Steigen
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331-332] verb. irreg. ich steige, du
steigst, er steigt; Imperf. ich stieg; Mittelw. gestiegen; Imperat. steig, oder
steige. Es ist eigentlich ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert,
aber in einigen Fällen mit der vierten Endung auch als ein Activum gebraucht
wird. Es bedeutet, 1. Mit dem Stamm- und Grundbegriffe der Höhe. (1) Im
weitesten Verstande, auf Stufen gehen, es sey nun hinaufwärts oder hinabwärts,
und in noch weiterer Bedeutung, hinauf oder hinab schreiten oder gehen, so daß
die Richtung allemahl durch ein Vor- oder Nebenwort bezeichnet wird. Von dem
Berge herab steigen. Hinauf, herunter steigen. Aus dem Bette, in das Bett
steigen. Auf den Tisch, von dem Stuhle, in das Fenster steigen. Von dem Pferde
steigen. (
S. auch Absteigen.) Wo der Begriff der Höhe oft in der
bloßen Erhebung der Beine liegt, daher man auch im Scherze sagt, es komme
jemand angestiegen, wenn er mit aufgehobenen Beinen und weiten Schritten
feyerlich einher gehet, welches man im Nieders. stapeln nennet, von Stapel
Staffel. Hier wird es mit der vierten Endung der Fläche oft als ein Activum
gebraucht. Ich muß die Treppe des Tages zehnmahl steigen, so wohl hinauf, als
hinab. Ich kann keine Treppe mehr steigen. Mit den Hauptwörtern Treppe, Leiter,
Stiege ist es in dieser Form am üblichsten; seltener mit andern. Doch sagt man
auch, den Berg hinauf steigen. (2) In engerer Bedeutung, vermittelst der
Stufen, oder auch mit aufgehobenen Beinen aufwärts oder in die Höhe gehen, auf
einer senkrechten oder schiefen Fläche aufwärts gehen. (a) Eigentlich. Auf
einen Baum, auf einen Berg, auf das Dach, auf die Kanzel steigen. Wo es oft
auch gebraucht wird, wenn diese Erhebung durch einen bloßen Schritt, durch
Erhebung der Beine geschiehet. Auf den Stuhl, auf das Pferd, auf den Tritt, in
das Bett u. s. f. steigen. (b) Figürlich. aa) Sich in gerader oder schiefer
Richtung aufwärts bewegen, es geschehe, auf welche Art es wolle; oft im
Gegensatze des fallen. Die Fische steigen im Wasser, wenn sie sich nach der
Oberfläche zu bewegen. Der Falke steigt in der Luft, wenn er sich in die Höhe
schwingt. Die Rackete steigt. Das Wasser steigt, wenn es an Masse, und folglich
auch an Höhe zunimmt. Das Barometer ist um zwey Grade gestiegen. Der Wein stieg
mir in den Kopf, das Blut in das Gesicht. In das Steigen kommen, anfangen zu
steigen.
Die Lerche steigt, und schwirrt von Lust erregt. Haged. Ha,
welch ein lauter Päan steigt von seinen Siegen In mein entzücktes Ohr! Raml.
Das Steigen und Fallen der Töne, der Stimme, der Noten, in
der Musik. bb) Sich in die Höhe erstrecken. Das Steigende, im Bergbaue, die
Erhöhung der Gebirge, Stollen und Strecken; im Gegensatze des Fallenden.
Besonders in der höhern Schreibart. Palläste von Marmor steigen dort hoch an
die Wolken, Geßn. cc) In Rang und Würde in der bürgerlichen Gesellschaft
zunehmen. Er ist in kurzer Zeit sehr hoch gestiegen. Über andere hinweg
steigen.
Seyd tapfer, mancher ist gestiegen, Weil er entschlossen in
Gefahr und durstig nach der Ehre war, Gell.
dd) Zunehmen, so wohl an Zahl und Menge, obgleich seltener.
Eine steigende Progression, in der Geometrie, wo die folgenden Glieder immer
größer werden; im Gegensatze einer fallenden. Wo es besonders von dem Preise
üblich ist; Der Preis steigt, ist gestiegen. Die Waare ist im Preise gestiegen,
oder auch nur absolute ist gestiegen. Das Korn steigt täglich. Als auch, und
zwar am häufigsten, an innerer Stärke. Die Leidenschaft steigt. Die steigende
Wuth, Bewunderung, Liebe u. s. f. Sein Glück steigt. 2. Ehedem war steigen auch
für gehen überhaupt sehr gangbar, wo der Begriff der Bewegung in die Länge der
herrschende ist, so daß Steg, Stecken, Staken u. a. m. mit zu der
Verwandtschaft gehören; bey dem Ulphilas steigan, stiguan, im Angels stigan, im
Schwed. stiga, im Lettischen staigath, im Griech. hier nichtlateinischer
Text, siehe Image, alle für gehen. Siehe auch Stechen, in der Bedeutung
der schnellen Veränderung des Ortes. Im Deutschen ist es, außer im Scherze, wo
es sich allemahl auf die feyerliche Erhebung der Füße zu beziehen scheinet, in
dieser Bedeutung unbekannt. Nur die Jäger gebrauchen es noch von dem Bären,
Bieber, und der Otter für gehen. So auch das Steigen. Anm. In der ersten
Hauptbedeutung mit dem Begriff der Höhe bey dem Kero und Ottfried stigan, im
Nieders. stiegen, im Engl. ehedem stey, stig, stie. Der Steig, so fern es
ehedem einen Hügel bedeutete, die Steige oder Stiege, eine Zahl von zwanzig,
das Oberdeutsche stickel, steil, u. a. m. sind genau damit verwandt. Der
Begriff der Ausdehnung in die Höhe und der Erstreckung in die Länge sind in den
meisten ähnlichen Wörtern beysammen, weil sie sich auf eine und eben dieselbe
Onomatopöie gründen. [
333-334]