Hart
Hart,
[
979-980] härter, härteste oder härtste,
adj. et adv. 1. Eigentlich, wo es diejenige Eigenschaft der Körper bezeichnet,
nach welcher sie vermögend sind, einer leidentlichen Veränderung oder einem
Stoße zu widerstehen, im Gegensatze des weich. In diesem schärfsten
wissenschaftlichen Verstande ist ein jeder Körper hart, weil ein jeder ein
gewisses Vermögen hat, einer leidentlichen Veränderung zu widerstehen. Allein
im gemeinen Leben wird dieser Ausdruck alle Mahl verhältnißweise gebraucht, und
da bezeichnet es einen merklichen und hohen Grad dieses Vermögens, so wohl
überhaupt, da er vermögend ist, den gewöhnlichsten Eindrücken mehr zu
widerstehen als ein anderer Körper. So nennet man alle Steine hart, weil sie
den gewöhnlichsten Arten des Stoßes widerstehen. Der Demant ist der härteste
unter allen bekannten Körpern. Sprichw. Auf einen harten Ast gehört ein harter
Keil. Als auch mit noch näherer Beziehung auf einen weichern Körper eben dieser
Art. Eine harte Haut, harte Hände haben. Hartes Holz, wohin man eichenes,
büchenes, ahornes, birkenes Holz u. s. f. rechnet, im Gegensatze des weichen.
Hart gesottene Eyer, harte Eyer, im Gegensatze der weich gesottenen. Das
Fleisch ist hart gesotten, ob es gleich in Vergleichung mit Holz, Steinen u. s.
f. weich genug ist. Harte Steine nennet man in der Mineralogie diejenigen,
welche sich nicht mit dem Messer schaben lassen. Hartes Brot, eine harte Rinde,
eine harte Schale. Ein hartes Wasser, welches viele erdige Theile bey sich hat.
Hartes Getreide, oder Hartkorn, in der Landwirthschaft, Rocken, Weizen und
Gerste, im Gegensatze des weichen, d. i. des Hafers. Hingegen zählet man zum
harten Futter oder zum Hartfutter, eben daselbst, alles Getreide, mit Einschluß
des Hafers und der Erbsen, im Gegensatze des rauchen Futters, d. i. des
Strohes, Heues und Grummetes. Harte Schlacken, im Bergbaue, frische Schlacken.
Hartes Bley, oder Hartbley, eben daselbst, welches im Abtreiben von dem Silber
geschieden wird. Hartes Geld, ganzes oder grobes Geld, im Gegensatze des
einzelnen Geldes oder der Münze. Zuweilen auch mit näherer Beziehung auf die
Empfindung. Diese Speise liegt hart im Magen. Auf der harten Erde liegen. Die
Erde ist ein hartes Lager. 2. Figürlich, wo dieses Wort in sehr vielen
uneigentlichen Fällen gebraucht wird, wo das Bild theils von dem Widerstande
der harten Körper selbst, theils von der Mühe, die man anwenden muß denselben
zu überwinden, theils endlich auch von der dadurch verursachten unangenehmen
Empfindung entlehnet ist. 1) In Ansehung des Widerstandes harter Körper gegen
eine leidentliche Veränderung. (a) Vermögen oder Fertigkeit besitzend, bey
sinnlichen Eindrücken von außen zu widerstehen, oder solche nicht zu empfinden.
Hart gewöhnet seyn, den Eindrücken der Witterung, den Beschwerden widerstehen
können, im Gegensatze des weichlich oder zärtlich. Ein Kind hart erziehen. Sich
hart halten, nicht weichmüthig werden, im Nieders. aber auch, frisch und gesund
seyn. Die Ebräischen Weiber sind harte Weiber, ehe die Wehmutter zu ihnen
kommt, haben sie geboren. 2 Mos. 1, 19.
S. Abhärten. Ein Harter Schlaf, ein fester, Es. 29, 10.
Ich war so hart entschlafen, daß ich nicht erwachte, Opitz. Ein hartes Leben,
ein zähes Leben, welches nicht leicht abzukürzen oder zu Überwinden ist. Ein
harter Bezahler; der schwer zur Bezahlung zu bringen ist. (b) Im moralischen
Verstande. (aa) Eine harte Stirn haben, unverschämt seyn, Fertigkeit besitzen
den Empfindungen der Scham zu widerstehen. (bb) Fertigkeit besitzend, den
Bewegungsgründen zu widerstehen, unbiegsam. Einen harten Kopf, einen harten
Sinn, einen harten Nacken haben. Ein harter Sinn, Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - . Das Herz Pharao ist hart, er wegert
sich das Volk zu lassen, 2 Mos. 7, 14. Aber die Kinder, zu welchen ich dich
sende, haben harte Köpfe, und verstockte Herzen, Ezech. 2, 4. Denn das ganze
Haus Israel hat harte Stirnen und verstockte Herzen, Kap. 3, 7. Sprichw. Hart
wider hart thut niemahls gut, wofür man auch sagt, zwey harte Steine mahlen
selten klein.
