2. + Kriegen
2. + Kriegen,
[
1785-1786] verb. reg. act. welches nur im
niedrigen Leben üblich ist. 1) Eigentlich, mit der Hand ergreifen. Jemanden bey
dem Rocke, bey dem Kopfe kriegen. Kriege ich nur einen Stock. Die Äpfel hängen
zu hoch, ich kann sie nicht kriegen. Ingleichen erhaschen, in seine Gestalt
bekommen. Man hat den entflohenen Gefangenen wieder gekriegt; wo man auch in
der sonst ungewöhnlichen passiven Gestalt sagt, er ist gekriegt, wieder
gekriegt worden. Nun, warte du, ich will dich schon wieder kriegen, Weiße. Ha,
kriegt man dich so! 2) Für bekommen, in dem ganzen Umfange der Bedeutung dieses
Wortes. Eine Krankheit kriegen. Geld, Briefe, eine Bedienung, Gäste, Schläge
kriegen. Ich werde ihn wohl nie wieder zu sehen kriegen. Ich kriege am Ende das
Beste davon. Warte, du sollst es kriegen! Sollt er sie nicht zu Gesichte
kriegen? Ein süßer Herr kriegt nie Verstand, Gell.
So kriegte ja der Großknecht, der mir pflügt, Beynah so viel,
als der Gelehrte kriegt, ebend.
Ich kriege noch den Tod über euch, ebend. So fremd dieses
Wort jetzt der edlern anständigern Sprech- und Schreibart geworden ist, so muß
es doch ehedem nicht so niedrig gewesen seyn, weil man es oft in der
feyerlichsten und erhabensten Zusammenhange findet. In Luthers Übersetzung der
Bibel kommt es fast in allen Kapiteln vor, und so gabrauchen es auch noch Opitz
und andere Dichter.
Zu zeigen, daß dein Volk von dir die Wahrheit kriegt, Opitz.
Da ich im lebendigen Grabe Der Glieder Stückwerk krieget (gekriegt) habe,
ebend. Ps. 139.
Anm. Im Nieders. krigen. Es ist von greifen nur in dem
Ableitungslaute verschieden, und Frisch führet verschiedene Beyspiele an, wo
kriepfen für kriegen in der ersten Bedeutung vorkommt. So fern kriechen sich
mit den Klauen auf der Erde forthelfen bedeutet, gehöret auch dieses mit zu der
Verwandtschaft. Im Imperfecto und dem Mittelworte der vergangenen Zeit lautet
das ie gemeiniglich kurz, da denn auch das g den Hauch des ch annimmt, als wenn
es ich krichte, du krichtest u. s. f. gekricht, geschrieben wäre. Ja selbst im
Präsenti spricht man in der zweyten und dritten einfachen Person an den meisten
Orten, du krichst, er kricht.