Rennen
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1085-1086] verb. irreg. Imperf. ich
rannte; Mittelw. gerannt; Imperat. renne. Es ist in doppelter Gestalt üblich.
1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn. 1) * Sich schnell bewegen,
besonders sich schnell um seine Achse bewegen; eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung, welche noch in einigen Zusammensetzungen übrig ist, (
S. Rennberg, Rennspindel u. s. f.) Die Welle an einem
Haspel wird um deßwillen noch an einigen Orten der Rennbaum genannt. (
S. die Anm.) 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung,
sich vermittelst der Füße sehr schnell fortbewegen, wo es von der äußersten
Geschwindigkeit der Menschen und Thiere gebraucht wird, und daher mehr sagt,
als laufen. Er rennt, als wenn ihm der Kopf brennte, im gemeinen Leben. Gerannt
kommen, so wie man auch sagt, gegangen, gelaufen, gesprungen, getanzet kommen.
Auf jemanden zurennen. Nach etwas rennen. Zum Hause hinaus rennen. Mit dem
Kopfe wider die Wand rennen. Ingleichen mit größter Geschwindigkeit reiten oder
fahren. Nach dem Ziele rennen, es geschehe nun zu Fuße, zu Pferde, oder auch zu
Wagen. Ein Reuter rennete (rannte) auf ihn zu, 2 Macc. 12, 35. Sie sind
gestaltet wie Rosse, und rennen wie Reuter, Joel. 2, 4. Aber mit dem Wagen, mit
dem Pferde rennen, wie es in der Deutschen Bibel mehrmahls heißt, kommt es im
Hochdeutschen wenig mehr vor. In der höhern Schreibart auch wohl in Gestalt
eines Activi mit der vierten Endung.
Wiehernd steigen die Pferde der Sonne mit dampfenden Nasen Aus
den Fluthen herauf, die feurige Laufbahn zu rennen, Zachar.
Ingleichen figürlich. Nach etwas rennen, sich mit vieler
Geschäftigkeit um etwas bewerben. In sein Verderben, in das Unglück rennen,
ohne Überlegung demselben entgegen eilen. 2. Als ein Activum. 1) In der vorigen
engern Bedeutung, mit thätigen Nebenbegriffen. Jemanden zu Boden rennen. 2) In
weiterer Bedeutung, schnell bewegend machen, von verschiedenen Arten der heftig
schnellen Bewegung. a) Jemanden den Degen durch den Leib, das Messer in den
Bauch rennen, für stoßen. Auch das ehemahlige Turnieren mit Lanzen wurde Rennen
genannt, entweder so fern man in demselben zu Pferde auf einander rannte, oder
auch von diesem rennen, stechen. b) Als das Activum von rinnen; doch nur noch
in einigen Fällen des gemeinen Lebens. Der Wein wird von den Weinfälschern
gerennet und geschmieret, mit Wasser vermischt, gewässert, wie es Frisch
erkläret. In dem Hüttenbaue wird das Eisen gerennet, d. i. geschmelzet, welches
auf dem Rennherde geschiehet; wenn es hier nicht vielmehr von rein abstammet
und für reinigen stehet. Siehe Renneisen. Daher das Rennen. Anm. In dem alten
Gedichte auf dem heil. Anno rennin, im Nieders. ronnen, rönnen, welches aber
auch rinnen bedeutet, im Schwed. ränna, im Angels. mit versetztem r aernan,
yrnan, wo aber doch Rin der Lauf, und Renner ein Läufer ist. Das verdoppelte n
zeiget schon, daß dieses Zeitwort ein Intensivum ist, dessen Stammwort renen
oder reinen noch nicht veraltet ist. Die Jäger sagen noch jetzt von dem Fuchse,
daß er reine, wenn er trabt, und bey dem Ottfried ist rinan kommen. Das Engl.
to run, laufen, hat dieses einfachere Wort auch noch, und in Baiern ist rundi
schnell. Es bedeutet ursprünglich eine schnelle Bewegung nach allen Richtungen,
und ist daher mit dem alten rainen, berühren, (
S. Rain,) reinen für scheuern, polieren, reinigen,
ringen, Ranke, rund u. s. f. genau verwandt. Da es hier wiederum auf eine
Onomatopöie ankommt, einerley Laut aber verschiedenen Dingen gemein seyn kann,
so gehöret auch Ottfrieds veraltetes rennan, erzählen, antworten, hierher, (
S. Raunen) so wie brennen und trennen vermittelst
verschiedener Vorlaute von diesem Worte gebildet worden. Rennen und rinnen sind
ursprünglich ein und eben dasselbe Wort, obgleich das letztere durch den
Gebrauch bloß auf flüssige Körper eingeschränket worden. (
S. das letztere.) Viele Hochdeutsche Schriftsteller, und
unter andern auch Luther, wandeln es regelmäßig ab, ich rennete, gerennet;
indessen ist die irreguläre Form im Hochdeutschen doch immer die gewöhnlichste.
Gut wäre es, wenn der Gebrauch es verstattete, das Activum allein regelmäßig zu
gebrauchen, da denn die irreguläre Form dem Neutro eigen bleiben könnte. In
Heynatzens Briefen über die Deutsche Sprache Th. 4, S. 248 heißt es, in Sachsen
spreche man das n in gerannt einfach, und dieses müsse den übrigen Deutschen
zur Regel dienen. Allein man spricht es wohl in Oberd.- als Niedersachsen
doppelt, so wie die Etymologie es erfordert; sprächen die Meißner, (welche der
Verfasser hier unter den Sachsen zu verstehen scheinet,) wie doch nicht
geschiehet, wirklich gerahnt, wie einige Schlesische Gegenden thun, so wäre das
ein Provinzial-Fehler, der nie zur Regel dienen könnte.
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1085-1086]