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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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1. Die Seele | | Die Seelenangst

2. Die Seele

, [11-12] plur. die -n, Diminutiv welches doch nur im vertraulichen Scherze üblich ist, das Seelchen, ein sehr altes Wort, welches in verschiedenen Bedeutungen üblich ist. 1. Das Leben, und die Lebenskraft, eines lebendigen Dinges; eine der ersten und ältesten Bedeutungen. Merke, daß du das Blut nicht essest, denn das Blut ist die Seele, darum sollt du die Seele nicht mit dem Fleische essen, 5 Mos. 12, 23. Du sollt dem Armen seinen Lohn nicht vorenthalten - denn er erhält seine Seele damit, Kap. 24, 14. s. Kommt ihr aber ein Schade daraus, so soll er lassen Seele um Seele, 2 Mos. 21, 23. Und so in vielen andern Stellen mehr. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, außer daß einige Redensarten der folgenden Bedeutung auch durch diese erkläret werden können; z. B. die Seele ist ihm ausgefahren. Beseelen und Entseelen leiden gleichfalls diese Erklärung. 2. Das Vermögen, die Kraft, zu empfinden und zu begehren. Die Seelen der Thiere. Besonders dieses Vermögen in dem Menschen, als ein mit Herz gleichbedeutendes Wort, da es denn eigentlich dem Geiste entgegen stehet. Der Mensch hat eine vernünftige Seele. Man sagt, jemand habe keine Seele, wenn sich dieses Vermögen nur schwach bey ihm äußert. Gottes Wort scheidet Seele und Geist, Ebr. 4, 12. Meine Seele ist betrübt, ist sehr erschrocken, freuet sich, u. s. f. in der Deutschen Bibel. Eine edle, eine schlechte, niederträchtige Seele haben. Das gehet mir durch die Seele, schmerzt mich in der Seele. Ich schäme mich in der Seele. Es thut ihr in die Seele weh. Ach, das Geld liegt mir nicht an die (der) Seele, Gell. Wie edel gesinnt ist ihre Seele! eben ders. Die Mine, mit der sie diese Nachricht aufnehmen wird, soll mir ganze Seele aufklären. In der tiefsten Betrübniß meiner Seele. Welches Lob ist größer, blühende Wangen, oder eine schöne Seele? Dusch. 3. Das Wesen, welches in uns denkt, Verstand und Willen hat, ein mit einem organischen Körper verbundener Geist. (1) Eigentlich, so wohl in Verbindung mit seinem Körper. Die Stele des Menschen, die menschliche Seele. Die Seele ist ein Wesen, welches Verstand und Willen hat. Daher die im gemeinen Leben üblichen R. A. einem etwas auf seine Seele anbefehlen anvertrauen u. s. f. auf das dringendste. Bey meiner Seele, eine in der niedrigen Sprechart üblich Art zu schwören. In jemandes Seele schwören, in seinem Nahmen, so daß seine Seele den Eid zu verantworten hat, und dann auch in weiterer Bedeutung: in jemandes Seele roth werden, an seiner Statt, in seinem Nahmen. Als auch vor der Vereinigung mit ihrem künftigen organischen Körper, und nach der Trennung von demselben. Die Seelen der Verstorbenen, der Gerechten, der Verdammten. (2) Figürlich. (a) Ein mit einer vernünftigen Seele begabtes Geschöpf, zunächst ein Mensch, in Ansehung seines Empfindungs- und Begebungsvermögens. Er ist eine gute, eine feige, eine niederträchtige Seele. Deine Reitze werden auch die wildesten Seelen bändigen. Eine feile Seele. Lasterhafte Seelen, die das größte, was die Menschheit besitzt, verunedlen. Eine volle Seele zertritt wohl Honigseim, aber einer hungrigen Seele ist alles Bittere süße, Sprichw. 