2. Der König
2. Der König,
[
1701-1702] des -es, plur. die -e, Fämin.
die Königinn. 1. Eigentlich. 1) In weiterer Bedeutung, diejenige Person, welche
die höchste Gewalt unter mehrern hat, die höchste Obrigkeit, so fern sie durch
eine Person vorgestellet wird. In diesem Verstande heißt Gott in der Deutschen
Bibel auf eine vorzügliche Art ein König, wegen seiner höchsten Gewalt über
alle außer ihm befindlichen Dinge. In weit geringerm Verstande bekommen in den
Welttheilen außer Europa alle unumschränkte Herren, wenn sie gleich ein sehr
kleines Gebieth beherrschen, den Nahmen der Könige, in welchem Sinne dieses
Wort gleichfalls in der Deutschen Bibel angetroffen wird. Auch wenn diese
kleinen Herren einem größern unterworfen sind, bekommen sie oft noch den Nahmen
der Könige, um der unumschränkten Gewalt willen, welche sie über ihre
Untherthanen üben; daher in den mittlern Zeiten auch wohl bloße Statthalter
diesen Nahmen führen. 2) In engerer Bedeutung, welche heut zu Tage in Europa
der gewöhnlichste ist, bezeichnet der Nahme eines Königes den unumschränkten
Beherrscher eines Königreichers, welcher dem Range nach unmittelbar auf den
Kaiser folget, allen übrigen Arten von regierenden Herren aber vorgehet. Der
König von Frankreich, von Spanien, von Portugall u. s. f. Die Königinn, so wohl
die Gemahlinn eines Königes, als auch eine solche unumschränkt regierende
Person weiblichen Geschlechtes. 2. Figürlich. 1) In der dichterlichen
Schreibart heißt die Sonne die Königinn des Tages, und der Mond die Königinn
der Nacht. Auch verliebte Personen pflegen die Gegenstände ihrer Liebe in der
poetischen Schreibart Könige und Königinnen, d. i. unumschränkte Beherrscher,
ihres Herzens zu nennen. 2) Im gemeinen Leben und in der bürgerlichen
Gesellschaft führen viele Personen, welche unter mehrern Einer Art eine
vorzügliche Würde und einige damit verbundene Gewalt genießen, den Nahmen der
Könige. Dahin gehöret der König der Schützengesellschaften. Der Scheibenkönig,
wenn er in dem Scheibenschießen den besten Schuß gethan; der Vogelkönig, wenn
er im Schießen nach dem Vogel den letztern am besten getroffen. Bey den
Elbschiffern ist der vorderste Leinenzieher, nach welchem sich die übrigen
richten, der König. In dem Gräfl. Öttingischen Dorfe Appezhofen wird ein neu
angehender Bauer durch den Bauernkönig, welcher auf einem geputzten Pferde die
andern Bauern dazu einladet, ordentlich eingesetzt, investiret und bestätiget,
wovon die alte Ordnung in Herrn Langs Materialien zur Ötting. Gesch. Th. 1, S.
109, f. befindlich ist. Man hat verschiedene Spiele, in welchen um den König
gespielet wird, wer König werden soll. In Schweden hieß ehedem derjenige
Kirchenknecht, welcher die Hunde aus den Kirchen treiben mußte, der König, und
in einigen Gegenden Frankreichs führet er noch den Nahmen Roi d'Eglise, so wie
Bettelvögte in einigen Gegenden Deutschlandes noch Bettelkönige genannt werden.
3) Das vorzüglichste Ding seiner Art führet in vielen Fällen den Nahmen des
Königes. So ist unter den Regeln der mittelste und höchste Regel der König. Der
Adler wird der König unter den Vögeln, so wie der Löwe der König unter den
Thieren genannt. Dahin gehören auch die Nahmen Katzenkönig und Wachtelkönig.
Der kleinste Europäische Vogel ist unter dem Nahmen des Zaunköniges bekannt,
und in einigen Gegenden wird er auch mit dem sonst ungewöhnlichen Diminutivo
Königlein genannt. Der Bienenkönig, die vornehmste Biene in einem Stocke,
welche auch der Weiser, und in den neuern Zeiten, da man ihr weibliches
Geschlecht entdeckt hat, die Königinn, die Bienenmutter oder Mutterbiene,
heißt. 4) In dem Schachspiele, einem alten kriegerischen Spiele von
morgenländischer Erfindung, (
S. Schachspiel,) ist der König der erste und vornehmste
Stein in dem ganzen Spiele. Nur aus dem zweyten Steine ist in Europa auf eine
sonderbare Art eine Königinn geworden. Dieser zweyte Stein heißt im Persischen
und Arabischen Pharz oder Pherzan, d. i. Feldherr, dessen Amt er in diesem
Spiele auch wirklich verwaltet. Er behielt diesen Nahmen, da das Spiel in
Europa bekannt wurde, und man nannte ihn im mittlern Lateine Feroia, unter
welchem Nahmen er schon im 12ten Jahrhunderte vorkommt, und im alt Franz.
