Heißen
Heißen,
[
1089-1090] verb. irreg. ich heiße, du
heißest, er heißt; Imperf. ich Hieß; Mittelw geheißen; Imperf. heiß. Es ist in
doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Activum, welches jetzt nur noch in
folgenden Fällen vorkommt. 1. Für nennen, so wohl einen eigenthümlichen Nahmen
geben, und dabey rufen, und anreden, als auch mit einer Ausdruckung einer
Eigenschaft anreden. Es erfordert alsdann einen doppelten Accusativ, so wohl
der Person, als der Sache oder des Nahmens. 1) Einen eigenthümlichen Rahmen
geben oder beylegen; nennen. Adam hieß sein Weib Heva, 1 Mos. 3, 20. Deß Nahmen
sollt du Jesus heißen, Matth. 1, 21. Den wird sie heißen Immanuel, Es. 7, 14.
Ingleichen bey diesem Nahmen anreden. Wir heißen ihn nur Peter. In Gestalt
eines Reciproci, ich heiße mich Orest, Schleg. anstatt des Neutrius, ich heiße
Orest, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2) Mit Bezeichnung einer
Eigenschaft anreden. Niemand kann Jesum einen Herren heißen, 1 Cor. 12, 3.
Jemanden du heißen, du zu ihm sagen, ihn mit du anreden. Er heißt mich Sie. Hat
er dich nie anders geheißen? Gell. Mache, daß ich dich bald Braut heißen kann,
ebend. Nein, heißen sie mich nicht eine Braut, ebend.
Ich hieß ihn mein Montan; er mich mein Herz, mein Leben,
ebend. Da mich mein Bauer kaum, gestvenger Junker, heißt, Canitz.
Jemanden kurz und lang heißen, im gemeinen Leben, ihm
allerhand Schimpfnahmen geben. Jemanden willkommen heißen, willkommen zu ihm
sagen, ihm zu seiner Ankunft Glück wünschen. 3) Figürlich druckt es die
Verwunderung über den hohen Grad einer Sache aus, wo es aber nur in der ersten
einfachen Person des Präsens üblich ist. Das heiß ich schlafen! das verdienet
doch den Nahmen des Schlafes. Das heiß ich getrunken!
Er seufzte gar zu schön, und kurz, das hieß ich lieben! Wiel.
Das folgende Neutrum wird auf eben dieselbe Art gebraucht. 4)
Etwas gut heißen, erklären, daß etwas gut, d. i. seinem Endzwecke gemäß sey,
doch nur von Handlungen. Ich kann dein Verfahren nicht gut heißen. Im
Oberdeutschen hat man auch dessen Gegensatz übel heißen, für mißbilligen,
welches aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Das Passivum kommt in der
letzten Bedeutung häufig, in der dritten gar nicht, und in den beyden ersten
nur selten vor. in dieser ganzen Bedeutung des Nennens lautet es bey dem Tatian
heizzen, im Nieders. heten, im Angel. hatan, im Engl. Particip. hight. 2.
Befehlen, wo es doch nur von einem mündlichen Befehle, und so wohl im
schärfsten Verstande von Obern gebraucht wird, wenn sie ihren Willen Niedrigern
mündlich bekannt machen, als auch in gelinderer Bedeutung, von gleichen
Personen, wenn sie sagen, daß etwas geschehen soll. Es wird alsdann auf
doppelte Art gebraucht. 1) Mit zwey Accusativen, einem der Person und dem
andern der Sache, welcher letztere am häufigsten ein Pronomen ist. Höre, was
ich dich heiße, 1 Mos. 27, 8, was ich dir befehle. Wer hat dich das geheißen?
