Hören
Hören,
[
1283-1284] verb. reg. act. welches in
einer doppelten Hauptbedeutung gebraucht wird. I. Einen Schall zu empfinden
suchen, vermittelst des Gehöres zu empfinden bemühet seyn; wo es oft absolute
steht und die Gestalt eines Neutrius hat. 1. Eigentlich: Es donnert, hören sie
einmahl, d. i. hören sie auf. An der Thüre stehen and hören, wo doch zuhören,
oder horchen üblicher sind. Wenn die Sache ausgedruckt wird, so bekommt sie das
Vorwort auf. Ich habe nicht darauf gehört. Keine Schmeicheleyen, ich höre nicht
darauf, Weiße. 2. In weiterer Bedeutung, 1) Durch das Gehör, vermittelst der
gehörten Worte ein Vorstellung, einen deutlichen Begriff zu erhalten suchen.
Man höre nur, was das für eine boshafte Antwort ist. Je nu, hören sie nur, die
Sache ist wahr, Weiße. Wo es in der vertraulichen Sprechart oft eine bloße
Formel ist, die Aufmerksamkeit eines andern zu erregen. 2) Durch das Gehör zu
erfahren suchen, in der vertraulichen Sprechart. Ich will hören, ob er zu Hause
ist, ich will mich erkundigen. Wir wollen hören, was er sagen wird. Ich muß
doch hören, wer es ist, Gelt. II. Einen Schall wircklich durch das Gehör
empfinden. 1. Eigentlich, wo es gleichfalls oft absolute und in Gestalt eines
Neutrius stehet. Er höret gar nicht mehr, kann nicht mehr hören. Hart hören,
schwer hören, übel hören, gut hören, scharf hören. Er höret nicht wohl. Du
hörst so scharf als sie, Haged. Wenn die Sache, welche man durch das Gehör
empfindet, durch ein Nennwort ausgedruckt wird, so stehet dasselbe in der
vierten Endung. Hören sie was? Ich höre nichts. Einen schwachen Laut, einen
dumpfigen Schall, einen Knall hören. Sprichw. Man muß sehr viel hören, ehe ein
Ohr abfällt. Ich habe es mit meinen Ohren gehöret, eine im gemeinen Leben
übliche nachdrückliche Versicherung. Wird die Sache vermittelst eines
Zeitwortes ausgedruckt, so bekommt dasselbe wohl auch zuweilen das Bindewort
daß; ich höre, daß der Wind brauset, wir hören, daß geschossen wurde. Allein es
stehet in dieser eigentlichen Bedeutung doch am häufigsten im Infinitiv, nach
dem Muster der Zeitwörter dürfen, heißen, finden, sehen, wollen, müssen,
sollen, helfen u. s. f. Ich höre ihn rufen, ich höre, daß er rufet. Ich höre
niemanden reden. Ich hörte dich singen. Er hörte mich kommen. Moses hörte die
Stimme mit ihm reden, 4 Mos. 7, 89. Wo denn auch dieser thätige Infinitiv
stehen bleibet, wenn gleich der Verstand einen leidentlichen erfordert. Ich
höre dich rufen, kann heißen, ich höre daß du rufst, und daß du gerufen wirst.
Ich höre deinen Nahmen nennen, daß dein Nahme genannt wird. Er hört sich gerne
loben. Kannst du dich einen Engel nennen hören, ohne zu erröthen? Dusch. Weil
aber diese Art des Ausdruckes oft Zweydeutigkeiten macht, so vermeidet man sie
lieber da, wo jene zu besorgen sind. In den zusammen gesetzten Zeiten des
Zeitwortes hören, wird das Mittelwort gleichfalls in den Infinitiv verwandelt,
der alsdann hinter den andern Infinitiv tritt. Ich habe ihn niemahls lachen
hören, für lachen gehört. Wir haben es donnern hören. Wie? sie haben mich reden
hören? Gell. Indessen gibt es auch hier Schriftsteller, welche statt hören,
gehört gebrauchen, und einige Sprachlehrer halten so gar beydes für richtig.
Keinen habe ich singen gehört, Gottsch. der doch in seiner Sprachkunst diese
Form für unrichtig erkläret. In der einzigen R. A. etwas sagen hören, tritt
hören vor den andern Infinitiv, wenn es die Gestalt eines Hauptwortes bekommt;
ich habe es von hören sagen, oder von Hörensagen. Oft wird auch der zu hören
gehörige Infinitiv verschwiegen. Hören sie mich? nämlich rufen, reden u. s. f.
Man möchte uns hören, nähmlich reden. Ich habe dich gehört, schreyen. Auf eine
besondere Art wird dieses Zeitwort, so wie sehen, mit lassen gebraucht, sein
Daseyn andern durch das Gehör merklich machen. Was läßt sich da hören? Es läßt
sich eine Stimme hören. Dort lässet sich die Taube girrend hören, Haged. Wo es
oft allerley Nebenbegriffe bekommt. Sich auf der Violine hören lassen, auf der
Violine spielen. Es hat sich ein Sänger hören lassen, hat seine Kunst im Singen
gezeiget. Laß hören, laß dich oder deine Gedanken hören, sage her. Er läßt
nichts von sich hören, d. i. man erfähret nichts von ihm.
