2. Die Rast
, [
945-946] plur. die -en. 1) Die Ruhe, so
wohl überhaupt, als auch, und zwar am häufigsten, die Ruhe nach einer vorher
gegangenen Bewegung; ohne Plural. Es kommt in dieser Bedeutung in dem gemeinen
Sprachgebrauche der Hochdeutschen nur selten vor, und auch hier nur mit
verneinenden Beysätzen, wo man es denn gemeiniglich mit dem Worte Ruhe zu
verbinden pflegt. Weder Rast noch Ruhe haben. Jemanden keine Rast und Ruhe
lassen. Desto häufiger gebraucht man es in der höhern und dichterischen
Schreibart.
Unter eines Kirschbaums Schatten Hielten zwey Kaninchen Rast,
Lichtw. Was schlummerst du? Die träge Rast Schickt sich für Helden nicht,
Gleim.
Die Sonne geht zu Rast, war eine ehedem sehr übliche R. A.
für, die Sonne gehet unter.
Indem woll die liechte Sun Gehn zu Rast mit irem Wagen,
Theuerd. Kap. 17.
Wofür noch jetzt in einigen Provinzen zu Rüste gehen üblich
ist.
Muß doch zu Rüste gehen, So oft es Abend wird, der schöne
Himmels Schild, Opitz.
2) * Eine bestimmte Arbeit, nach welcher man der Ruhe gemeßen
kann, ein Pensum; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, mit welcher das
Wort Reise in einigen Fällen noch etwas ähnliches hat, (
S. dasselbe.) Besonders wurde es ehedem sehr häufig von
einem Maße der Längen und Entfernungen gebraucht, da es denn eigentlich so
vielen Raum in die Länge bezeichnete, as ein Kriegsmann zurück leget, ehe er
Ein Mahl ausruhet. In diesem Verstande war es ehedem durch ganz Deutschland für
das heutige Meile üblich, und lautete alsdann gemeiniglich die Raste.
Unaquaeque gens certa viarum spatia suis appellat nominibus; nam Latini mille
passus vocant, et Galli Leucas, et Persae Parasangas, et Rastas universa
Germania, ist die bekannte, schon von mehrern angeführte Stelle des heil.
Hieronymus. Auch Ulphilas gebraucht Matth. 5, 41 das Wort Rasta, wo Luther
Meile setzet. Die eigentliche Größe dieses Maßes war, weil es auf einem so
unbestimmten Grunde beruhete, sich ehedem eben so wenig gleich, als es noch
jetzt in den meisten Gegenden die Meilen sind. In einer Urkunde des Königs
Ludwig des Frommen heißt es: Inter campum et sylvam Leugae duae, id est Rasta
una; welche Leuga, ob sie gleich auch verschieden war, gemeiniglich 2000
Schritt enthielt. Der Vetus Agrimensor bey dem Du Fresne bestimmt beyde so:
Milliarius et dimidius apud Gallos Leuccam facit, habentem passus mille
quingentos. Duae Leuccae sive Milliarii tres apud Germanos unam Rastam
efficiunt. (
S.
des Du Fresne Gloss.) Es scheinet in dieser Bedeutung
noch jetzt in einigen Gegenden nicht ganz veraltet zu seyn, ob es gleich in
öffentlichen Messungen durch die Römische Meile verdränget worden. Wenigstens
hat noch ein altes Vocabularium von 1482 bey dem Frisch: Eine Rast Wegs oder
zwo Mei! Wegs. Stirnhielm, Wachter und Frisch leiten das Russische Werste,
obgleich dasselbe ein weit kleineres Maß ist, daher, indem es durch Versetzung
des r und Vorsetzung des Blaselautes daraus entstanden seyn soll, Werste für
Wreste. Die ältern Schweden gebrauchen Rast und Rost gleichfalls von der
Entfernung der Örter. 3) Ein Werkzeug oder Theil eines Werkzeuges, woran ein
anderer Theil rastet oder ruhet, d. i. wodurch er in seiner Bewegung
aufgehalten wird. In diesem Verstande ist es besonders noch bey den
Büchsenmachern üblich, welche an der Ruß eines Gewehrschlosses drey Rasten
haben, die Vorderrast, Mittelrast und Hinterrast, welche bey andern die drey
Ruhen heißen. Die Vorderrast ist ein Arm an der Ruß, worauf die Spitze der
Schlagfeder ruhet. Die beyden übrigen Rasten sind zwey Einschnitte in der Ruß,
in welcher die Stangenfeder ruhet. Anm. In der ersten Bedeutung der Ruhe kommt
dieses Wort bey unsern ältesten Schriftstellern häufig genug vor. Bey dem
Ottfried lautet es Resto, bey andern aber Rast, Rasta, im Nieders. Rust, wo
auch Unrust Unruhe ist, im Fries. Rost, im Angels. und Engl. Rest, im Schwed.
Rast. Das Nieders. Ruus, Weile, Zwischenzeit, das ist eine artige Ruus, das ist
eine geraume Zeit her, ist eben dasselbe Wort. Rast ist hier von Ruhe bloß zu
dem Endlaute unterschieden, und in einer alten Übersetzung der Sprüche
Salomonis von 1400 kommt ausdrücklich rawsen für ruhen vor. Auch die dem
Anscheine nach von der Deutschen ganz entfernten Sprachen haben ähnliche
Wörter, welche sich auf diesem Begriff gründen; dahin gehören das Griech.
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Ruhe des Gemüthes
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , müßig seyn, das Ungar.
relt, faul, das Alban. reflt, zaubern, das Arab. rasaa, fest, dauerhaft seyn,
das Franz. Arret, rester, Rest, und andere mehr. Selbst in unsern Deutschen
Frist, Friede, Trost, Entrüsten u. s. f. scheint der Begriff der Rast oder Ruhe
der erste und herrschende zu seyn. In der zweyten Bedeutung eines Maßes der
Entfernung kann auch der der Ruhe entgegen gesetzte Begriff der Reise der erste
und herrschende seyn, zumahl da auch Pictorius das Wort Rast, für Meile, durch
Reisete erkläret; obgleich auch der Begriff der Ruhe nach der bestimmten Reise
dieser Bedeutung völlig angemessen ist. [
945-946]