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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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Reif | | 2. Der Reif

1. Der Reif

, [1045-1046] des -es, plur. die -e, Diminut. das Reifchen, Oberd. das Reiflein, ein Wort, welches zunächst eine Ausdehnung in die Länge ohne beträchtliche Breite und Dicke bezeichnet, aber nur noch in einigen Fällen üblich ist. 1. Ein Tau, ein Seil, ist im gemeinen Leben, besonders Nieder-Deutschlandes, häufig unter dem Nahmen eines Reifes bekannt. Besonders kommt es auf den Schiffen vor, wo es dasjenige Tau ist, welches in der Mitte einer Segelstange gegen den Raak befestiget ist, wodurch das Hauptgatt oben am Maste auf einer Rolle hinläuft. Unten ist es an dem Falle befestiget, und das Segel läuft an demselben herunter und wird auch daran aufgehisset. In weiterer Bedeutung heißt im Niedersächsischen ein jedes Seil, so bald es stärker als eine Schnur ist, ein Reif, daher ein Seiler daselbst auch ein Reeper genannt wird, ( S. Reifschläger.) Eben daselbst ist es auch ein Längenmaß, welches gemeiniglich so viel als eine Klafter ist; ein Reif Holz. In Goßlar ist es, dem Frisch zu Folge, ein Längenmaß von zehen Ellen. Es ist in dieser Bedeutung ein altes und weit ausgebreitetes Wort. Im Nieders. lautet es Reep und Reip, im Angels. Rap, bey dem Ulphilas Raips, im Dän. Reib, im Schwed. Ref und Rep, im Wallis. Rhaff, im Isländ. Reip, Reifar und Refe, im Engl. Rope, und sogar im Arab. Ruffon, und im Pers. Rifas, alle in der Bedeutung eines Seiles, einige auch eines Riemens und eines Fadens. Raff, ein Balken, Reff, Rübe, Ribbe, oder Rippe, Rebe, u. a. m. bedeuten ähnliche lange Körper von unbeträchtlicher Breite und Dicke. Revier scheint gleichfalls damit verwandt zu seyn, eine Ausdehnung in die Länge und Breite, eine Gegend, zu bezeichnen, so wie unser Streif und Streifen sich bloß durch den Vorlaut unterscheiden. Mit andern Endlauten gehören auch Riemen, Reis, Ruthe, Reihe und andere Wörter von verwandter Bedeutung hierher, welche am Ende alle auf den Stammbegriff der Bewegung zurück kommen, deren Laut reden u. s. f. nachahmen. S. Repphuhn und 2 Reif. 2. Ein erhabener Rand. 1) Überhaupt, eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. Bey den Schlössern wird der Rand an dem Barte eines Schlüssels, welcher mit dem Rohre parallel gehet, noch ein Reif genannt. Wenn der Hirsch mit dem hintern Fuße gerade in den vordern eintritt, so entstehet in der Fährte ein Rand, welchen die Jäger das Reifel nennen. Vermuthlich gehöret hierher auch der Gebrauch der Kürschner, da sie die Seite an einem Fuchsbalge den Reif nennen. Mit andern Endlauten gehören hierher das alte Braue und Brähme, der Rand, ( S. Augenbraune,) ja Rand und Ranft selbst, ingleichen das in einigen Gegenden übliche Ruf, die Rinde auf einer Wunde. ( S. Rand.) 2) In engerer Bedeutung wird der gefrorne Thau oder Nebel an den Gegenständen der Reif genannt, weil er die Gegenstände gleichsam mit einem Rande versiehet, oder sie mit einem Rufe mit einer Rinde, überziehet.
So life ich bluomen do rife nun liet, Walther von der Vogelweide.
Es fällt ein Reif. Wenn viele Reife fallen. Schon bey dem Notker Riffo, im Nieders. Riep, im Wallis. Rhew. Im Arab. ist Rafyson ein bereifter Baum. Mit andern Endlauten ist in einigen gemeinen Sprecharten Riem, im Angels. Hrim, im Engl. Rime, im Holländ. Rym, im Schwed. Rim, gleichfalls der Reif, im Lat. mit einem Präfixo Pruina, im Ital. Brina, welche beyden letztern die Verwandtschaft mit Braune, der Rand, ja mit Rand und Rinde selbst, bestätigen. S. Rauhreif, Reifen und Wasserreif. 3. Eine Vertiefung, welche sich in die Länge erstreckt; auch nur noch in einigen Fällen, besonders bey den Schlössern, wo die Reife solche Einstriche in den Bart eines Schlüssels sind, welche ihre Öffnung auf den Seiten haben. Im Holländ. ist Ruyffel und im Engl. Rivel eine Runzel, und im Nieders. riefeln Furchen ziehen. Das Lat. Rivus ist gleichfalls damit verwandt. Anm. Daß in allen diesen Bedeutungen der Begriff der Bewegung der herrschende ist, erhellet aus den ähnlichen Wörtern Rand, Rinde, Rinne, welche Eines Stammes sind und ähnliche Bedeutungen haben. Im Oberdeutschen hängt man diesem und dem folgenden Hauptworte gern noch ein en an; des Reifen, den Reifen, oder wohl gar in der ersten Endung, der Reifen, welche Form auch in der Deutschen Bibel vorkommt. Welche sich vor dem Reifen scheuen, Hiob 6, 16. Er streuet Reifen, wie Aschen, Ps. 147, 16. [1047-1048]
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