Liegen
Liegen,
[
2065-2066] verb. irreg. neutr. Imperf.
Ich lag; Mittelw. gelegen; Imper. liege. Es ist das Neutrum von legen, bekommt
im Hochdeutschen das Hülfswort haben, im Oberd. aber auch seyn, und bedeutet
eigentlich, niedrig seyn, von dem Bey- und Nebenworte leg, lege, niedrig. Doch
in dieser allgemeinern Bedeutung ist es veraltet, außer daß im Bergbaue noch
die untere Fläche eines Ganges das Liegende genannt wird, zum Unterschiede von
der obern oder dem Hangenden. In engerer und jetzt gewöhnlicherer Bedeutung,
auf seiner größten Seite ruhen, weil ein Körper unbeschadet seiner Größe und
Gestalt nur allein dadurch niedriger gemacht werden kann, daß man seine größte
Fläche zur Grundfläche macht; zum Unterschiede von dem Stehen und bey
lebendigen Körpern auch von dem Sitzen. 1. Eigentlich. Das Buch liegt auf dem
Tische, wenn es auf seiner größten Fläche ruhet; dagegen es stehet, wenn es auf
der kleinsten ruhet. Die Kleider liegen ganz ordentlich im Schranke. Es liegt
alles unordentlich durch einander. Der Hund liegt unter dem Ofen. Auf dem Bette
liegen, im Bette liegen, um zu ruhen. Auf der Erde, auf der Bank liegen. Die
Leiche liegt schon auf dem Strohe. Er hat schon zwey Stunden im Bette gelegen;
im Oberdeutschen, er ist gelegen. Auf einem Küssen liegen. Laß es alles liegen,
wie es liegt. Auf dem Rücken, auf dem Gesichte liegen. Im Grabe liegen. Hart,
sanft, sehr unbequem liegen. Wie der Baum fällt, so bleibt er liegen, Pred. 2,
3. Eine große Last auf sich liegen haben. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur
wird das Subject bey diesem Zeitworte oft verwechselt. Das Feld liegt voller
Steine, es liegen eine Menge Steine auf dem Felde, das Feld ist voller Steine.
Der Weg lag voll Kleider, 2 Kön. 7, 15. Die Bücher liegen voll Staub. Schon
Ottfried sagt: thie (Porticus) lagen fol alles mannes, B. 3. Kap. 4, V. 15.
Eben so sagt man: der Baum hängt voller Äpfel u. s. f. Besonders an einer
Krankheit im Bette liegen müssen. Krank liegen, krank darnieder liegen, bett-
lägerig seyn; wofür man auch zuweilen nur liegen allein gebraucht. Auf den Tod
liegen, nähmlich krank. Am Fieber krank liegen, am Fieber darnieder liegen. Der
Kranke hat schon acht Tage gelegen. Zu Bette liegen, krank liegen. In den
letzten Zügen liegen. In Kindesnöthen liegen, von Gebärerinnen. In Wochen
liegen, oder in den Wochen liegen, eigentlich, in den Wochen, ein Kind geboren
haben. Ich habe sieben Mahl in den Wochen gelegen, Gell. Bald hat sie in Wochen
gelegen, Weiße. Im Oberdeutschen sagt man, sie ist gelegen, d. i. sie ist in
das Kindbett gekommen. In der Deutschen Bibel kommt dafür das veraltete
geliegen vor. Seine Schnur war schwanger und sollte schier geliegen, 1 Sam. 4,
19. Da mir dir gelegen ist, die dich gezeuget hatte, Hohel. 8, 7. In manchen R.
A. behält liegen zwar seine eigentliche Bedeutung, allein der ganze Ausdruck
ist doch eine Figur. Auf der Bärenhaut liegen, müßig gehen, faullenzen. (
S. Bärenhaut.) Mit jemanden unter Einer Decke liegen, in
einer bösen Sache gemeinschaftlich mit ihm handeln. Einander in den Haaren
liegen, sich raufen, ingleichen figürlich im gemeinen Leben, sich zanken, mit
einander rechten, prozessiren. 2. Figürlich. 1) In manchen Fällen verschwindet
der Begriff der größten Fläche mehr oder wenig, und da bedeutet liegen bloß, im
Stande der Ruhe seyn, müßig da seyn, oft aber auch nur schlechthin da seyn.
Geld auf Zinsen liegen haben, wofür man auch das Wort stehen gebraucht. Die
alten Thaler, die ich schon lange liegen habe. Liegende Gründe, unbewegliche
Güter, Häuser, Äcker, Gärten. Es liegt mir so auf der Brust, wenn man einen
fast sitzenden Schleim auf der Brust verspüret. Wein im Keller liegen haben.
Der Wein hat schon lange gelegen. Das Bier liegt auf den Fasse. Besonders, 2)
von Gegenden, Ortern u. s. f. von dem Verhältnisse ihres Ortes in Ansehung des
Ortes anderer Dinge. Leipzig liegt in Sachsen. Portugal liegt gegen Abend,
Persien gegen Morgen. Das Dorf liegt hinter dem Berge, der Garten hinter dem
Hause, die Wiese an dem Flusse. Schwarz liegt das unabsehbare Meer vor uns,
Geßn. Der Wald liegt linker Hand. Die Stadt rechter Hand liegen lassen, auf der
linken Seite derselben vorbey reisen. Die Augen liegen ihm vor dem Kopfe. 3) In
einigen Fällen wird es auch gebraucht, eine Stellung zu bezeichnen, welche dem
Liegen nahe kommt, ob man gleich in derselben noch nicht völlig liegt. In der
Secunde, in der Quart liegen, in der Fechtkunst, wegen der gestreckten
Stellung, worin man sich alsdann befindet. Im Vortheile liegen, eben daselbst,
eine vortheilhafte Stellung haben.
