Lieb
Lieb,
[
2055-2056] -er, -ste, adj. et adv.
welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. In leidendlicher
Bedeutung. 1) Angenehm, was mit einem merklichen Gerade des Vergnügens
empfunden wird; wo es als ein Beywort nur in einigen Fällen, besonders des
gemeinen Lebens und der vertraulichen Sprechart üblich ist. Das ist gar ein
liebes Kind, er ist ein lieber Mann, sie ist gar eine liebe Frau, wo man in der
edlern Sprechart angenehm oder liebenswürdig gebrauchen würde. O, sie sind ein
lieber Mann, ich will auch ihrer gedenken, Weiße.
Ich weiß ein liebes Weib für dich, Gell.
Auch im Neutro als ein Hauptwort, gleichfalls nur im gemeinen
Leben. Ich weiß nichts als Liebes und Gutes von ihm. (
S. Gut.) Sie thut ihm Liebes und kein Leides sein
Lebenlang, Sprichw. 31, 12. Es geht mehr Liebes als Schönes zur Kirche, mehr
angenehme als wirklich schöne Personen. Ingleichen als ein Nebenwort. Es ist
mir lieb, daß du kommst. Auch mit dem Infinitiv und dem Worte zu. Es ist mir
lieb zu hören, zu sehen, zu vernehmen. Das ist mir nicht lieb zu hören. Laß dir
das lieb seyn. Mit etwas für lieb, oder fürlieb nehmen, (
S. Fürlieb.) Es mag ihm lieb oder leid seyn. Lassen sie
sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb seyn, Gell. Ingleichen im Comparativo. Er
möchte lieber schlafen als essen. Es wäre mir lieber, er wäre gar nicht
gekommen. Und im Superlativo. Das thut er am liebsten. Von einem demüthigen
Retter läßt sich auch das störrige Laster am liebsten retten, Gell. 2) In
engerm Verstande, was man liebt und hoch schätzet, dessen Besitz man mit
Vergnügen empfindet und daher zu erhalten sucht; in der höhern Schreibart
geliebt. Mein lieber Freund. Lieber Bruder. Der liebe Gott, ein im gemeinen
Leben sehr häufiger Ausdruck. Unsere liebe Frau, eine in der Römischen Kirche
übliche Benennung der Jungfrau Maria. Seine liebsten Sachen in Sicherheit
bringen. Das ist mir das liebste auf der Welt. Das liebe Brot, ein gleichfalls
im gemeinen Leben sehr üblicher Ausdruck, weil das Brot das unentbehrlichste,
und daher auch schätzbarste Nahrungsmittel ist. Das liebe Geld. Ihr treibet die
Weiber meines Volks aus ihren lieben Häusern, Mich. 2, 9. Nes- seln werden
wachsen, da jetzt ihr liebes Götzensilber stehet, Hos. 9, 6.
Er nahm die Reise vor und sah schon mit Vergnügen Die liebe
Stadt auf einem Berge liegen, Gell. Das liebe kleine Bäumchen hier, Das einst
gepflanzet ward mit mir, Weiße.
Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprachart pflegt der
Begriff der Liebe und der Schätzung in manchen Fällen mehr oder weniger zu
verschwinden. Es kam ein liebes Gewitter. Auf der lieben Erde liegen.
Durch's liebe Ungefähr, das mancher Glücksstern ist, Michäl.
Das ich mochte geleben mancher lieben tag, Kaiser Heinrich.
Ingleichen als ein Nebenwort. Bey einem lieb und werth seyn.
Deine Gesundheit ist mir lieb. So lieb dir dein Leben ist. Personen, denen wir
lieb sind, ist unsere Traurigkeit nur dann erträglich, wenn wir uns ihnen mit
Fülle des Herzens entdecken. Glauben sie wohl, daß mir ihr Glück lieb ist? Die
erste und dritte Staffel des Beywortes werden auch häufig als Hauptwörter
gebraucht. Mein Lieber, meine Liebe, d. i. mein lieber Freund, meine liebe
Freundinn. In der niedrigen Sprechart sagt man auch im ungewissen Geschlechte
etwas Liebes haben, eine geliebte Person. Der Liebste, die Liebste, werden
häufig so wohl von verehlichten, als auch von unverehlichten Personen zweyerley
Geschlechtes gebraucht, wenn sie einander lieben. Im erstern Falle, wo man auch
wohl Eheliebster und Eheliebste sagt, ist Liebster und Liebste anständiger, als
das geringere und gemeinere Mann und Frau, aber geringer als das höhere Gemahl
und Gemahlinn. Ihr Herr Liebster. Die Frau Liebste. Von unverehlichten Personen
ist es besonders im gemeinen Leben sehr häufig, sie mögen sich nun unschuldig
und in rechtmäßiger Absicht, oder auf eine verbothene Art lieben. Ehedem sagte
man in diesem Verstande auch das Lieb.
S. Liebchen. 2. In thätiger Bedeutung, wirklich liebend;
in welcher Bedeutung es doch nur als ein Nebenwort mit den Zeitwörtern haben,
bekommen und gewinnen üblich ist. Jemanden lieb haben, im gemeinen Leben und
der vertraulichen Sprechart, wofür in der anständigern lieben üblich ist. Sein
Kind lieb haben. Das Geld lieb haben, geitzig sein. Den sie so lieb wie sich
und wohl noch lieber hatte, Gell. Eine Person oder Sache lieb bekommen, in der
anständigern Sprechart lieb gewinnen, Liebe, Neigung zu derselben bekommen.
Weil mein Herz die Gottesfurcht über alles lieb gewann, Hermes. Anm. Bey dem
Ottfried, im Tatian u. s. f. liob, liub, beym Notker in der zweyten Staffel
liebra, im Nieders. leef, im Angels. leof, im Engl. leef, lief, im Schwed.
ljuf, im Isländ. liufr, bey dem Ulphilas liubs, im Pohln. luby, im Wendischen,
wo es auch schön bedeutet, luba. Das Lat. libet und libitus sind unstreitig
damit verwandt, (
S. Belieben,) und nach Ihre ist das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - nur durch Versetzung der Sylben
daraus entstanden. (
S. Lieben.) Das biblische lieben Brüder, lieben Leute,
für liebe, ist wider die Sprachrichtigkeit und verdiente nicht auf den Kanzeln
beybehalten zu werden.
S. die Sprachlehre. [
2055-2056]