Reich
, [
1033-1034] -er, -ste, adj. et adv. 1. In
Menge, im Überflusse vorhanden, da es als ein Beywort demjenigen Hauptworte
beygefüget wird, dessen Menge und Überfluß bezeichnet werden soll; im
Gegensatze des arm. Ein reicher Trost, Ps. 65, 5. Ein reicher Segen, Sprichw.
24, 25. Ein reiches Opfer, Sir. 35, 1. Ein reiches Almosen geben. Ein reiches
Geschenk Eine reiche Ernte. Ingleichen als eine Nebenwort. Das Geschenk, das
Almosen, die Ernte ist sehr reich ausgefallen. Man gebraucht es nur von solchen
Dingen, deren Menge als ein Gut angesehen wird, weil wohl niemand leicht eine
reiche Strafe, ein reiches Übel u. s. f. sagen wird. Reiche Reime nennt man in
der Poesie figürlich solche Reime, welche mehr sich reimende Buchstaben haben
als nöthig sind, als wenn z. B. ein Wort mit sich selbst gereimet wird, wie in
folgender Stelle Klopstocks:
Des Vaters Friede sey mit euch, Des Sohnes Friede sey mit
euch, u. s. f.
2. Eine Menge, einen Überfluß an einer Sache habend. 1)
Überhaupt, wo es als ein Nebenwort am üblichsten ist, da denn diejenige Sache,
deren Menge angedeutet werden soll, vermittelst des Vorwortes an ausgedruckt
wird. Zunächst auch nur von solchen Dingen, deren Menge als ein Gut angesehen
wird; im Gegensatze des arm. Reich an Geld, an Einkünften, an Vieh, an Gütern,
an Verstand u. s. f. Der Zeug ist sehr reich an Seide. Wie reich ist die Natur
an Gegenständen, deren Betrachtung einen denkenden Kopf beschäftigen kann! Von
Jahren alt, an Gütern reich, Gell.
Freund, unsre Zeit von Eisen Ist sehr an Menschen arm,
obgleich sehr reich an Weisen, Gieseke.
Zuweilen auch, obgleich gemeiniglich nur im Scherze, auch von
Dingen, welche als ein Übel angesehen werden. Reich an Fehlern. Mit dem
Vorworte von, welches einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt, reich von
Barmherzigkeit, ist es in der anständigen Sprechart veraltet. Seltener als ein
Adjectiv. Die an Gegenständen reiche Natur. In einigen Fällen gebraucht man es
auch absolute mit Auslassung der in Menge vorhandenen Sache. Eine reiche
Erzader, welche eine Menge des gesuchten Erzes enthält. Eine reiche Sprache,
welche eine Menge von Wörtern hat, alle Begriffe mit allen ihren Schattierungen
auszudrucken. Ein reiches Gedächtniß, welches sich einer Menge von Sachen
erinnert. Die reiche Natur, welche eine Menge von Gegenständen aller Art hat.
Eine reiches Gemählde, welches viele Figuren hat Dieses Wort ist sehr bequem,
Zusammensetzungen zu machen, indem es demjenigen Hauptworte angehänget wird,
dessen Menge und Überfluß angedeutet werden soll. Eine volkreiche Stadt. Ein
wasserreiches Land. Der Fluß ist fischreich. So auch blutreich, kunstreich,
lehrreich, liebreich, freudenreich, trostreich, schiffreich, huldreich,
hülfreich, wortreich, zahlreich, geistreich, gnadenreich u. s. f. 2) In engerer
Bedeutung (a) Eine Menge von einer kostbaren, schätzbaren Sache enthaltend. Ein
reiches Bergwerk, welches eine Menge edlen Metalles enthält. Das Schiff hat
eine reiche Ladung. Ein reich beladenes Schiff. Ein mit Gold reich besetztes
Kleid. Ein reiches Kleid, welches mit vielem Golde oder Silber besetzt ist. Ein
reicher Zeug, worin sich viel Gold oder Silber befindet. Dahin gehöret auch die
biblische Benennung das Reich Arabia, das so genannte glückliche Arabien zu
bezeichnen, wo es eigentlich heißen sollte, das reiche Arabien, indem es hier
nicht das folgende Hauptwort Reich, Regnum, ist. (b) Nach dem Verhältnisse
seines Standes einen Überfluß an zeitlichen Gütern habend. Ein reicher Mann.
Reich seyn, reich werden. Ein reicher Erbe. Eine reiche Frau heirathen, oder
reich heirathen. Eine reiche Heirath thun. Eine reiche Erbschaft erwarten. Ein
reiches Land, dessen Einwohner einen Überfluß an zeitlichem Vermögen besitzen.
Eine reiche Pfarre, ein reiches Stift, ein reiches Kloster. Da es denn auch als
ein Hauptwort gebraucht wird, ein Reicher, ein reicher Mann, die Reichen,
reiche Personen. Anm. Bey dem Ottfried richo, bey dem Notker richolf, im
Nieders. riek, im Angels. rica, im Schwed. rik, im Isländ. rikur, im Engl.
rich, im Franz. riche, im Ital. ricco, im Span. rico. Der Begriff der Menge ist
hier allem Ansehen nach der erste und herrschende, und alsdann erhellet sehr
deutlich, daß es als ein Verwandter von regen zunächst das Geräusch ausdruckt,
welches viele neben einander befindliche Dinge Einer Art gemeiniglich
verursachen. Ehedem bedeutete dieses Wort auch mächtig, angesehen, vornehm,
welche Bedeutung es im Niederdeutschen und den nordischen Sprachen noch hat,
und welche nicht so wohl eine Figur der vorigen, als vielmehr eine andere
Onomatopöie ist, welche zu reichen und richten, in den veralteten Bedeutungen
des Regierens, des Lenkers, des Herzchens gehöret.
S. das folgende Hauptwort, in welchem noch beyde Bedeutungen
vorhanden sind. [
1035-1036]