Der Muthwille
, [
339-340] des -ns, oder der Muthwillen,
des -s, plur. inus. eines der ältesten zusammen gesetzten Wörter in der
Deutschen Sprache, welches daher auch in verschiedenen Bedeutungen vorkommt. 1)
* Ehedem bedeutete es so viel als das einfache Wille, in welchem Verstande es
bey dem Ottfried mehrmahls vorkommt. Z. B. der Wind bläset thara imo ist
muatuuillo, wo ihm muthwillig ist, d. i. wo er will; und an einem andern Orte
sagt Christus seinen Jüngern then sinan Muatuuillon, seinen Willen. Eben
derselbe gebraucht es aber auch für Willkühr, Lust, Neigung im guten Verstande,
und bey dem Notker werden Wollüste, Vergnügung, Muotuuillon genannt; ja der
noch ältere Übersetzer Isidors gebraucht Muotuuillu sogar für das Gemüth. 2) *
In engerer Bedeutung war Muthwille ehedem der freye Wille, im Gegensatze des
Zwanges; in welchem Verstande es auch in guter Bedeutung in den Schriften der
mittlern Zeiten sehr häufig vorkommt. Von Mutuuillen, freywillig, im
Schwabensp. Jetzt gebraucht man es, 3) nur noch von einer Art der
Freywilligkeit in bösen Dingen, und da ist der Muthwille eine böse Handlung,
welche bloß aus Lust Böses zu thun, oder aus einem sinnlichen Vergnügen an dem
Bösen, in der Absicht sich an dem Bösen sinnlich zu vergnügen, begangen wird.
da er denn eine Art des Übermuthes ist, so wie Bosheit eine böse ider
schädliche Handlung ist, welche aus Neigung Schaden zu thun, und in der Absicht
zu schaden, unternommen wird. Muthwillen treiben. Allerley Muthwillen begehen.
Ein Narr treibet Muthwillen und hats noch dazu seinen Spott, Sprichw. 10, 23.
Im Buche der Richter Kap. 20, 6 wird die geschehene Schändung und Ermordung des
Kebsweibes des Leviten ein Muthwille und Thorheit genannt, wo Michaelis die
Ausdrücke Bubenstück und Frevel hat. Ihr verlasset euch auf Frevel und
Muthwillen, Es. 30, 12. Auf daß sonst niemand an Daniel Muthwillen übte, Dan.
6, 17. Wo es auch die Fertigkeit Böses aus Lust, oder zur Lust zu thun
bezeichnet. Herr laß dem Gottlosen seine Begierde nicht und stärke seinen
Muthwillen nicht, Ps. 140, 9. Am häufigsten wird es im Hochdeutschen von
geringern aus Lust begangenen bösen Handlungen und der Fertigkeit dazu
gebraucht, welche wider kein ausdrückliches Gesetz streiten, dagegen man für
diese die härtern Ausdrücke Frevel, Bosheit u. s. f. hat. Ein Kind treibt
Muthwillen, wenn es aus Lust in Kleinigkeiten Böses oder Schaden thut, wo es
mit Leichtfertigkeit beynahe überein kommt. In noch weiterer und gelinderer
Bedeutung ist der Muthwille oft auch eine jede unschädliche, aber doch
unnützliche Handlung, welche bloß aus Lust, aus Neigung zum Vergnügen begangen
wird. Der Muthwille eines feinen Ohres könnte in der Musik nichts vollkommeners
wünschen. Anm. Im Nieders. gleichfalls Moodwille, ehedem aber auch Sulfmood, d.
i. Selbstmuth. Die Verfasser des Bremisch Nieders. Wörterb. und einige andere
Sprachforscher halten die letzte Hälfte dieses Wortes für das Nieders. Wehle,
welches zuweilen auch für Muthwille gebraucht wird, und mit Keros Welii,
Anmuth, Vergnügen, zu unserm wohl gehöret, von welchem Worte wehlig im Nieders.
stark und lebhaft bedeutet. Allein aus den erstern ältern Bedeutungen erhellet
wohl unstreitig, daß unser Wille den gegründesten Anspruch darauf habe. Die
erste Hälfte scheinet entweder das Hauptwort Muth zu seyn, so fern es auch eine
auf Gefühl der Stärke gegründete Lustigkeit bedeutet, oder auch das alte
Beywort muat, gemuat, freudig, angenehm, lustig, da doch der Begriff der
Lustigkeit mit diesem Worte nicht nur in den heutigen Bedeutungen genau
verbunden ist, sondern auch in der ältern Bedeutung des freyen Willens, und des
Willens überhaupt, obgleich in einem geringern Grade, angetroffen wird. In dem
Schwed. Motwilja, Hartnäckigkeit, Eigensinn, ist die erste Hälfte nicht unser
Muth, sondern das nordische Vorwort mot, gegen, gleichsam Gegenwille,
Widerspenstigkeit, wovon im Nieders. möten, entgegen kommen. Muthwille ist der
Analogie und dem Alterthume gemäßer als Muthwillen.
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339-340]