Schämen
, [
1347-1348] verb. reg. act. welches doch
nur als ein Reciprocum gebraucht wird, sich schämen. 1) Eigentlich, Scham
empfinden; im eigentlichen Verstande so wohl über die von andern entdeckte
Blöße des Leibes erröthen, und in weiterer Bedeutung, Unlust über die von
andern entdeckte Unanständigkeit und Unvollkommenheit an uns empfinden. Adam
und Eva waren beyde nacket, und schämeten sich nicht, 1 Mos. 2, 25. Ich schäme
mich es zu sagen. Sich vor jemanden schämen, Unlust empfinden, daß er unsere
Unanständigkeiten entdecket habe, oder entdecken werde. Sich vor sich selbst
schämen. Pfui, schäme dich in dein Herz! im gemeinen Leben. In weiterer
Bedeutung wird es auch zuweilen für scheuen, Scheu empfinden, gebraucht. Schäme
dich nicht, das Recht zu bekennen, Sir. 4, 24. Besonders, wenn man wegen übler
Erziehung bey rechtmäßigen oder unschuldigen Dingen Scheu empfindet. Wenn die
Sache, wegen welcher man sich schämet, durch ein Hauptwort ausgedruckt wird, so
steht dasselbe auch wohl in der zweyten Endung. Sich eines Wortes schämen, sich
schämen, dasselbe zu sagen oder auszusprechen. Es ist eine elende Scham, wenn
man sich einer höhern Hülfe schämet, Gell. Indessen ist diese Verbindung bey
der folgenden Bedeutung gewöhnlicher, als bey dieser. 2) In weiterer Bedeutung,
vielleicht von Scham, so fern es ehedem auch Schande bedeutet, sich für
unanständig, für Schande halten. Schäme dich nicht, deinen Freund zu schützen,
Sir. 22, 30. Er schämet sich nicht, sie Brüder zu heißen, Ebr. 2, 11. Die
Sache, welche man seiner unanständig hält, stehet, wenn sie ein Haupt- oder
Fürwort ist, in der zweyten Person. Ich schäme mich des Evangelii von Christo
nicht, Röm. 1, 16. Gott schämet sich ihrer nicht, Ebr. 14, 16. Ich muß mich
deiner schämen. Ich schäme mich meiner Zärtlichkeit nicht einen Augenblick. Du
hast ein Herz, dessen sich die Tugend selbst nicht schämen dürfte, Gell.
Ich schäme mich der süßen Schwachheit nicht, ebend.
Daher das Schämen. Anm. Schon im Isidor, bey dem Ottfried und
Willeram schamen, in den gemeinen Sprecharten noch jetzt schamen, im Angels.
sceaman, bey dem Ulphilas skama, im Schwed. skämmas. Frisch hatte den
sonderbaren Einfall, es von dem Ital. scemare, nehmen, abstammen zu lassen,
weil Adam und Eva sich nicht eher zu schämen anfingen, als bis ihnen das
göttliche Ebenbild genommen war. Scham und schämen sind Veränderungen, welche
nicht in das Gehör fallen, und daher nothwendig Figuren einer sich unmittelbar
auf das Gehör beziehenden Bedeutung seyn müssen. Schämen oder schamen ist von
samen, (
S. Sam, Sammeln und Saum,) nur in dem stärkern
Zischlaute unterschieden, und es sind noch Spuren genug vorhanden, daß es
ehedem mehrere Arten einer mit einem gewissen Geräusche verbundenen Bewegung
bedeutet habe. Dahin gehöret theils unser schimpfen, welches Intensivum davon
ist, theils das Isländ. skima, hin und wieder laufen, Schwed. skimpa, Nieders.
schummeln, theils unser schäumen, Hebr. -
hier nichtlateinischer Text,
siehe Image - , welches so wohl schäumen, als zürnen bedeutet, theils das
veraltete noch bey dem Kero befindliche skemman, abkürzen, stutzen, Schwed.
skämma, Keros Skemmi, die Kürze, das Schwed. skam, kurz, welche von unserm
alten hammeln nur in dem Zischlaute verschieden sind, anderer zu geschweigen.
Von der rauschenden Bewegung ist der Begriff der schnellen Bewegung eine sehr
gewöhnliche Figur, und von diesem wieder der Begriff des Lichtes, des Scheines,
der hellen lebhaften Farbe. Daher das Schemen, ein Bild, der Schein, der
Schatten, das Engl. to seem, scheinen, unser Schimmel, ein weißes Ding,
Schimmer, blasser Schein u. s. f. Welche Bedeutung in unserm Scham und schämen
zum Grunde liege, läßt sich nur muthmaßen. In der Bedeutung der Schamtheile
scheinet es die Blöße zu seyn, welche wieder von dem Lichte abstammet. Eine
ähnliche Bedeutung scheinet in Scham, pudor, zum Grunde zu liegen, indem
dasselbe ursprünglich die mit dieser Empfindung verbundene Röthe des Gesichtes
bedeutet haben kann, daher auch im Latein. sich schämen durch erubesoere
ausgedruckt wird. Die hochrothe Farbe hat ihren Nahmen in mehrern Fällen von
dem Lichte entlehnet, wie Blut von blühen, welches mit Licht, bloß, Blitz u. s.
f. nahe verwandt ist. Eine Art rother Äpfel heißt im gemeinen Leben einiger
Gegenden wirklich Schämapfel, d. i. rother Apfel.
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1347-1348]