Schaffen
, [
1325-1326] verb. reg. et irreg. act. et
neutr. welches im letzten Falle das Hülfswort haben bekommt, und der Form nach
ein Intensivum von einem veralteten Zeitworte schafen ist, von dem noch das
irreguläre ich schuf herstammet, sich aber doch wie dieses auf eine Onomatopöie
gründet, welche vornehmlich von doppelter Art ist. 1. * Als eine Nachahmung und
ein Ausdruck der menschlichen Stimme, wo es nur noch in der Bedeutung des
Befehlens üblich ist, aber auch hier nur im Oberdeutschen bekannt ist, indem
den Hochdeutschen diese Bedeutung seltsam klinget. Was schaffen sie? was
befehlen sie? Thue, was ich dir schaffe. Er hat mir nichts zu schaffen. Haben
sie etwas geschafft? befohlen?
Der darf so hoch nicht traben, Der solchen Feinden dient, die
ihm zu schaffen haben, Opitz.
Es ist hier im Oberdeutschen von regelmäßiger Conjugation,
ehedem war es auch irregulär, und in manchen Gegenden ist es solches wohl noch.
Wenigstens heißt es in diesem Verstande im Theuerdanke ich schuff, für, ich
schaffete. Als eine Onomatopöie der menschlichen, besonders befehlenden Stimme,
fehlt es demselben nicht an Verwandten in andern Sprachen, und im Deutschen ist
ohne Zischlaut auch keifen von einer Art der Stimme üblich. Indessen läßt sich
diese Bedeutung auch als eine Figur einer der folgenden betrachten, besonders
der des Anordnens. Im Schwed. ist skipa, welches alle Bedeutungen mit unserm
schaffen gemein hat, deren aber noch mehrere besitzet, nicht nur befehlen,
sondern auch richten, Recht sprechen, so wie im Nieders. schippen, regieren,
und im Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - richten ist.
(
S. Schöppe.) Man erinnere sich, daß richten und dessen
altes Stammwort rechen eben auch so wohl von der Stimme, als von dem Laute
einer unarticulirten körperlichen Bewegung gebraucht wird. 2. Als eine
Nachahmung einer schnellen geschäftigen Bewegung. 1) Überhaupt, mit regulärer
Conjugation, wo es doch nur im gemeinen Leben und auch hier nur im Infinitiv
üblich ist. Den ganzen Tag zu schaffen haben, immer in geschäftiger Bewegung
seyn. Im gemeinen Leben hat man davon auch das neue Intensivum oder Iterativum
schäften, wovon Geschäft und geschäftig abstammen. Viel zu schäften haben,
immer in geschäftiger Bewegung seyn. 2) In engerer Bedeutung von verschiedenen
besondern Arten der pflichtmäßigen, mit Bewegung verbundenen Wirkungen; wo es
gleichfalls regulär abgewandelt wird, ehedem aber auch hier irregulär war, und
es in einigen Oberdeutschen Gegenden noch ist. (a) * Arbeiten; eine im
Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, welche aber in Schwaben, in der Pfalz u. s.
f. noch gangbar ist. An einem Baue schaffen. Bey einem Meister als Gesell
schaffen. Jemanden zu schaffen geben. (b) * Bilden; eine gleichfalls im
Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber sehr alt ist. Bey dem Ruodebert
im 9ten Jahrhunderte ist Scaffelosa Zimber ein ungebildeter Stoff, informis
materia. Ottfried und Notker gebrauchen scaffen gleichfalls in dieser Bedeutung
so wie in derselben auch das Intensivum schöpfen üblich war. Im Nieders. ist
schippen, im Angels. scipan, im Engl. to shape, und im Schwed. skipa,
gleichfalls formen, bilden, eine Gestalt geben. Unser schaffen in der letzten
engsten Bedeutung, Geschöpf, rechtschaffen, beschaffen, und die Ableitungssylbe
-schaft sind genau damit verwandt. Im Oberd. ist geschaffen wohl gebildet,
ungeschaffen, Nieders. wahnschaffen, übel gebildet. (c) * In Ordnung bringen
und erhalten, anordnen; ein mit der Bedeutung des Befehlens verwandter
Gebrauch, der aber im Hochdeutschen gleichfalls veraltet ist. Die Nieders.
