Schneiden
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1597-1598] verb. irreg. Imperf. ich
schnitt; Mittelw. geschnitten; Imper. schneide. Es kommt in doppelter Gestalt
vor. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1. Eigentlich, andere Dinge
mit der Schärfe durchdringen, wo es von allen mit einer eigentlich Schärfe
versehenen Werkzeugen und Körpern gebraucht wird, und oft so viel als scharf
seyn bedeutet. Schneidende Werkzeuge, welche eine Schneide haben, zum
Unterschiede von stechenden. Das Messer, die Schere, die Art, die Sense, die
Säge schneidet nicht, will nicht schneiden, schneidet vortrefflich. 2.
Figürlich. 1) Einen empfindlichen Schmerz verursachen, welcher dem Schmerze
gleicht, welchen schneidende Werkzeuge verursachen. Ein schneidender Wind, eine
schneidende Kälte. Der Wind schneidet, schneidet in das Gesicht. Ein
Schneidender Schmerz. Es schneidet mir im Leibe. Das Schneiden im Leibe haben.
Das schneidende Wasser, Stranguria, in den niedrigen Sprecharten die kalte
Pisse. Nach einer noch weitern Figur sagt man auch, das schneidet mir ins Herz,
in die Seele, verursacht mir einen plötzlichen durchdringenden Schmerz. 2) Das
schneidet in den Beutel, in der niedrigen Sprechart, verursacht beträchtlichen
Aufwand, empfindliche Verminderung des Geldvorrathes. 3) Schneidende Farben,
schneidende Umrisse, in der Mahlerey, welche mit der nächsten Farbe nicht
gehörig verschmolzen, sondern gleichsam abgeschnitten sind; Couleurs
tranchantes, Contours coupes. II. Als ein Activum, mit einem solchen
schneidenden Werkzeuge verletzen oder theilen, wo es doch eigentlich nur
alsdann gebraucht wird, wenn es vermittelst eines Zuges oder einfachen Druckes
geschiehet; zum Unterschiede von dem Hauen, Hacken, u. s. f. 1. Eigentlich,
vermittelst eines solchen Werkzeuges, oder der schneidenden Schärfe eines
Dinges, verletzen oder verwunden. Sich schneiden, einen Theil seines Leibes an
einer schneidenden Schärfe, oder einem schneidenden Werkzeuge verwunden. Sich
in den Finger, in die Hand, in den Fuß schneiden. Sich mit dem Messer, mit der
Schere schneiden. Ingleichen vermittelst eines schneidenden Werkzeuges mit
Ziehen oder Drücken theilen. Etwas klein schneiden, in kleine Stücke schneiden.
Mit dem Messer, mit der Schere schneiden. Brot, Fleisch schneiden. Wo es oft
für abschneiden stehet; ein Stück Brot schneiden. Das Getreide schneiden, es
mit der Sichel abschneiden, zum Unterschiede von dem Mähen oder Hauen, welches
mit der Sense geschiehet, daher schneiden da, wo man sich der Sichel bedienet,
absolute auch für ernten gebraucht wird. Stroh schneiden, es klein schneiden,
zerschneiden. Ingleichen, durch Schneiden hervor bringen. Breter schneiden,
sägen; wie denn schneiden fast in allen Fällen für sägen gebraucht werden kann,
weil dieses auch mit einem drückenden Ziehen verbunden ist. Eine Feder schnei-
den. Riemen, Pfeifen, Leisten, Formen, Häckerling schneiden, durch Schneiden
hervorbringen. Ferner durch Schneiden bearbeiten. Einen Bruch schneiden, ihn
vermittelst des Schnittes heilen. Den Stein, den Wurm schneiden, ihn
ausschneiden. Den Wein schneiden, beschneiden. Ein Thier schneiden, ihm die
Zeugungstheile durch den Schnitt nehmen, (
S. Castriren.) Die Bienen schneiden, ihnen die
Honigscheiben ausschneiden, ohne sie zu tödten; sie zeideln. Von den mit Graben
oder Stechen verbundenen künstlichen Bearbeitungen des Holzes, des Stahles und
der Steine ist gleichfalls schneiden üblich, ob es gleich eigentlich eine Art
des Stechens oder Grabens ist. In Holz, in Stein, in Stahl schneiden. Daher der
Stämpelschneider, Formenschneider, Stahlschneider. Auch wird es zuweilen für
schleifen gebraucht, von dem Glase oder glasartigen Steinen. Geschnittene
Steine, welche durch Schleifen eine gewisse Figur erhalten haben. Geschnittenes
Glas. 2. Figürlich. 1) Geld schneiden, einen unerlaubten Gewinn an Gelde
machen. Viel bey einer Sache schneiden, sich bey einer Sache einen
beträchtlichen unerlaubten Gewinn machen; wofür man auch sagt, seinen Schnitt
bey einer Sache machen. Vielleicht ist die Figur von dem Schneiden in der Ernte
entlehnet. 2) Mienen schneiden, Gesichter schneiden, ungewöhnliche Mienen und
Geberden machen oder ziehen, wegen der ähnlichen Bewegung.
Nun wohl, fährt Paris fort, und schneidt ein Amtsgesicht,
Wiel.
Auf eben die Art sagt man auch, Capriolen schneiden, aber
nicht Sprünge schneiden. 3) Einen Ball schneiden, im Billard-Spiele, ihn mit
seinem Balle auf der Seite berühren, damit er nach einer schiefen Linie laufe.
So auch das Schneiden. Anm. Schon bey dem Ulphilas snejan und sneijthan,
welches letztere bey ihm schlachten bedeutet, bey dem Ottfried sniden, im
Nieders. sniden, Angels. snida im Schwed. snida. Es ist ohne Zweifel eine
Nachahmung des Lautes des mit dem Schneiden verbundenen Ziehens bey manchen
Körpern, daher es denn nicht bloß von dem Messer und der Schere, sondern auch
von der Säge und gewissen Arten des Schleifens und Grabens gebraucht wird. Bey
den Jägern wird dieses Zeitwort mit dem Weidemesser bestraft, indem sie dafür
schärfen gebrauchen. Schneiden, schnitzen, schnitzeln, und im Nieders.
schnippeln, sind abgeleitete Formen.
S. dieselben, ingleichen Schnitt.
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1597-1598]