Zuweilen aber auch ein Nennwort. Wer heißt dich solche Sachen? Gell. Ich habe
ihn das Betragen nicht geheißen. Oft steht auch nur die vierte Endung der Sache
allein. Ich heiße es nicht, und wehre es nicht. Auf diese beyden Accusative ist
erst in den neuern Zeiten so scharf gedrungen worden, vermuthlich auf
Veranlassung der Lateinischen Sprache. Man findet daher dieses Zeitwort auch
häufig mit der dritten Endung der Person. Der Herr hats ihm geheißen, 2 Sam.
16, 10. Ich habe dir dieses geheißen. Der König hat es mir geheißen. Auch in
dem folgenden Falle, wenn statt des Accusativs der Sache ein Infinitiv stehet.
Der Herr hieß ihm verkaufen sein Weib, Matth. 18, 28. Und diese Wortfügung
scheinet der Analogie der Deutschen Sprache wirklich gemäßer zu seyn; welches
noch deutlicher erhellet, wenn man statt des Activi das Passivum setzet, indem
wohl niemand sagt: es ist mich geheißen worden, sondern mir, so wie man aus
eben diesem Grunde auch nicht sagen kann, ich bin geheißen, ich bin befohlen,
ich bin gesagt worden u. s. f. sondern es ist mir u. s. f. weil nur diejenigen
Verba, welche im Activo die vierte Endung fordern, im Passivo mit der ersten
Endung der Person verbunden werden können.
S. Lehren 2) Oft wird die vierte Endung der Sache von
einem Zeitworte vertreten, welches alsdann im Infinitive ohne zu stehet, wie
auch bey den Zeitwörtern dürfen, finden, helfen, sehen, hören, lassen, lehren,
lernen u. s. f. üblich ist. Daselbst hießen uns singen, die uns gefangen
hielten, Ps. 137, 3. Wer heißt dich so frey seyn? Ich hieß ihn freundlich
gehen, Gell. Du heißest uns zu deinem Lager kommen, um den letzten Segen zu
empfangen. In den zusammen gesetzten Zeiten verlieret daher auch das heißen
sein Augment, oder wird vielmehr zum Infinitiv. Habe ich doch den Narren nicht
kommen heißen, Less. Wer hat dich das sagen heißen. Daher die Stelle, Gott hat
mich wandern geheißen, 1 Mos. 20, 13 unrichtig ist. Dieser Infinitiv der
thätigen Gattung wird auch beybehalten, wenn gleich der Verstand das Passivum
erforderte. Er hieß ihn zu sich führen, er befahl, daß er zu ihm geführet
werden sollte. Die Hauptleute hießen sie stäupen, Ap. Gesch. 16, 22. Der König
hieß ihn binden, befahl, daß er gebunden würde. Weil diese Art zu reden oft
Zweydeutigkeit macht, so vermeidet man sie lieber. In dieser ganzen thätigen
Bedeutung schicket sich heißen besser für die vertrauliche Sprechart als für
die edlere und höhere, wo man in der ersten Bedeutung lieber nennen, und in der
zweyten befehlen oder andere schicklichere Ausdrücke gebrauchen wird. Indessen
lautet es auch in der Bedeutung des Befehlens schon bey dem Ottfried und Notker
heizzen. So auch Geheiß. II. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben
bekommt. 1. Gesagt werden, in unpersönlicher Gestalt. Es heißt, man sagt. Es
heißt, der Friede werde nicht lange dauern. Es hat schon lange geheißen, daß er
kommen würde. Wenn es Ein Mahl von dir heißen wird: er hat auch gelebt. Es
heißt für gewiß, ein Oberdeutsches Blümchen, für: man versichert. Diese
Bedeutung ist noch ein Überbleibsel des ehemahligen weitern Gebrauches des
Activi, da es sagen, sprechen, überhaupt bezeichnete.
S. die Anm. 2. Genannt werden, einen Nahmen haben. 1)
Eigentlich mit dessen ausdrücklichen Meldung, es sey nun ein eigenthümlicher
Nahme oder die Bezeichnung eines Dinges vermittelst einer Eigenschaft; wo es
einen doppelten Nominativ erfordert. Abrahams Weib hieß Sara, 1 Mos. 11, 29.
