Still
, [
377-378] -er, -este, oder auch Stille,
mit dem e euphonico, -r, -ste, adj. et adv. ein Wort, welches eine Abwesenheit
so wohl der Bewegung, als des Lautes, des Geräusches bezeichnet. 1. Eigentlich.
(1) In Absicht auf die Bewegung, keine Bewegung habend, wo es im schärfsten
Verstande nur als ein Nebenwort üblich ist, und zwar nur mit solchen
Zeitwörtern, welche ohnehin einen Stand der Ruhe bezeichnen. Stille stehen. Sie
Sonne stand stille, Jos. 10, 12. Stille sitzen, liegen halten. Mit einem Wagen,
mit dem Pferde stille halten. Einem stille halten, sich unter dessen Händen
nicht bewegen. Im Felde stille liegen, von Armeen, im Gegensatze des
Marschierens. Stille stehen, auch figürlich. Meine Betrachtung stand bey dem
Wesen still, welches wir die Seele nennen, verweilete bey demselben, um ihr
nachzudenken. Aber, hier stehet mein Verstand stille, ist so viel, das ist mir
unbegreiflich, unergründlich. Ingleichen einer großen, heftigen Bewegung
beraubt, wo es auch als ein Beywort gebraucht wird, aber doch nur in einigen
Fällen üblich ist. Das stille Meer, die Südsee, weil auf derselben unter
gewissen Breiten die Stürme nicht so häufig sind, als auf andern Meeren. Das
Meer ward still (stille), Jon. 1, 12. Stille Wasser sind tief, gründen tief,
oder haben tiefe Gründe, von der äußern Stille und Gelassenheit ist nicht alle
Mahl auf eben dieselbe innere Beschaffenheit zu schließen. Wie rein nahm da
mein Gemüth jeden frommen Eindruck auf, wie ein stiller See das Bild des reinen
Mondes! Hermes. Die stille Luft, welche von keinem Winde bewegt wird; bey
stillem Wetter. Es ist Windstille, es gehet kein Wind. (2) In Absicht des
Lautes, alles Lautes oder Tones beraubt. Stille schweigen, nicht reden, wo das
Mittelwort still schweigend auch als Ein Wort geschrieben wird, (
S. auch das Stillschweigen.) Stille seyn, keinen Laut
von sich hören lassen. Warum bist du nun so stille? Alles um mich her ist
stille. Wir wollen nicht reden, ich will so stille seyn als das Grab. Von etwas
stille schweigen, nichts davon sagen. Allein ich schwieg doch bald von ihren
Fehlern still, Gell. Zu etwas stille schweigen, nichts dazu sagen, ingleichen
es nicht tadeln, nicht ahnden. Stille! eine gewöhnliche Interjection, Stille
oder Stillschweigen zu gebiethen. Stille! er möchte es sonst hören. Ingleichen
als ein Beywort, alles Lautes, Geräusches von außen beraubt. Ein stilles
Gebeth, welches nicht durch hörbare Worte geschiehet. Gewiß ging dein
zitternder Fuß aus der Hütte hervor, im stillen Gebethe den Abend zu feyern,
Geßn. So auch eine stille Liebe, eine stille Freude, ein stiller Gram u. s. f.
Leidenschaften, welche sich nicht durch Worte und Geräusch äußern. Und der Sohn
sahe lange mit stiller Freude auf den frommen Vater herunter, Geßn. Wir fühlen
uns beruhigt, und mit einem stillen Beyfalle des Herzens belohnt, wenn wir
andrer Glück befördert haben, Gell. Such deine Lust in stillern Freuden, eben
ders. Ein stiller Gram war auf ihrem Gesichte verbreitet, Sonnenf. Ein stiller
Abend, eine stille Nacht, ein stiller Wald u. s. f. wo kein Laut kein Geräusch
gehöret wird. Ihr stillen Wälder! Bey stiller Nacht. Oft besucht die Muse
bemooste Hütten, um die der Landmann stille Schatten pflanzet, Geßn. Bey
stillem Abend hatte Myrtill noch den mondbeglänzten Sumpf besucht, eben ders.
Und warum floh der Held jetzt stillen Schatten zu Und wählte
für den Streit des Öhlbaums träge Ruh? Weiße.
Ferner, ohne starken Laut, ohne vieles Geräusch. Stille
gehen, sprechen, reden, singen, besser leise. Ein stilles Sausen, 1 Kön. 19,
12, ein sanftes. Die stille Messe, in der Römischen Kirche, oder die
Stillmesse, welche ohne Musik gelesen wird. Der stille Freytag, der
Charfreytag, die stille Woche, die Charwoche, weil man sich zu dieser Zeit
aller rauschenden Lustbarkeiten enthält, diese Zeit in abgeschiedener Stille
feyert. Zuweilen wird auch das Neutrum, doch nur mit dem Vorworte in, als ein
Hauptwort gebraucht; im Stillen, für in der Stille, ohne äußeres Geräusch. Er
härmte sich darüber im Stillen. 2. Figürlich, so wohl in Rücksicht der Bewegung
als des Lautes. (1) Ein stiller Mensch, ein eingezogener, sittsamer, gelassener
Mensch, der wenig Geräusch macht, auch von heftigen Leidenschaften frey zu seyn
scheinet. Ein stilles Gemüth. Ein stiller Ort, wo wenig Geräusch ist. Es ist
hier sehr stille, man höret hier wenig Geräusch. Ein stilles Leben führen, ein
eingezogenes; in der Stille leben. Ein Schäfer in seinem stillen Hirtenstande,
Gell. (2) Ruhig. Stille leben. Das stille Alter. Den stillen Sabbath der
Ewigkeit feyern. Ein stilles Volk, Richt. 18, 27. Die Stillen im Lande, Ps. 35,
20. (3) Es ist ganz stille davon, man höret nichts davon, es wird nichts davon
gesprochen. Vorher sprach man viel davon, aber jetzt wird es wieder stille.
Anm. Schon bey dem Kero und Ottfried still, im Nieder-Angels. und Engl.
gleichfalls still; im Schwed. stilla, im Nieders. als ein Nebenwort auch
stillken, im Angels. stillice. Es ahmet durch seinen Laut eigentlich eine leise
sanfte Bewegung nach, und ist der Form nach ein Intensivum, von einem
veralteten Stammworte, zu welchem auch unser stehlen zu gehören scheinet. In
einem hohe Grade stille druckt man im gemeinen Leben durch mausestill und
stockstill aus. Die härtern Mundarten schreiben und sprechen dieses Wort
gemeiniglich still; allein die sanftere Hochdeutsche kann hier das e euphonicum
nicht füglich entbehren. Für stille ist es im Oberdeutschen auch hosch, und im
Österreichischen tasig üblich, welches letztere augenscheinlich mit dem Lat
tacere verwandt ist. [
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