Die Ruhe
, [
1199-1200] plur. die -n, von dem
Zeitworte ruhen. Es ist in einer doppelten Hauptbedeutung üblich. I. Als ein
Abstractum, und ohne Plural, der Zustand, da ein Ding ruhet. 1. In weiterer
Bedeutung, der Zustand, da ein Ding sich nicht beweget, seinen Ort nicht
verändert, die Abwesenheit der Bewegung. 1) Eigentlich. Ein Körper ist in Ruhe,
wenn er seinen Ort nicht verändert, wenn er sich nicht beweget. Laß den Stein
in seiner Ruhe, laß ihn liegen, wo und wie er liegt. Der Hahn steht in der
Ruhe, an einem Feuergewehre, wenn er nicht gespannt ist, folglich sich nicht
bestrebt, sich zu bewegen. 2) In weiterer Bedeutung wird die Ruhe oft nur
heftigen Bewegungen, und in figürlichem Verstande lebhaften und besonders
beschwerlichen Gemüthsbewegungen entgegen gesetzet. (a) Der Zustand, da ein
Ding keine heftigen oder andern beschwerlichen Bewegungen macht. Er hat keine
Ruhe, sagt man von einem Menschen, der immer in heftiger Bewegung des Leibes
ist. Gib Ruhe! im gemeinen Leben, lärme nicht so. Keine Ruhe vor jemanden
haben, wenn man immer in heftigen Bewegungen von ihm erhalten wird. Jemanden
keine Ruhe lassen. (b) Der Zustand, da man von beschwerlichen Geschäften
befreyet ist, die Entfernung von lästigen Geschäften. Die Ruhe lieben, suchen.
In Ruhe leben. Sich zur Ruhe setzen. Sich in Ruhe begeben. (c) Die Abwesenheit
alles Streites, Zankes und Krieges; wo es so viel als Friede ist, und oft mit
diesem Worte verbunden wird. In Ruhe und Friede leben. Das Seinige in Ruhe
besitzen. Die Ruhe einer Familie stören. Die öffentliche Ruhe stören, wieder
herstellen. Sich Ruhe schaffen. (d) Die Abwesenheit aller heftigen
Gemüthsbewegungen. Sein Gemüth zur Ruhe bringen. Das störet die Ruhe des
Geistes, des Gemüthes. Die Gemüthsruhe, Geistesruhe, Seelenruhe. Wenn ich
innere Ruhe genug hätte, um mein Herz den Vergnügen des Herzens zu öffnen,
Zimmerm. Deine Bestimmung fordert viel Eingezogenheit, viel Stille und Ruhe des
Geistes. (e) Die Abwesenheit des Geräusches, ingleichen aller beschwerlichen
und unangenehmen Empfindungen. Ich habe keine Ruhe vor ihm. Nicht einmahl mit
Ruhe essen können. Jemanden keine Ruhe lassen. Keine Ruhe vor jemanden haben.
Sie sollen recht haben, lassen sie mich nur in Ruhe, Gell. Lassen sie mich
damit in Ruhe. Die Ruhe des Gewissens, die Gewissensruhe.
Ich sann dem Zweifel nach, der meine Ruhe stört, Gell.
2. In engerer Bedeutung ist es der Stand der Ruhe nach einer
vorher gegangenen beschwerlichen Bewegung, besonders so fern sie zur
Wiederherstellung der Kräfte dienet. 1) Überhaupt. Jemanden keine Ruhe lassen.
Der Ruhe pflegen. Da man denn in der Landwirthschaft auch den Zustand, da man
einen Acker brach liegen läßt, die Ruhe desselben nennet. Jetzt kommt die Ruhe
des Winters, ihr Bäume, Geßn. 2) In engerer und figürlicher Bedeutung. (a) Der
Schlaf, besonders in der edlern Schreibart. Keine Ruhe haben, nicht schlafen
können. Sich zur Ruhe begeben oder legen. Mittagsruhe halten, nach dem Essen
schlafen. Jemanden die Ruhe mitnehmen, im gemeinen Leben, wo man glaubt, daß
ein Kind oder Kranker nicht werde schlafen können, wenn eine in das Zimmer
kommende fremde Person sich nicht setzt. (b) Der Stand des Todes und des
Grabes. Zur Ruhe kommen, in seine Ruhe eingehen, sterben. Jemanden zu seiner
Ruhe bringen, ihn feyerlich beerdigen. II. Als ein Concretum, der Ort, wo eine
Person oder Sache ruhet; wo es doch nur in einigen einzelnen Fällen üblich ist,
da denn zuweilen auch der Plural Statt findet. Dieß ist meine Ruhe ewiglich,
hier will ich wohnen. Ps. 132, 14. In der Mechanik wird auch das Ruhepunct, der
Ort, wo ein Hebel aufliegt, die Ruhe genannt. Bey den Jägern ist die Ruhe der
Ort in einem Gehölze, wo das Roth- oder Damwildbret gelegen hat; das Bett. In
den Gewehrschlössern werden der Arm der Nuß und dessen Einschnitte, worauf die
Schlagfeder und die Stange ruhen, so wohl die Ruhen, als auch die Rasten
genannt. Anm. Bey dem Willeram und Notker Ruowo, Rauuo, bey den Schwäbischen
Dichtern Ruowe, im Niedersächs. Rone, Rouwe, bey den ältern Engländern Row, bey
den Schweden Ro, im Finnländischen Rauha, im Isländ. mit einem andern Endlaute
Roth, wohin auch das Nieders. Reide, ein ruhiger Aufenthalt, und unser Friede
gehören.
S. Ruhen. [
1201-1202]