Natürlich
, [
445-446] -er, -ste, welche Comparation
doch nur in einigen Fällen üblich ist, adj. et adv. der Natur gemäß, in der
Natur gegründet. 1. So fern die Natur die Veränderungskraft oder die Verbindung
des Mannigfaltigen eines einzelnen Dinges ist. 1) Überhaupt in dieser
Veränderungskraft, in dieser Verbindung des Mannigfaltigen gegründet. (a)
Einiger Maßen in derselben gegründet, derselben gemäß, in welcher Bedeutung
auch die Comparation Statt findet; im Gegensatze des unnatürlich. In diesem
Verstande ist die Tugend, das Christenthum, die Frömmigkeit dem Menschen
natürlich. Kohlen, Spinnen u. s. f. sind keine natürlichen Speisen des
Menschen. Das ist kein natürlicher Hunger. (b) Noch häufiger, ganz darin
gegründet, seinen zureichenden Grund darin habend, von dem ersten Entstehen an
in einem Dinge gegründet; im Gegensatze des übernatürlich und zuweilen auch
unnatürlich. Das natürliche Leben, im Gegensatze des geistlichen. Der
natürliche Tod, welcher aus erschöpften Bewegungskräften entstehet, im
Gegensatze eines unnatürlichen oder gewaltsamen. Mit seinem geschwinden Tode
ist es wohl nicht natürlich zugegangen. Eines natürlichen Todes sterben,
natürliche Weise sterben, aus einem innern zur Auflösung der wesentlichen
Theile hinreichenden Grunde. In einem andern theologischen Verstande ist der
natürliche, leibliche oder zeitliche Tod, der in der gegenwärtigen Verfassung
unserer Veränderungskräfte gegründet ist, im Gegensatze des geistlichen und
ewigen Todes. Uns alle treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, dem Ziele
unsrer Wünsche. Natürliche Strafen, welche aus den Wirkungen des Versprechens
bestehen, und ganz in demselben gegründet sind; im Gegensatze der
willkührlichen. Wir haben einen natürlichen Hang, an dem Guten und Übel andrer
Theil zu nehmen. Deine natürliche cholerische Heftigkeit. Natürliche Ursachen.
Der natürliche Trieb, (
S. Naturtrieb.) Ohne die Herrschaft des Verstandes arten
die natürlichen Triebe in verderbliche Leidenschaften aus. Das natürliche
Geschicke eines Menschen. Der Gebrauch des Nebenwortes natürlich für von Natur,
wie Weish. 13, 1, alle Menschen sind natürlich eitel, ist im Hochdeutschen
ungewöhnlich. Oft wird auch dasjenige natürlich genannt, was bey allen oder
doch den meisten Individuis einer Art angetroffen wird. Die Sünde ist dem
Menschen natürlich. Der Stolz ist ein natürliches Laster des Menschen. Der
Eigensinn ist den Kindern natürlich. So auch, was bey einem und eben demselben
Individuo gemeiniglich angetroffen wird. Die Grobheit ist ihm sehr natürlich,
weil er sie schon mehrmahls bewiesen hat. Das ist ihm nicht natürlich, weil man
es noch nie an oder von ihm gesehen hat. Wie ich merke, so mag ihm diese Tugend
sehr natürlich seyn. (c) Im engsten Verstande ist nur dasjenige natürlich, was
so sehr in der Veränderungskraft, in der anfänglichen Einrichtung eines Dinges
gegründet ist, daß auch keine freye Wahl dabey Statt findet; im Gegensatze des
willkührlich. So werden die Verdauung der Speisen, der Umlauf des Geblütes, die
Fortschaffung unnützer Theile aus dem Körper u. s. f. natürliche Handlungen
genannt. 2) In verschiedenen Einschränkungen, wo dieses Wort mehr
Unterabtheilungen leidet, als dessen Hauptwort, weil die Art und Weise, wie
eine Sache in der Natur eines Dinges gegründet ist, verschiedene Stufen leidet.
(a) In Ansehung des Körpers allein, was in dessen Bewegungskraft zum Theil,
oder auch ganz, oder endlich auch mit Ausschließung aller Willkührlichkeit
gegründet ist, in welchem letztern Falle es zu der nächst vorher gegangenen
Bedeutung gehöret. (b) In der Theologie, wo natürlich dem übernatürlich und
zuweilen auch dem geoffenbart entgegen gesetzt wird; ohne Comparation. Die
natürliche Theologie, die Erkenntniß Gottes, so fern selbige allein durch
rechtmäßigen Gebrauch der Vernunft, aus eigenen dem Menschen bey seinem
Entstehen mitgetheilten Kräften, erlangt wird. Der natürliche Mensch, 1 Cor. 2,
14, [
447-448] -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , so wie er ohne alle übernatürliche Veränderung betrachtet wird.