schäffen und schippen haben indessen diese Bedeutung noch, so wie das Schwed.
skipa und skaffa. Im Nieders. ist schaffen auch die Speisen anrichten und
auftragen, und in der Pfalz heißt schaffen seinen letzten Willen bekannt
machen, und jemanden etwas verschaffen, es ihm vermachen. Siehe auch Schaffer
und Schaffner. (d) * Ausrichten, besorgen, ein aufgetragenes Geschäft zur
Wirklichkeit bringen; auch nur in den gemeinen Sprecharten Ober- und
Niederdeutschlandes. Daß die Wolken schaffen, alles was er ihnen gebeut, Hiob
37, 12. Im Schwed. auch hier skipa und skaffa. (e) * Die verlangte Wirkung
haben; eine den Hochdeutschen gleichfalls fremde Bedeutung. Pilatus sahe, daß
er nichts schaffte, Matth. 27, 24, nichts ausrichtete. Das schafft nichts, hat
keine Wirkung. Ungeschafft weggehen, unverrichteter Sachen. Im Schwed. skaffa
und skapa. (f) Machen, daß etwas gegenwärtig werde oder zur Wirklichkeit komme,
zur Wirklichkeit bringen, so wohl als die wirkende Ursache, als auch, und zwar
am häufigsten, als die Mittelsperson. Es ist hier zwar noch im Oberdeutschen
gangbar, aber nur in einigen Fällen. Jemanden Geld schaffen. Ihm Rath, Hülfe,
Beystand schaffen. Er weiß sich keinen Rath zu schaffen. Jemanden Ruhe, Friede
schaffen. Schaffe uns Brot. 1 Mos. 47, 15. Schaffe mir Kinder, Kap. 30, 1. Ich
will es dir für einen billigen Preis schaffen, machen, daß du es bekommest. Ich
habe es ihm geschafft, habe gemacht, daß er es bekommen hat. Das ist wohl noch
zu schaffen. Etwas herbey schaffen, machen, daß es gegenwärtig werde. Jemanden
fortschaffen, ihn aus dem Hause schaffen machen, daß er fortgehe, das Haus
räume; wo es zunächst zu schieben gehöret, und vielleicht gar das Intensivum
davon ist. So üblich es in diesen und andern Fällen ist, so ist es doch nicht
ohne Einschränkung. Jemanden Bestes schaffen, 2 Macc. 11, 19, sagt man im
Hochdeutschen eben so ungern, als, ich will dir viel Schmerzen schaffen, 1 Mos.
3, 16. Ich zweifle, daß man davon eine andere Ursache werde angeben können, als
den Gebrauch. Denn es erhellet aus allen Umständen, daß dieses Zeitwort im
Hochdeut- [
1327-1328] schen gewisser Maßen ein Defectivum
ist, zumahl da es in manchen Bedeutungen nur im Infinitiv allein gebraucht
wird. In engerer Bedeutung, durch Mühe erwerben, und zuweilen auch für laufen.
Sich Kleider schaffen, sie erwerben und kaufen. Er kann sich nichts schaffen.
Sich schöne Bücher schaffen. Sich ein Haus, einen Garten schaffen. (g) Im
weitesten Verstande, machen, thun, Veränderungen hervor bringen, wirken; doch
nur am häufigsten im Infinitiv allein. Was hast du hier zu schaffen? zu thun.
