Das Rad
, [
909-910] des -es, plur. die Räder,
Diminut. das Rädchen, (Plur. Räderchen,) Oberd. Rädlein, ein überaus altes
Wort, welches theils einen Kreis, theils einen un einen Mittelpunct beweglichen
körperlichen Kreis, oder Zirkel bedeutet. 1. In der weitesten Bedeutung eines
Kreises, oder einer durch die Bewegung eines andern Körpers beschreibenden
Zirkellinie, ist es nur noch in einigen Fällen üblich. So sagt man noch im
Tanzen, ein Rädchen, und im Oberdeutschen, ein Rädlein machen, wenn mehrere in
einem Kreise herum tanzen, (
S. Rädelsführer.) Auf ähnliche Art macht man mit einem
Schlitten oder mit einem Wagen ein Rädchen, wenn man mit denselben im Kreise
herum fähret. Ein Rad schlagen, eine bey Knaben und Gauklern übliche Bewegung,
da man den Körper vermittelst der Hände und Füße schnell fortbeweget, so daß
bald die Hände, bald aber auch die Füße oben kommen.
Er (Cotill) ging, und schlug im Gehen oft ein Rad, O, schrie
man, seht den jungen Lassen, Den den Verstand verloren hat, Gell.
Der Pfau schlägt ein Rad, wenn er die Schwanzfedern in die
Höhe richtet, so daß die in demselben befindlichen Augen einen Kreis
vorstellen. Hochmüthig schlug ein Pfau sein Rad, Schleg. 2) In engerer und
gewöhnlicherer Bedeutung, ist es ein beweglicher körperlicher Kreis, d. i. ein
um seine Achse beweglicher Zirkel. 1) Eigentlich, wo es eine Menge von Rädern
gibt, welche ihren Nahmen gemeiniglich von ihrer Bestimmung bekommen; das
Wagenrad, Brunnenrad, Wasserrad, welches von dem Wasser umgetrieben wird,
Mühlrad, Pflugrad, Spinnrad, Spulrad, Uhrrad, Schwungrad u. s. f. Oft auch von
ihrer Gestalt, wie Kammrad, Stirnrad u. s. f. In vielen Fällen bekommt das Rad
andere Nahmen, wie denn die Rollen, Scheiben u. s. f. oft im Grunde wahre Räder
sind, so wie die zirkelförmigen Schleifsteine, Mühlsteine u. s. f. obgleich
diese niemahls den Nahmen der Räder führen. Im gemeinen Leben verstehet man
unter Rad schlechthin am häufigsten ein Wagenrad, welches aus der Nabe, den
Speichen und den Felgen bestehet. Die Räder schmieren, eigentlich die Achse, um
die kreisförmige Bewegung der Räder zu erleichtern. Unter das Rad kommen.
Sprichw. Das schlimmste Rad knarrt am meisten. Er ist wie das fünfte Rad am
Wagen, d. i. völlig überflüssig. 2) Figürlich ist das Rad eine der
schmerzhaftesten Lebensstrafen, da dem Verbrecher vermittelst eines einem
Wagenrade ähnlichen Rades alle Gebeine oder Glieder zerschlagen werden, (
S. Rädern.) Zum Rade verurtheilet werden. Mit dem Rade
vom Leben zum Tode bringen, d. i. rädern. Ein Verbrechen, auf welches Galgen
und Rad stehet. Ein gutes Rad spielen, das Rad gut zu führen wissen, in der
Kunstsprache der Henker, geschickt zu rädern wissen. Einen Verbrechen auf das
Rad fechten, auf das Rad legen, nachdem er gerädert, oder enthauptet worden.
Anm. Schon bey den ältesten Galliern Rat, bey dem Ottfried und Notker Rad, im
Nieders. gleichfalls Rad, im Bretagnischen Rat, im Wallis. Rhot, im Irländ.
Rit, im Latein. Rota, im Ital. Ruota, und im Franz. mit der auch in
Niederdeutschen üblichen Ausstoßung des d und t, Roue. Es ist ein sehr altes
Stammwort, welches eigentlich die schnelle schnurrende Bewegung eines sich im
Kreise bewegenden Körpers ausdruckt, welcher Ausdruck zunächst in dem r liegt.
Mit andern Endlauten gehören auch Reif, Schraube, rund, Krone, Kranz, kraus,
Kreis, Rolle, drehen u. a. m. zu diesem Geschlechte. Im Oberdeutschen bedeutete
raid ehedem wirklich kraus, (
S. diese Wort.) Da die kreisförmige Bewegung, besonders
so fern sie durch das Wort Rad bezeichnet wird, sehr schnell ist, so wird
dieses Wort auch gebraucht, eine jede schnelle Bewegung und einen sich schnell
bewegenden Körper zu bezeichnen, wie in dem Nieders. rad, drad, schnell, dem
Latein. Rheda, ein Wagen u. s. f. (
S. Reiten, wo von dieser Bedeutung mehr vorkommen wird.)
Wenn Rad in den Zusammensetzungen voran stehet, so pflegen viele gemeine,
besonders Niederdeutsche Mundarten gern ein e euphonicum anzuhängen, welches
aber keinen triftigen Grund für sich hat. So sagt man gemeiniglich, eine
Radebärge, Radebrechen, Radehaue, Radespeiche, Radesperre u. s. f. Radbärge,
radbrechen, Radspeiche, Radsperre. in vielen ist es freylich der alte Plural
Rade, für Räder, der aber im Hochdeutschen nie gangbar gewesen ist, daher man
in solchen Zusammensetzungen billig Räder - sagt. In manchen, aber im
Hochdeutschen nur wenigen Fällen, ist Rade - nicht von dem Hauptworte Rad,
sondern von dem Niederdeutschen Zeitworte raden, reuten, ausrotten, wie in
Radehaue, welches alsdann aber im Hochdeutschen billig Reuthaue oder Reuthacke
heißt. [
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