Natürliche Pflichten, welche durch das Naturgesetz bestimmt werden. Die
natürliche Frömmigkeit, welche sich auf natürliche Erkenntniß gründet. (c) Der
ersten anfänglichen Beschaffenheit einer Sache gemäß, in derselben gegründet,
mit Ausschließung aller nachmahls erfolgten oder von außen herrührenden
Veränderungen, wo es wieder mancherley Unterarten gibt. Im Gegensatz des
Unterrichtes, der Erziehung, der bürgerlichen Einrichtung und Ordnung, ist
natürlich der ersten unausgebildeten Beschaffenheit gemäß. Der natürliche
Mensch, oder Naturmensch, so wie er ohne alle gesittete Erziehung, ohne alle
bürgerliche Gesellschaft betrachtet wird. Die natürliche Freyheit, welche ein
Geschöpf in dem Stande der Natur genießt. Das Tanzen ist dem Hunde nicht
natürlich. Wo es denn zuweilen auch als ein gelinderer Ausdruck für grob
gebraucht wird. Das kommt sehr natürlich heraus. Dahin scheint vermuthlich auch
die Bedeutung des Wortes natürlich zu gehören, wenn es in der anständigen und
glimpflichen Sprechart für unehelich gebraucht wird. Ein natürlicher Sohn, eine
natürlicher Tochter, ein natürliches Kind, welche bloß aus einem natürlichen
Bedürfnisse, bloß nach dem Stande der Natur, ohne Beobachtung der bürgerlichen
Ordnung gezeuget worden. Im mittlern Lat. Filius naturalis, Franz. Fils
naturel, welche aber zuweilen auch von einem rechtmäßigen Sohne gebraucht
werden. Im Gegensatze der Kunst, oder der durch willkührliche Mittel
vorgenommmenen Veränderungen, des Gekünstelten. Natürlicher Wein, natürliches
Wasser. Der Wein war nicht natürlich, sondern gekünstelt. Natürliches Haar,
eigenes Haar, im Gegensatze des falschen. Einer Sache ihren natürlichen Geruch
lassen. Diese Farbe ist der Blume nicht natürlich. Eine natürliche
Gesichtsfarbe. Der natürliche Tag, der vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem
Untergange dauert, zum Unterschiede des bürgerlichen, der in 24 Stunden
eingetheilet wird. Eine natürliche Cavallerie, im Tarok-Spiele, welche aus vier
Bildern in Einer Farbe bestehet, im Gegensatze der durch den Skiis gemachten.
In weiterer Bedeutung ist auch etwas natürlich, wenn es gleich durch die Kunst
verändert ist, doch aber der wahren natürlichen Beschaffenheit sehr ähnlich
ist, wo es aber zu einer der folgenden Bedeutungen gehöret. Im Gegensatze des
Gesuchten, des Mühsamen. Das folgt ganz natürlich daraus. Natürliche Gedanken,
welche jedem Menschen von gesunder Vernunft von selbst einfallen, und aus der
Sache selbst zu entstehen scheinen. Oft ist natürlich auch minder künstlich,
minder gesucht, im Gegensatze des mehr Künstlichen, mehr Gesuchten. Eine
natürliche Tonleiter in der Musik, deren Töne durch keine Versetzungszeichen
verändert werden; im Gegensatze der versetzten. Im Gegensatze des Zwanges oder
des Gezwungenen, für ungezwungen. Das folgt ganz natürlich. Ein Gram, der
eigensinnig ist, verbreitet sich nicht so natürlich über fremde Gegenstände
Hermes. Daher wird es im Nieders. auch häufig für gelinde, sanft, gebraucht. Es
regnet so natürlich, so sanft. 3) In der weitern Bedeutung des Wortes Natur ist
natürlich in Ansehung des Ursprunges, mit einer Sache zugleich entstehend, in
dem gleichzeitigen Ursprunge gegründet. Die natürliche Gesellschaft, die
Gesellschaft zwischen Ältern und Kindern, weil sie mit dem Entstehen eines
jeden einzelnen Menschen zugleich entstehet. In diesem Verstande heißt in der
Theologie das Ebenbild Gottes dem Mensch natürlich, weil es mit der Natur, mit
der Verbindung des Mannigfaltigen in dem Menschen zugleich entstand. Natürliche
Zeichen, wo eine Sache beständig neben der andern ist oder beständig auf
dieselbe folgt. So ist der Rauch [
447-448] ein
natürliches Zeichen des Feuers. Wo es denn zuweilen auch für rechtmäßig
gebraucht wird. Der natürliche Oberherr, welchem man gleichsam von seinem
Entstehen an unterworfen ist. 4) In noch weiterer Bedeutung, der Beschaffenheit
einer Sache, der Verbindung des Mannigfaltigen in ihr gemäß, in derselben
gegründet. War es nicht natürlich, daß dieser Argwohn meine ganze Freude
verderben mußte? Ists nicht natürlich auf die Gewißheit einer künftigen
Einrichtung der Welt zu schließen, da in der gegenwärtigen fast alles nur
Anlage ist? Da er die Hoffnung zu gefallen aufgab, so war es ganz natürlich,
daß er auch die Bemühung darum aufgab. Die natürliche Schreibart. 2. So fern
Natur die wirkende Kraft aller Körper als eine Einheit betrachtet ist, ist
natürlich, 1) Eigentlich, dieser wirkenden Kraft gemäß, in derselben entweder
zum Theile oder ganz gegründet aus derselben erklärbar, verständlich; im
Gegensatze des unnatürlich, übernatürlich und widernatürlich. Das gehet ganz
natürlich zu. Die natürliche Zauberey. daß die Sonne auf- und untergehet, ist
sehr natürlich. Das ist natürlicher Weise gar nicht möglich. 2) Zur Natur, d.
i. zur Körperwelt gehörig, einzelnen Theilen derselben gemäß oder ähnlich.
Natürliche Körper, welche zu einem der Naturreiche gehören, so lange sie durch
die Kunst noch nicht merklich verändert worden; Naturalien. Wo es denn in
weiterer Bedeutung auch für einen wirklichen oder doch leicht möglichen
Gegenstand, gebraucht wird. Das Bild stehet natürlich so aus, wie er selbst. Er
stellet sich natürlich so, als wenn er betrübt wäre. Jemanden sehr natürlich
nachahmen. Daher denn in den schönen Künsten natürlich auch der Natur, d. i.
den wirklich vorhandenen oder doch möglichen Körpern ähnlich und gemäß
bedeutet. Anm. So ist dieses Wort ähnlich oder gemäß bedeutet, leidet es auch
die Comparation, weil die Sache selbst hier mehrerer Grade fähig ist.
[
447-448]