Fierce, Fierge. Aus Unknude der Sprache verstümmelte man das letztere noch
weiter in Vierge, welches man endlich im Lat. durch Virgo Domina und Regina,
und im Deutschen durch Dame oder Königinn Übersetze. 5) In der Landwirthschaft
Obersachsens ist der König ein Haufen Getreidehalme, welche die Schnitter auf
dem Felde stehen lassen, und sie oben in einem Büschel zusammen binden, um
daran ein Merkmahl zu haben, wo von ihnen mit Schneiden der Anfang gemacht
worden. Anm. Im Isidor Chuninc und Chuningo, bey dem Kero Chuning, bey dem
Willeram Kuning, im Nieders. König und Konning, im Angels. Cyning, Cynig, Cyng,
im Engl. King, im Schwed. Konung, Im Dän. Konge, im Finnländ. Kuningas, bey den
alten Curländern Könix. Man siehet hieraus zugleich, daß die Endsylbe ig aus
der Ableitungssylbe ing entstanden ist. Im weiblichen Geschlechte lautet es bey
dem Ottfried Küninginna, bey dem Willeram aber Cuniginna. In einem alten 1501
zu Rom gedruckten Deutsch-Ital. Vocabul. heißen der König und die Königinn der
Kung und die King. Die Endsylbe ing, oder wie sie jetzt lautet, ig ist eine
Ableitungssylbe, welche theils einen Sohn, einen Nachkommen, theils aber auch
ein einzelnes Ding, ein Subject bedeutet, von welchem die erste Hälfte des
Wortes etwas behauptet;
S. -Ing. Es [
1703-1704] kommt also
nur auf die erste Hälfte des Wortes Kon oder Kun an. Wachter und andere halten
diese für das alte Kunne, Geschlechte, (
S. Kind,) weil man schon in den ältesten Zeiten die
Könige aus gewissen Geschlechtern nahm, oder vielmehr so fern der älteste des
Geschlechtes, das Haupt der Familie, in den frühesten Zeiten zugleich deren
König war. Das alte Burgundische Hendinus, welches dem Marcellin zu Folge einen
König bedeutete, und das bey dem Ulphilas befindliche Kindin, ein König,
scheinen so wie unser Kind gleichfalls davon abzustammen; so wie Ulphilas
Thiudan, ein König, auf ähnliche Art von dem alten Thiot, Diet, Volk,
Geschlecht abstammet. Indessen haben doch auch diejenigen viele
Wahrscheinlichkeit für sich, welche es mit Frischen und andern von können
abstammen lassen, weil doch die vorzügliche Macht über andere das vornehmste
Unterscheidungszeichen eines Königes ist. Man wähle eine Abstammung, welche man
will, so wird man die Übereinstimmung mit dem Tartarischen Chan, und vielleicht
auch mit dem Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , ein
Priester und Fürst, welchen nur die abendländische Ableitungssylbe fehlet,
nicht verkennen können. Ihre schlägt eine dritte Ableitung vor, welche sich auf
Taciti Worte gründet: Centeni ex singulis pagis sunt, idque ipsum inter fuos
vocantur: et quod primo numerus fuit, jam nomen et honor est. Da nun in den
frühesten Zeiten und schon in dem Salischen Gesetze Chun und Hun hundert
bedeutet, so glaubt dieser gelehrte Schwede, daß Tacitus dadurch den Ursprung
unsers Wortes König bezeichnen und andeuten wollen, daß es ehedem einen
Hauptmann, d. i. einen Vorgesetzten, über hundert Mann oder über hundert
Haushaltungen bedeutet habe. Notker nennet daher einen Hauptmann wirklich
Hunno, der bey dem Ottfried B. 3, Kap. 2 ausdrücklich Kuning heißt. So
scharfsinnig diese Ableitung auch ist, so stehen ihr doch verschiedene
Schwierigkeiten im Wege, deren Anführung hier zu weitläufig seyn würde.
[
1703-1704]