichsten ist, am häufigsten von dem Viehe und Wildbret. Ein Stück Wild. Zehn
Stück Vieh. Hundert Stück Ochsen. Zwanzig Stück Schafe. Von andern Thieren
gebraucht man es nur, wenn die Art oder Gattung nicht bestimmt wird, sondern
bloß die Zahl der Individuen angegeben werden soll. Vier Stück, nähmlich Raupen
u. s. f. Es bleibt hier, wenn es mit einem Zahlworte verbunden wird, im Plural
gemeiniglich unverändert, wie so viele andere Wörter, welche eine Zahl, ein
Maß, ein Gewicht u. s. f. bedeuten. Sechs Stück, nicht Stücke. Von Menschen ist
es für Person in einigen gemeinen Mundarten so wohl Ober- als
Niederdeutschlandes gleichfalls gangbar. Es waren sechs Stück in der
Gesellschaft. Allein in der anständigen Hochdeutsch. Mundart ist es in dieser
Bedeutung unbekannt. Doch sagt man noch zuweilen ein Weibesstück, im
verächtlichen Verstande, für Weibesperson. Ingleichen, es ist ein häßliches
Stück von [
465-466] einem Weibe. Im Niedersächs. sagt
man im engern Verstande, ein Stück Diebes, ein Stück Schelmes, d. i. ein arger
Dieb, ein arger Schelm. (b) Von leblosen Dingen, wo es, 1. Im weitesten
Verstande von allen leblosen Körpern gebraucht werden kann, welche von
mittelmäßiger körperlicher Größe sind, wenn sie als bloße Individua bezeichnet
werden sollen; wo der Plural, wenn ein Zahlwort dabey ist, gleichfalls Stück
lautet. Sechs Stück Bücher. Zehn Stück, es sey nun Bücher, Ducaten, Bäume,
Steine, Pflanzen u. s. f. Aber von sehr großen Massen, z. B. Gebäuden, Städten,
Bergen, Himmelskörpern u. s. f. ist dieses Wort nicht üblich. 2. In engerer
Bedeutung, von einzelnen Arten lebloser Individuen. aa) Ein Grundstück, ist ein
unbeweglicher Theil des Vermögens. Die Ackerbeete werden in manchen Gegenden
Stücke genannt, in andern heißen sie Rücken; wo aber auch die Bedeutung eines
Theiles Statt findet. Ein Stück Wein, ist so viel als ein Stückfaß, (
S. dieses Wort.) Sieben Stück (nicht Stücke) Wein. bb)
Ein an einander hangendes Gespinnst oder Gewebe heißt ein Stück. Ein Stück
Zeug, oder ein Stück Zeuges. Besonders, wenn es von einer bestimmten Größe ist,
da es denn mit einem Zahlworte im Plural gleichfalls Stück für Stücke hat. Ein
Stück baumwollen oder wollen Garn hält in Sachsen 4 Strähn; oder 12 Zahlen oder
Zaspeln; ein Stück leinen Garn aber 6 Strähn, jede zu 2 Zaspeln. Ein Stück Tuch
hält gemeiniglich 22 bis 32 Ellen und wird an manchen Orten auch ein Tuch
genannt. In der Leinwand, dem Kattune, den seidnen Zeugen u. s. f. sind die
Stücke von verschiedener Länge. cc) Ein Werk der Kunst, heißt als ein Werk der
Kunst, oder als ein künstliches Individuum betrachtet, häufig ein Stück; Franz.
Piece. Ein schönes, ein vortreffliches Stück. Ein Kunststück, ein Meisterstück,
ein Stück Arbeit fertig machen. Besonders ein Werk der bildenden Künste. So
werden Gemählde, musikalische Compositionen, Gedichte, Schauspiele u. s. f.
sehr häufig Stücke genannt. Ein Bruststück, Kniestück, Nachtstück von
Gemählden. Ein musikalisches Stück, ein Discant-Stück, ein Singestück, von
musikalischen Compositionen. Voltärs Zaire ist ein vortreffliches Stück. dd)
Eine mit List verbundene Handlung, wofür auch Streich üblich ist; im Diminut.