O Thor, läßt Zeus sich zornig hören, Gell.
d. i. spricht Zeus. Das läßt sich hören, das klingt gut, ist
bündig. Die Gründe, welche er anführet, lassen sich hören, scheinen bündig zu
seyn. 2. In engerer Bedeutung, durch die gehörten Worte Vorstellungen bekommen.
1) Für anhören. Man muß den andern Theil auch hören. Höre Gott meinen innigen
Dank. Wir werden nicht gehöret, man höret uns nicht an. Lose Reden hören
müssen. Sie verdammen mich, ohne mich gehöret zu haben. 2) Durch das Gehör
erfahren, für sagen hören. Ich habe diese Nachricht schon gehöret. Sein Lob
hört er gerne. Was höre ich? Ich habe schon etwas von weitem gehöret. Der
Gegenstand, von welchem man etwas höret, bekommt das Vorwort von. Haben sie
schon etwas von der Sache gehöret? Ich habe noch nichts davon gehört. Das höre
ich nicht gern von dir. Muß ich das von dir hören? Ich höre und sehe nichts von
ihm. Ich mag nichts mehr von der Sache hören.
Ein Jüngling, welcher viel von einer Stadt gehört, In der der
Segen wohnen sollte, Gell.
Eben dieses Vorwort bekommt auch die Person, welche das
Werkzeug dieser Art der Erfahrung ist, welches freylich oft Zweydeutigkeiten
macht. Ich habe es schon von vielen gehört. Von [
1285-1286] wem hast du das gehört? Wenn die Sache, welche man auf solche Art
erfähret, vermittelst eines Zeitwortes ausgedruckt wird, so bekommt selbiges
das Bindewort daß. Ich höre, daß er nicht kommen wird, man sagt mir, daß u. s.
f. Welches Bindewort auch ausgelassen werden kann. Ich höre, er wird nicht
kommen; oder, wie ich höre, wird er nicht kommen; oder, er wird, wie ich höre,
nicht kommen. Ich höre, du wirst verreisen. Der Gebrauch des bloßen Infinitivs
ist in dieser Bedeutung nicht üblich, die einzige R. A. sagen hören
ausgenommen, wo aber hören die vorige eigentliche Bedeutung hat. 3. Figürlich.
1) Mit Einfluß auf den Willen hören, seine Handlungen nach eines andern Worten
bestimmen. (a) Für erhören; eine in der Deutschen Bibel sehr häufige Bedeutung,
welche auch noch in der biblischen Schreibart gebraucht wird. Gott höret das
Gebeth, das Flehen der Gerechten. (b) Seine Handlungen nach dem Rathe, nach der
Meinung eines andern bestimmen, für folgen. Ich rathe, ich ermahne ihn täglich,
aber er will nicht hören. Wer nicht hören will, muß fühlen. In der Deutschen
Bibel kommt diese Bedeutung gleichfalls sehr häufig vor. (c) Seine Handlungen
nach den Befehlen eines andern bestimmen; noch zuweilen im gemeinen Leben,
wofür in der anständigern Sprechart gehorchen üblicher ist,
S. dasselbe. 2) * Eines Eigenthum seyn, ein Theil eines
Ganzen seyn, in verschiedenen Betrachtungen; Nieders. hören. Im Hochdeutschen
ist diese Bedeutung ganz veraltet, weil das verlängerte gehören dafür üblich
ist,
S. dasselbe. 3) * Erfordert: werden, als eine Materie,
als ein Mittel nöthig seyn; Nieders. hören. Auch diese Bedeutung ist veraltet,
S. Gehören, welches dafür eingeführet worden. 4) * Dem
Rechte, der Billigkeit, dem Wohlstande gemäß seyn; ein gleichfalls veraltete
Bedeutung, in welcher gehören an die Stelle dieses Zeitwortes getreten ist. Die
Niedersachsen gebrauchen hier noch hörem. Anm. Das Hauptwort die Hörung Kommt
selten vor, vermuthlich weil das Zeitwort eigentlich ein Neutrum ist, welches
erst in den spätern Zeiten als ein Activum gebraucht worden. Es lautet bey dem
Kero horan, im Isidor chihoran, bey dem Ottfried und andern hören, im Nieders.
gleichfalls hören, im Angels. hyran, im Engl. to hear, im Schwed. höra. Es ist
mit Ohr, Lat. Auris, auf das genaueste verwandt. Ältere Mundarten haben statt
des r ein s, eine sehr gewöhnliche Vertauschung, wie das hausjan bey dem
Ulphilas, das Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ,
osaen, hören, und das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , das Ohr. Die ältesten Lateiner sagten für Auris gleichfalls
Ausis, und in ihrem auscultare hat sich das alte s gleichfalls noch erhalten.
Das Frequentativum oder vielmehr Intensivum von hören ist horchen.
S. Ohr. [
1285-1286]