S. Hartnäckig. (cc) Den Empfindungen des Mitleidens
widerstehend, Fertigkeit besitzend, bey anderer Noth unempfindlich zu seyn, und
in dieser Gesinnung gegründet; im Gegensatze des weich. Ein hartes Herz haben.
Sich hart halten, nicht gerühret, nicht weichherzig werden. Hart gegen jemanden
seyn, mehr in leidentlicher Bedeutung, so wie einem hart seyn, mehr thätiges
mit in sich lässet. Ein harter Orden. Sey nicht hart gegen den Dürftigen, Sir.
4, 1. (dd) Fertigkeit besitzend, den Glimpf, die Mäßigung in Beurtheilung des
Verfahrens anderer und in dem Widerstande gegen ihr unrechtmäßiges Verhalten zu
unterlassen, und in dieser Fertigkeit gegründet. Ein harter Richter. Eine harte
Strafe. Etwas sehr hart bestrafen. Jemanden sehr hart anreden. Eine harte
Antwort. Einem harte Vorwürfe machen. Das ist zu hart. Wo es oft ein
glimpflicher und anständiger Ausdruck für grob ist. (a) Einen harten Kopf
haben, in Niedersachsen, einen ungelehrigen, wofür man in Obersachsen sagt,
einen schweren Kopf haben. (c) Als ein Nebenwort wurde es ehedem auch häufig
für sehr nahe gebraucht, weil in der Nähe der Widerstand alle Mahl stärker ist;
in welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen seltener zu werden anfängt. Hart
unter den Leisten sollen die Ringe seyn, 2 Mos. 25, 27. Daß es auf dem Leibrock
hart anliege, Kap. 28, 28. Ein groß Volk wird sich erregen, hart an unserm
Lande, Jer. 6, 22. Hart an der Mauer wohnen.
Er blieb hart an der Thür die Stirne runzelnd stehen, Zachar.
Zwey Kinder spielten einst hart an des Pico Fuß, Lichtw.
Die Niedersachsen sagen dafür dicht nach eben derselben
Figur. Das Schwed. hardt bedeutet gleichfalls nahe. 2) In Rücksicht auf die
Mühe, welche man anwenden muß, den Widerstand harter Körper zu überwinden, mit
Mühe verbunden, doch nur in einigen Fällen. Einen harten Leib, einen harten
Stuhlgang haben.
S. Hartleibig. Das wird hart halten, es wird schwer,
nicht anders als mit Mühe zu bewerkstelligen seyn. Hart hören, schwer, mit Mühe
hören, etwas taub seyn,
S. Harthörig. Das gehet ihm hart ein, sehr schwer. Harte
Buchstaben, in der Sprachkunst, das p, t und k, im Gegensatze der weichen b, d
und g, weil sie im Aussprechen mehr Mühe und Anstrengung erfordern. Vielleicht
gehöret hierher auch die harte Tonleiter in der Musik, wo die Terz zwey ganze
Töne in drey Stufen enthält, und welche auch die große genannt wird, zum
Unterschiede von der weichen oder kleinen. 3) In Rücksicht auf die Empfindung,
wo es in vielen Fällen theils einen sehr merklichen Grad einer unangenehmen
Empfindung bezeichnet, theils überhaupt für sehr gebraucht wird.
[
981-982] (a) In den schönen Künsten gebraucht man
dieses Wort in vielen Fällen von solchen Fehlern, welche eine unangenehme
Empfindung bey dem Zuschauer oder Zuhörer zurück lassen. Eine harte Figur, in
der Redekunst, eine übertriebene Metapher, Katachresis. Harte Verse, in der
Dichtkunst, im Gegensatze der fließenden. Ein harter Keim. Eine harte
Schreibart. Eine harte Manier, ein harter Pinsel, bey den Mählern, wenn die
hellen Farben zu nahe an den dunkeln stehen und nicht gehörig vertrieben sind,
ingleichen wenn die Umrisse nicht gehörig vermischt sind, welches auch trocken
genannt wird; im Gegensatze der weichen oder sanften Manier. Ein Bildhauer
arbeitet hart und trocken, wenn seiner Arbeit das Markige und die gehörige
Politur fehlet. (b) Ein wenig sauer, im gemeinen Leben. Das Bier schmeckt hart,
wenn es anfängt sauer zu werden; Schwed. hard. Auf ähnliche Art sagten die
Römer vinum durum.