das Stückchen. Das war ein vortreffliches Stück. Er hat mir ein böses Stückchen
gespielt. Böse Stücke vornehmen, 5 Mos. 19, 20. Sie gehen mit bösen Stücken um,
Jer. 5, 28. Gewinnst suchen durch böse Stücke, Weish. 15, 12. Ein Bubenstück,
Schelmstück, Fechterstück. Von einer jeden Handlung auch im guten Verstande ist
es im Hochdeutschen veraltet. ee) Ein Individuum von Geld- und Münzsorten;
Franz. Piece. Zehn Stück, entweder Pfennige oder Groschen, Gulden, Thaler. Ein
acht Groschen Stück, ein zwey Groschen Stück u. s. f. eine Münze, welche acht
oder zwey Groschen gilt. Ein Goldstück, eine goldene Münze; dagegen man nicht
sagt, Silberstück und Kupferstück. Ein Stück von Achten, eine Spanische
Münzsorte, (
S. Acht.) Ein Stück Geld oder Stück Geldes bedeutet auch
häufig eine unbestimmte Summe Geldes. Ein gut Stück Geld bey etwas verdienen.
ff) Ein Individuum des groben Geschützes, eine Kanone, wurde ehedem häufig ein
Stück genannt, in welcher Bedeutung es zwar noch nicht ganz veraltet ist, aber
doch für sich allein im gemeinen Leben häufiger gebraucht wird, als in der
edlern Schreibart, wo das ausländische Kanone üblicher geworden; die
Zusammensetzungen Feldstück, Kammerstück, Steinstück ausgenommen. Franz. Piece,
im Böhm. Delo, welches zu unserm Theil gehöret. Die Stücke laden, losbrennen.
Unter die Stücke kommen. Ehedem gebrauchte man dafür auch das Gestück. gg)
Endlich wird dieses Wort auch häufig für Sache, Umstand gebraucht. Sechs Stücke
hasset der Herr, Sprichw. 6, [
465-466] 16; für Dinge.
Noch häufiger für Umstand, Sache. Ich habe auch in diesem Stücke Dich
angesehen, 1 Mos. 19, 29. Halte dich in allen Stücken vernünftig, Sir. 31, 18.
In diesem Stücke muß ich ihn leben. In diesem Stücke bin ich mit dir nicht
Einer Meinung. Von freyen Stücken, aus eigener Bewegung, aus eigenem Antriebe,
wofür man ehedem auch sagte von freyen Dingen. Sie singen von freyen Stücken
davon an zu reden. Mit der Tugend werde ichs von freyen Stücken niemahls
verderben, Orgon beym Gell. Auch die im gemeinen Leben übliche R. A. große
Stücke auf etwas halten, viel auf etwas halten, scheinet zu dieser Bedeutung zu
gehören, für große Dinge. Anm. Bey dem Notker Stucchiu, bey dem Stryker Stuck,
in den gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes Stuck, im Angels.
Sticce, im Schwed. Stycke, im Pohln. Sztuka. Es ist wohl gewiß, ob es gleich
noch von niemanden bemerket worden, daß in den zwey Hauptbedeutungen dieses
Wortes zwey verschiedene Begriffe zum Grunde liegen. In der ersten herrscht der
Begriff der gewaltsamen körperlichen Theilung, und da kommt es von stucken oder
stücken her, so fern es ein Intensivum von stechen ist, welches im weitesten
Verstande mehrere Arten der körperlichen Theilung bezeichnet. In der zweyten
Bedeutung, ist der Begriff der Ausdehnung der herrschende, wovon der Begriff
eines einzelnen ausgedehnten Dinges, eines Individui eine Figur ist, und da
gehöret es zu Stock, in der Bedeutung einer Masse, dick, deihen, in gedeihen u.
s. f. Im Nieders. ist Stuke, so wohl ein Haufe, als auch das Stammende eines
Baumes, ein Stock. Wenn dieses Wort ein Individuum im weitesten Verstande
bedeutet, und ein Zahlwort bey sich hat, so lautet es im Plural nicht Stücke,
sondern Stück, wie so viele andere Wörter, welche eine Zahl, Maß, Gewicht u. s.
f. bedeuten. Der Plural die Stücken ist eben so provinziell als der
Oberdeutsche die Stücker. [
465-466]