2. Die Luft
2. Die Luft,
[
2121-2122] plur. die Lüfte, ein Wort,
welches ursprünglich den Laut eines gelinden Windes, einer gelinde bewegten
Luft nachahmet, hernach aber auch die Begriffe einer lockern Beschaffenheit und
der Höhe in sich vereiniget. 1. Eine leicht oder gelinde bewegte Luft in der
folgenden Bedeutung, welche ohne Zweifel zuerst den Nahmen der Luft bekommen
hat, dagegen eine stärker bewegte Luft Wind heißet. In dieser Bedeutung ist
auch das Diminut. Lüftchen, Oberd. Lüftlein üblich, welches in den übrigen
Bedeutungen nicht gebraucht werden kann. Die Luft kommt aus Morgen, aus Abend,
aus Mitternacht. Es gehet eine rauhe, kalte Luft. Zärtlinge, welche bey einem
rauhen Lüftchen gleich das Fieber bekommen. Es wehet ein kühles angenehmes
Lüftchen.
Die Brust mit Flor bedeckt, Der jedem Lüftchen wich, Less.
Der Plural ist in dieser Bedeutung im Hochdeutschen
ungewöhnlich, obgleich Opitz singt:
Die Lüfte, so hier streichen, Sind immer ungesund;
wo er es in der ungewöhnlichen Bedeutung des Windes zu
gebrauchen scheinet. 2. In weiterer Bedeutung, ist die Luft diejenige
elastische, flüssige Materie, welche man zwar nicht sehen, aber deren Bewegung
man doch fühlen kann, welche jeden von andern Körpern leeren Raum einnimmt, und
deren Ein- und Ausathmung zum Leben aller lebendigen Geschöpfe unentbehrlich
ist. 1) Überhaupt. Die Luft aus einem Raume auspumpen. Die Schwere der Luft ist
900 Mahl geringer, als die Schwere des Flußwassers. Der Schall entstehet in der
Luft. Luft hohlen oder schöpfen, Athem hohlen, die Luft in die Lunge ziehen.
Von der Luft allein kann man nicht leben. In der freyen Luft hängen, schweben,
so daß man auf allen Seiten mit Luft umgeben ist. Ich fechte also, nicht als
der, der in die Luft streichet, 1 Cor. 9, 26, ohne seinen Gegner zu treffen. (
S. Luftstreich.) In die Luft reden oder sprechen,
figürlich, ohne Wirkung bey dem andern. 2) In engerer Bedeutung. (a) Die freye,
äußere, nicht eingeschlossene Luft; im Gegensatze der innern oder
eingeschlossenen Luft. Frische Luft schöpfen. Etwas in der freyen Luft thun.
Keine Luft zu etwas lassen, keine äußere Luft. Eine Sache vor der Luft
verwahren. Etwas an die Luft, in die Luft legen. In die Luft gehen. Die Luft
nicht vertragen können. Wie sie befehlen, nur daß ich mich nicht zu lange in
der Luft aufhalten darf, Gell. d. i. in der freyen Luft. Einem Baume Luft
machen, durch Abschneidung der überflüssigen Blätter und Äste den Zugang der
Luft erleichtern. Der Wurzel des Baumes Luft machen, durch Aufgrabung oder
Auflockerung der Erde. Einem Vollblütigen Luft machen, oder seinem Blute Luft
machen, durch Abzapfung eines Theiles desselben. So auch in andern Fällen, wo
der Begriff des Lockern, oft auch des Leichten mit hinzu tritt. Ingleichen
figürlich, einem Gepreßten Luft machen, eigentlich, den Zwang wegnehmen,
welcher ihn am freyen Athemhohlen hindert, und dann auch überhaupt, das Übel
wegschaffen oder doch lindern, welches ihn ängstiget. Seinem Herzen Luft
machen, auch, dasjenige einem andern bekannt machen, was man als eine drückende
Last auf dem Herzen hat. Einem Gedanken Luft machen, durch Mittheilung an
andere. Ein Witzling,
Der einen Einfall hat, und mit Geschrey und Lachen, So
glücklich ist, ihm Luft zu machen, Gell.
Luft bekommen, eigentlich, frische Luft von außen bekommen,
dann aber auch figürlich, von einem drückenden Übel ganz, oder doch zum Theil
befreyet werden, Erleichterung bekommen, wo der Begriff der Leichtigkeit der
herrschende ist. (b) Die über der Erde befindliche Luft, welche den Dunstkreis
ausmacht, so wohl (aa) in Ansehung ihrer zu dem thierischen Leben nöthigen
Beschaffenheit. Eine gesunde Luft. Eine reine Luft. Eine dicke Luft, welche mit
vielen fremden Theilen angefüllet ist. Eine feuchte Luft, welche mit vielen
wässerigen Dünsten angefüllet ist. Eine trübe Luft. (bb) Mit dem Nebenbegriffe
der Höhle. Die Vögel in der Luft. Eine Festung in die Luft sprengen. Das Schiff
flog in die Luft, nachdem sich das Pulver in der Pulverkammer entzündet hatte.
Schlösser in die Luft bauen, unmögliche Dinge hoffen oder entwerfen. Anm. 1. In
allen diesen Bedeutungen hat dieses Wort eigentlich keinen Plural, außer wenn
man mehrere Gegenden des mit Luft erfüllten Raumes über die Erde, oder auch
mehrere Luft-Waffen bezeichnen will. Ald ob uns in den luiften swebe, die
Winsbeckinn. Es liebt, was in den Lüften schwebt, Haged. Ein Nordwind der
Mit starken Fittigen die schwarzen Lüfte theilet, Schleg.
Anm. 2. Bey dem Kero, Ottfried und Notker Luft, Lufte, im
Dän. und Schwed. gleichfalls Luft, im Angels. Lyft, im Isländ. Left, im
Schottländ. Lift. Es ahmet ohne Zweifel den Schall einer gelinde bewegten Luft
nach, und gehöret auch zu dem Geschlechte der Wörter leicht (wegen der
Beweglichkeit) [
2123-2124] und locker, weil die Hauch- und
Blaselaute sehr gern in einander übergehen. Es erhellet solches noch deutlicher
aus dem Nieders. und Holländ. wo Lucht so wohl die Luft, als auch das Licht,
und den obersten Boden im Hause bedeutet. In der letzten Bedeutung ist auch im
Engl. Loft üblich, wo auch lofty hoch bedeutet.
S. auch Lüften, wo dieser Begriff der Höhe noch
merklicher hervor sticht. Im Oberdeutschen ist es sehr häufig männlichen
Geschlechtes, der Luft. Im Bergbaue ist die Luft unter dem Nahmen der Wetter
bekannt. [
2123-2124]