S. Härtlich und Härtling. (c) In einem sehr merklichen
Grade unangenehm, schmerzhaft, empfindlich, beschwerlich, doch nur in einigen
bereits eingeführten Fällen, in welchen man dafür auch schwer, und im gemeinen
Leben zuweilen auch sauer gebraucht. Einen harten Fall thun. Eine harte
Krankheit ausgestanden haben. Ich habe dafür hart genug büßen müssen. Das ist
ein harter Gang. Harte Arbeit verrichten. Eine harte Dienstbarkeit, Sklaverey.
Ein harter, sehr kalter, Winter. Es sind harte Zeiten. Eine harte (sehr
unangenehme,) Nothwendigkeit. Es ist etwas sehr hartes, sich einen Narren
vorgezogen sehen. Ein hartes Schicksal. Hartes (stürmisches,) Wetter auf der
See. Ein Pferd trabet hart, gehet einen harten Trab, wenn der Trab dem Reiter
unangenehme Empfindungen macht,. (d) In noch weiterer Bedeutung, eine bloße
Intension, einen hohen Grad der innern Stärke zu bezeichnen; in welcher
Bedeutung es im Hochdeutschen größten Theils veraltet ist. Eine harte
Belagerung. Ein harter, heftiger, Streit oder Kampf. Wo der Streit am härtesten
ist, 2 Sam 11, 15. Mit harter Mühe, mit großer, schwerer Mühe. Besonders als
ein Adverbium für sehr; ein im Hochdeutschen gleichfalls veralteter Gebrauch.
Ich bin so harte niht verzaget, einer der Schwäbischen Dichter. Harto bistu
herti, Ottfr. du bist sehr hart. Fürwittig erschrack des gar hart, Theuerd.
Kap. 15. Und sie drungen hart auf den Mann Lot, 1 Mos. 19, 10. Seit dem hat er
das Volk noch härter geplagt, 2 Mos. 5, 23. Und schlug sie hart, Richt. 15, 8.
Wer die Nasen hart schneutzet, zwinget Blut heraus, Sprichw. 30, 33. Deß
erschrack Belsazar noch härter, Dän. 5, 9. Und so in andern Stellen mehr. Doch
sagt man auch im Hochdeutschen, jemanden hart zusetzen, hart in ihn dringen.
Auf ähnliche Art stammet das Lat. valde von validus ab. Das Schwed. harla
bedeutet gleichfalls sehr. Anm. Bey dem Ulphilas hardus, bey dem Kero und
Ottfried harto, im Nieders. hard und harde, im Angels. heard, im Engl. hard, im
Isländ. hardur, im Dän. haard, im Schwed. hardt. Ehedem bedeutete es auch groß,
fest, stark, tapfer u. s. f. Das Span. harto ist noch für viel üblich, und das
Franz. hardi, kühn, stammet gleichfalls davon ab. Das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , stark, tapfer, -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , sehr, kommen genau damit überein,
so wie das Lat. arduus selbst einige figürliche Bedeutungen beybehalten hat.
S. auch Harren, Harsch und Herb. Wenn man auf den sehr
gewöhnlichen Übergang des r in l und dieses in jenes siehet, so wird man auch
die Verwandtschaft zwischen hart und halten and dem Lat. validus, im Nieders.
wählig, nicht ver- [
983-984] kennen können. Sagt man
doch im Oberdeutschen noch jetzt erhalten, für erhärten, beweisen; im
Braunschweigischen heren, für halten, erfüllen, und im Nieders. heerden,
beheerden, für halten.
S. auch Held. Übrigens ist für hart in der eigentlichen
Bedeutung im Bergbaue auch gällig, klammgällig, klemmig, im Nieders. rog, (Lat.
rigidus,) üblich; so wie man manche besonders Arten der Härte im Hochdeutschen
durch harsch, spröde, zähe u. s. f. ausdruckt. [
983-984]