27, 7. Aber auch in weiterer Bedeutung, für Mensch, Person, im weitesten Verstande. Abram zog mit allen Seelen, die er gezeuget hatte, in Haran, 1 Mos. 12, 5. Eine Stadt enthält zehntausend Seelen, wenn sie so viele lebendige Einwohner hat. Daher das Seelenregister, das Verzeichniß aller an einem Orte zugleich lebender Personen. Es ist keine lebendige Seele da, wo es auch wohl in noch weiterer Bedeutung ein jedes lebendiges Geschöpf bedeutet. Sie spricht von keiner lebendigen Seele Gutes. Sage es keiner Seele. Mit Vorsatz er noch keiner Seele gedienet. Indessen lässet sich das Wort Seele in dieser weitern Bedeutung nur in einigen Fällen für Mensch oder Person gebrauchen, welche allem Ansehen nach nur diese zwey sind, wenn man von den zugleich lebenden menschlichen Einwohnern eines Ortes redet, und dann wenn man nach einer gewöhnlichen Figur statt Mensch ein beseeltes oder lebendiges Geschöpft setzt. In der engern Bedeutung eines Menschen in Ansehung seines Empfindungs- und Begehrungsvermögens ist es allgemeiner. (b) Dasjenige, was einem Dinge Leben, regelmäßige Bewegung und Wirksamkeit ertheilet. Man sagt, jemand sey die Seele der Geschäfte, wenn ihre Behandlung vornehmlich von ihm abhängt. Die Liebe ist die Seele alle christlichen Tugenden. Die Demuth ist die Seele aller Tugenden, Gell. Die Seele der Ehe ist die Gleichheit der Gemüther, eben ders. In einer mehr eigentlichen Bedeutung verstanden die ältern Philosophen unter der Seele der Welt oder der Weltseele ein geistiges Vermögen der Materie, ihre Veränderungen selbst hervor zu bringen, welches sie auch die Natur nannten. (c) In noch weiterm Verstande, der vornehmste, wesentlichste Theil, die nothwendigste Eigenschaft einer Sache. Die Billigkeit ist die Seele der Gesetze. Eine bündige Kürze ist die Seele der Anakreontischen Ode. Die Mannigfaltigkeit ist die Seele eines Gedichts. Anm. Im Isidor Seulo, im Kero, Ottfried und Willeram Sela, in den gröbern Oberdeutsch. Mundarten Siel, bey dem Ulphilas Saivala, im Angels. Savel, Savul, im Engl. Soul, im Schwed. Själ, im Isländ. Soal. Junius sahe es als ein aus hier nichtlateinischer Text, siehe Image, leben, und dem Isl. Wala, Quelle zusammen gesetztes Wort an, allein er hätte das letztere immer weglassen können. Frisch leitet es sehr gesucht von dem alten salen, übergeben, her, weil die Seele von Gott eingegeben sey. Da alle Nahmen des Geistes und der Seele fast in allen Sprachen Figuren des Athems, des Hauches, des Windes sind; z. B. anima von hier nichtlateinischer Text, siehe Image, so kann man auch bey diesem Worte schon zum voraus etwas ähnliches vermuthen. In der That ist auch Leben und Lebenskraft eine der ersten Bedeutungen, so wie die Latein. anima, Seele, und animal, ein Thier, lebendiges Geschöpf, Wörter Eines Geschlechtes sind; den Ausdruck des Lebens aber ist wiederum eine Figur, theils des Athems, theils auch der Bewegung überhaupt, da man denn am Ende auf zwey Onomatopöien kommt. ( S. Sahl,) wo schon gezeiget worden, daß dieses Wort ursprünglich eine Onomatopöie ist, und hernach figürlich, so wohl Bewegung überhaupt, als auch Zahl, Menge, Gesellschaft u. s. f. bedeutet. Verwandt sind damit freylich so wohl das Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image, leben, als auch das Böhm. Syla, Kraft, das Hebr. hier nichtlateinischer Text, siehe Image, begehren, unser selbst und andere mehr. Es ist eine alte und gewöhnliche Form, den Fämininis auf e in der zweyten und dritten Endung des Singulars noch ein n anzuhängen, welche Form auch im Hochdeutschen nicht ganz fremd ist, ob sie gleich nicht die richtige ist. Die nach meiner Seelen stehen, Ps. 17, 9. Angst der Seelen, Röm. 2, 9.
Jede Freude, meiner Seelen Friede, Ist dahin, Wiel.
In welchem letztern Falle doch der Wohlklang diese Form entschuldigt, weil meiner Seele Friede einen Überklang hat, der sich in deiner Seele Beßtes nicht findet. Einige Zusammensetzungen haben diese Form gleichfalls behalten, wie Seelenangst, Seelenlehre u. s. f. dagegen in andern nur Seel - üblich ist. [13-14]
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