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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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Der Reisemarschall | | Die Reiserkohle

Reisen

, [1063-1064] verb. reg. dessen heutiger Gebrauch nur noch ein kleiner Überrest seines ehemahligen Umganges ist. Es kommt noch in doppelter Gestalt vor. 1. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn bekommt, den Ort verändern, sich fortbewegen; doch am häufigsten nur von Menschen, wenn sie sich nach einem entfernten, entlegenen Ort bewegen, wo es seiner Natur nach ein allgemeiner Ausdruck ist, welcher die Art und Weise unbestimmt läßt. Zu Pferde, zu Fuß, im Wagen, zu Schiffe, zu Lande, zu Wasser reisen. In die Fremde reisen. Nach Frankreich, nach Spanien, nach Italien reisen; ehedem in. Nach Berlin, nach Dresden, nach Paris reisen; ehedem gen. Durch einen Ort reisen. Über einen Orte reisen, seinen Weg durch denselben nehmen, auf der Reise durch denselben kommen. Über Straßburg nach Paris reisen. Über Land, über Feld reisen, von einem Orte zu dem nächsten andern. In seinen eigenen Angelegenheiten reisen. Ein Reisender, welcher auf Reisen ist, welcher reiset. Tag und Nacht reisen. Von Soldaten und Kriegsheeren ist dafür das ausländische marschiren und von großen Haufen anderer zugleich reisender Personen auch ziehen üblich. Ingleichen absolute. Ein junger Mensch muß reisen. Zuweilen gebraucht man dieses Wort auch von Thieren, wenn sie sich in einen entlegenen Ort begeben, und figürlich auch von Pflanzen. Gereisete Pflanzen, welche aus einem entlegenen Lande zu uns gekommen sind. Der Raum, welchen man durchreiset, wird in die vierte Endung gesetzt. Des Tages sechs Meilen reisen. Etliche Meilen reisen. Welches auch mit den Hauptwörtern Weg und Straße Statt findet. Diesen Weg bin ich noch nicht gereiset. Die Straße, welche wir reiseten. Einen andern Weg reisen. Wo auch die zweyte Endung gebraucht werden kann, nach dem Muster der Oberdeutschen. Ich bin dieses Weg schon öfter gereiset. Aber von andern leblosen Körpern, für sich fortbewegen, oder fortbeweget werden, ist es im Hochdeutschen jetzt veraltet; obgleich noch Opitz singt:
Man wird dich, Herr, mit Ehrfurcht preisen, Weil Sonn und Monde sind, Und durch den runden Himmel reisen, Opitz Ps. 72,
d. i. sich im Kreise bewegen. Außer im Scherze. Es reist mancher Groschen in den Würzladen für Maculatur, Weiße. In der Wahl des Hülfswortes sind die Deutschen nicht einig. Zwar wenn das Ziel oder ein anderer Umstand der Reise mit ausgedruckt ist, so wird ohne Ausnahme das Hülfswort seyn gebraucht. Er ist nach Frankreich gereiset, sie sind nach Paris gereiset, wir waren auf kurze Zeit über Land gereiset. Nur wenn es absolute stehet, gebrauchen viele haben. Ich habe oft gereiset, 2 Cor. 11, 16. Er hat viel gereiset, Heinz. Allein das Hülfswort seyn scheint auch hier richtiger und analogischer zu seyn, zumahl, da es hier noch weniger eigene Thätigkeit mit ausdruckt, als in dem vorigen Falle. Er ist viel und weit gereist. Crispus ist gereist, Logau. Ein gereister Mann, der weit gereiset ist. 2. Als ein Activum, da es denn auch die vierte Endung erfordert; doch nur in Gestalt eines Reciproci. Wir haben uns ganz müde gereiset. Daher das Reisen. Das Reisen ist nützlich. Anm. Im Niedersächsischen, wo es doch eben nicht häufig vorkommt, resen, im Schwed. resa. Im Persisch. ist Rhasa einer, der viel gereiset ist, und im Chaldäischen Resa, Stadium, (siehe Rast.) Da s und t in den Mundarten und Sprachen immer in einander übergehen, so sind reisen und reiten eigentlich ein und eben dasselbe Wort, obgleich das letztere jetzt eine sehr eingeschränkte Bedeutung hat. Hornegk gebraucht reiten noch für reisen, und ehedem war auch Reite für Reise üblich. ( S. Reisig und Reiten.) Es ist ursprünglich ein Wort, welches den Schall einer gewissen Bewegung nachahmet, und mit rasen, rauschen und andern dieser Art genau verwandt ist. Mit allerley Vorlauten stammen Kreis, kreisen, preisen u. a. m. davon ab. Besonders bedeutete es ehedem eine Bewegung nach allen Richtungen, und zwar 1) in die Höhe, wohin theils das alte Gothische reisan, aufstehen, das Schwedische resa, aufrichten, Angels. risan, arisan, Engl. to rise, arise, Ital. rizzare, Nieders. risen, unser Reis, Riese, Gras u. s. f. gehören. 2) In die Tiefe; daher ist bey dem Notker risan fallen, sinken, Angels. hrysan, bey dem Ulphilas driusan, Nieders. risen, und unser rieseln. ( S. Rüste.) 3) In die Runde, wohin mit vorgesetztem Gaumenlaute unser Kreis, kraus, und mit dem gleichlautenden d auch Rad gehöret. 4) In die Länge, in die Ferne, welche Bedeutung in unserm reisen noch übrig ist. Ottfried gebraucht reisan auch für bringen, daher es bey ihm im Passivo auch so viel als kommen ist; zit wart tho gereiset, da kam die Zeit. Das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , laufen, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , fließend, das Angels. Rith, ein Bach, Franz. Ruisseau, das Engl. to rush, stürzen, unser rasch, und hundert andere gehören gleichfalls dahin. Übrigens ist von diesem Zeitworte reißen das Intensivum, wie aus dem verdoppelten Mitlauter erhellet, rieseln aber das Diminutivum. Siehe auch Gerade, Gerathen, Rede, 1 Reiten, rechnen, u. s. f. [1063-1064]
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