Heißet nicht seine Mutter Maria? Matth. 13, 56. Wie heißt er? Was Weisheit ist
und heißt, Opitz. Wie heißt das auf Deutsch?
Euch heißt der Wein der Unart Zunder, Haged.
für bey euch, ihr nennet ihn so. 2) In weiterer und
figürlicher Bedeutung. (a) Bedeuten, ein Zeichen, ein Ausdruck eines Begriffes,
eines Dinges seyn. Mensa heißt ein Tisch. Wo es sehr häufig die Erklärung eines
vorher gegangenen Wortes oder Satzes begleitet. Sein Leben verlieren, das
heißt, dem es gelassen zurück geben, von dem er es erhielt, Gell. Ein Kunstwerk
ist desto schöner, je vollkommner es ist, das [
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heißt, je mehr es Theile hat, und je mehr alle diese Theile zum Zwecke
beytragen, Sulz. (b) Auf sich haben, Folgen haben, von Folgen seyn. Diese
Abnahme heißt wenig, Gell. ist nicht wichtig. Sie soll ihn fühlen lassen, was
es heißt, ein edles Herz hintergehen, ebend. Sie wissen, was das heißt, wenn
man Ein Mahl von dem geraden Wege der Tugend und Weisheit abgewichen ist,
Weiße. Wo zuweilen em unnöthiges zu vor dem Infinitive eingeschoben wird. Noch
wißt ihr nicht, was es heißt, mit einem andern verwandt zu seyn. Ich will ihm
weisen, was das heißt, wegzugehen und nicht zu bezahlen. (c) Was soll das
heißen? im gemeinen Leben, warum geschiehet das? (d) Steht es oft für seyn,
wenn ein Satz als völlig gleichbedeutend mit dem andern bezeichnet werden soll.
Das heißt unser ganzes Geschlecht beschimpft, Gell. dadurch wird unser ganzes
Geschlecht beschimpft. Was heißen Freunde nach der Vernunft? Menschen, welche
u. s. f. ebend. Seinen Verstand nicht zum eigenen Nachsinnen gewöhnen - heißt
(ist eben so viel als) sein. Eigenthum verlassen, um betteln zu können, ebend.
Stets bethen, heißt nicht bethen, ebend. (e) Besonders mit Nachdruck, seine
Verwunderung an den Tag zu legen. Das heißt Großmuth! Das heißt Freundschaft!
das ist Großmuth, verdient doch den Nahmen der Großmuth. Das heißt Angst
ausgestanden! So wie hier und in der vorigen Bedeutung heißen für seyn stehet,
so pflegte man ehedem auch Nahme für Person zu gebrauchen, welches besonders
auch von dem zu heizen gehörigen ehemahligen Hauptworte Heit gilt,
S -Heit. Anm. Heißen, in dem alten Oberdeutschen
Mundarten heizzen und heizen, in den Nordischen Mundarten und Sprachen heten,
hetan, ist in seinen heutigen Bedeutungen nur noch ein geringes Überbleibsel
der vorigen Zeiten, wo es sagen, reden, sprechen, bejahen, versichern u. s. f.
bedeutete, und wovon einige Bedeutungen noch in heischen und verheißen übrig
sind. Es gehöret zu dem alten chedan, quedan, reden, sagen, welches in unsern
ältesten Denkmählern so häufig angetroffen wird, und in manchen Gegenden noch
nicht ganz veraltet ist. Das Lat. ciere und citare, das alt Lat. cedere,
welches ehedem sagen bedeutete, das Wend. kasam, kasa, ich befehle, das Russ.
Ukass, ein Befehl, und viele andere müssen mit demselben billig als
gemeinschaftliche Abkömmlinge von einem weit ältern Stamme angesehen werden.
S. auch -Heit. [
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