Jetzt setzt ein kahler Troß, der in dem Vortheil liegt, Den
besten Helden ab, Opitz.
Auf den Knien liegen. Vor Ort liegen, im Bergbaue, für
sitzen. Im Anschlage liegen, bey den Soldaten und Schützen, des Gewehr in einer
gestreckten Stellung zum Schusse an die Backen legen. Im Fenster liegen, mit
der Brust sich auf die Brustlehne lehnen. 4) Bey einer Person liegen, oder ihr
beyliegen, eine im Hochdeutschen veraltete R. A. ihr beywohnen, sich
fleischlich mit ihr vermischen, welche noch oft in der Deutschen Bibel, aber
auch schon im Schwabenspiegel vorkommt. 5) Mit dem Nebenbegriffe der
anhaltenden Zeitdauer. Die Soldaten liegen im Felde, wenn sie im Felde im Lager
stehen. Was für ein Regiment liegt in diesem Orte zur Besatzung? Im Gefängnisse
liegen. In Ketten und Banden liegen. Besonders mit einem verächtlichen
Nebenbegriffe. Immer in den Weinhäusern liegen, sich oft und lange daselbst
aufhalten. Er liegt den ganzen Tag auf dem Kaffehhause. Einem auf
[
2067-2068] dem Halse liegen, ihm durch seine lange
Gegenwart, durch seinen langen Aufenthalt beschwerlich fallen. Immer über den
Büchern liegen, beständig lesen oder studieren. Immer zu Hause liegen. Jemanden
in den Ohren liegen, ihn beständig und auf eine beschwerliche Art zu einer und
eben derselben Sache zu bereden suchen. 6) Mit dem Nebenbegriffe der Ruhe; denn
was liegt, d. i. seine größte Seite Grundfläche hat, hat auch die dauerhafteste
Ruhe. Vor Anker liegen, von Schiffen. Unter Weges stille liegen, sich auf der
Reise an einem Orte aufhalten. Auf dem Wege liegen bleiben, nicht weiter
können. Die Sache bleibt liegen, wird nicht fortgesetzt. Eine Arbeit, einen
Prozeß liegen lassen, nicht fortsetzen. Handel und Wandel liegt, befindet sich
in Stande der Ruhe, in einem schlechten, unthätigen Zustande. Die Sache liegt
daran, wird dadurch gehindert. An mir liegt es nicht, ich hindere es nicht. 7)
Oft bedeutet es nur überhaupt, sich in einem gewissen Zustande befinden, wobey
sich doch zuweilen etwas von den vorigen Nebenbegriffen mit einschleicht. Mit
einander im Streite liegen, einen langwierigen Streit mit einander haben,
welches man, wenn es ein gerichtlicher Streit ist, auch vor Gericht liegen
nennet. Das liegt vor Augen, ist leicht zu erkennen; es liegt am Tage, ist
bekennt, deutlich. Seine Unschuld liegt am Tage. Der Unterschied liegt darin u.
s. f. ist darin befindlich. Die Gefahr einer ewigen Trennung hier liegt das
Schreckliche, Weiße. Das Schöne, welches in der Harmonie und in der Folge der
Töne liegt. In der Mittheilung unsrer Begriff an unsre Freunde liegt eine
Seligkeit, die auch der hartnäckigste Einsame fühlt, Zach. Das allein liegt mir
noch im Sinne. Ach das Geld liegt mir nicht an der Seele! Gell. 3) Es liegt
nichts daran, es liegt viel daran, oder mit dem Mittelworte und dem Zeitworte
seyn, es ist nichts, es ist viel daran gelegen, die Sache ist von Wichtigkeit,
wird als wichtig erkannt. Wem liegt daran? Less. Denkst du denn, daß mir so
viel an zeitlichen Gütern liegt? Liegt was daran, was für eines Werkzeuges sich
die Natur bedienet, uns zu zernichten? Sonnenf.
Den Bösen liegt daran, daß keine Gottheit wäre, Dusch.
Anm. Bey dem Kero lickan, bey dem Ottfried liggen, im
Nieders. liggen, im Angels. liegan, ligan, im Engl. to ly, im Dän. ligge, im
Schwed. ligga, bey dem Ulphilas ligan, im Isländ. liggia, im Wendischen leshim,
im Böhm. lezeti, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es
stammet von lege, niedrig, her. (
S. dieses Wort, ingleichen Legen, Lage und Lager.) Das
Lat. lectum, und Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -
und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - gehören gleichfalls
zu dessen Geschlechte. Der biblischen Ausdruck schlafen liegen, 2 Sam. 7, 12,
für liegen und schlafen, ist im Hochdeutschen veraltet, und verdiente daher in
den Sprachlehren unter denjenigen Zeitwörtern, welche ein anderes Verbum im
Infinitiv neben sich leiden, nicht noch mit angeführet zu werden.
[
2067-2068]