Ich habe da nichts zu schaffen. Bey mir hat er nichts zu schaffen. Mit jemanden
zu schaffen haben, zu thun, in Verbindung mit ihm stehen, Geschäfte mit ihm
haben. Ich habe nichts mit dir zu schaffen. In engerer Bedeutung, mit Mühe und
vieler Bewegung und Anstrengung verbundene Veränderungen vornehmen, wo es sich
der ersten Bedeutung des Arbeitens wieder nähert; auch nur im Infinitiv. Sich
viel zu schaffen machen, viel Geschäfte. Das wird mir viel zu schaffen machen,
viel Mühe. In den übrigen Modis ist es zwar im Oberdeutschen, aber nicht im
Hochdeutschen, üblich. Schaffe damit was du willt, Richt. 3, 4, d. i. thue,
mache. 3) Im engsten Verstande ist schaffen etwas hervor bringen, welches
vorher noch nicht da war; wo es doch nur im theologischen Verstande von Gott
gebraucht, und alsdann irregulär abgewandelt wird; Imperf. ich schuf, Conj. ich
schüfe; Mittelw. geschaffen; Imperat. schaffe. Es ist in dieser Bedeutung kein
anderes als das vorige Zeitwort, welches hier nur die auch in den vorigen
Bedeutungen im Oberdeutschen ehedem übliche irreguläre Form behalten hat. Man
gebrauchte vor diesem auch das Intensivum schöpfen in eben diesem Verstande,
bey dem Stryker schephen, im Nieders. scheppen, im Angels. sceppan, welches im
Hochdeutschen zwar veraltet ist, aber uns doch sein Schöpfung, Schöpfer und
Geschöpf zurück gelassen hat. (a) Eigentlich und im strengsten Verstande, ein
Ding seiner Substanz nach hervor bringen, etwas hervor bringen, was vorher ein
Nichts war; in welchem Verstande es denn freylich nur von Gott gesagt werden
kann. Gott hat die Welt geschaffen, so wohl, er hat die vorher nicht da
gewesenen einfachen Dinge hervor gebracht, als auch, er hat aus diesen
einfachen Dingen die Welt zusammen gesetzet. Schon bey dem Ulphilas skapan, im
Isidor skaffan, und im Imperf. giscuaf, bey dem Willeram scaffen, im Angels.
sceopan, im Schwed. und Isländ. skapa, im Nieders. schaffen und scheppen. (b)
Figürlich. (1) Im theologischen Verstande, und gleichfalls nur von Gott
gebraucht, zufällige Beschaffenheiten, einen Zustand und die dazu nöthigen
Veränderungen hervor bringen. Schaffe in mir Gott ein reines Herz. Es ist hier
nur in der biblischen Schreibart üblich, wo diese Bedeutung unmittelbar mit der
vorigen sechsten engern zusammen hängt. (2) Für hervor bringen überhaupt; doch
nur in der dichterischen Schreibart. Der epische Dichter sammelt alle
Heldentugenden und schafft daraus seinen Helden. Meine Brust klopft mir voll
Unmuth, daß mich die Natur nicht männlich schuf, Weiße.
Ernstlich ist sie bemühet, auf ihren verblichenen Wangen
Künstliche Rosen zu schaffen, Zach.
Daher das Schaffen, und in der dritten engsten Bedeutung die
Schöpfung von dem veralteten schöpfen für schaffen. Anm. Ehedem hatte dieses
Wort noch weit mehrere Bedeutungen, welche aber veraltet, und nur noch in den
verwandten Sprachen üblich sind. Ottfried gebraucht es für geben, einem Dinge
einen Nahmen schaffen; ingleichen, erhalten, bekommen, sie heili thar io
scuafun. Im Nieders. theilen sich schaffen und schippen, und im Schwed. scaffa,
skapa und skipa, in die [
1327-1328] Bedeutungen unsers
Zeitwortes, welche doch eigentlich nur verschiedene Mundarten sind. Das
mittelste bedeutet daselbst auch theilen, verändern, schicken, und mit einem
Zaune einschließen, welche letztere Bedeutung sich unserm Schaff, so fern es
einen hohlen Raum bezeichnet, nähert. Aus allen erhellet, daß dieses Zeitwort
ursprünglich der Ausdruck einer lebhaften Bewegung ist, und in seinen
Ableitungen und Verwandten durch alle die Bedeutungen und Figuren durch gehet,
welche allen Wörtern dieser Art gemein sind, und wobey bey Sahl und 1 Saum eine
kleine Probe gegeben worden. Zu der Bewegung in die Krümme, in die Tiefe,
gehören unser Schaff, Scheffel, Schiff, Schoppen, mit allen ihren Verwandten;
zu der Ausdehnung in die Länge aber unter andern auch Schaft,
S. auch Schöpfen und die Ableitungssylbe -Schaft.
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1327-1328]