Geschehen
Geschehen,
[
603-604] verb. irreg. neutr. ich
geschehe, du geschiehest, (geschichst,) es geschiehet, (geschicht;) Imperf. ich
geschahe; Mittelw. geschehen; Imperat. geschehe. Es erfordert das Hülfswort
seyn, und wird nur in der dritten Person, und hier sehr oft unpersönlich
gebraucht. 1. Sich zutragen, von Veränderungen, welche ohne unsere Mitwirkung
wirklich werden. 1) Widerfahren, zugefüget werden; von Dingen, welche ohne
unser Zuthun an uns von außen wirklich werden, mit der dritten Endung der
Person, so wohl von guten, als bösen Dingen. Wenn ihnen viel Gewalt geschicht,
Hiob 35, 9. Es wird dem Gerechten kein Leid geschehen, Sprichw. 12, 21. Es ist
dir recht geschehen, wie du es verdienet hast. Damit geschiehet mir ein
Gefallen. Es ist ihm Schaden, Abbruch, Unrecht geschehen. Es soll dir nichts
geschehen, nichts Übels. Es ist uns viel Gutes bey ihm geschehen. Ich wußte
nicht, wie mir geschahe, als u. s. f. Es ist ihm zu viel geschehen, Unrecht.
Ach, wie ist mir geschehen? was ist mir widerfahren? 2) In weiterer Bedeutung,
sich zutragen, von allen Veränderungen, welche ohne unser Zuthun wirklich
werden; absolnte unpersönlich. Es geschahe, wie er gesagt hatte. Das wird in
Ewigkeit nicht geschehen. So etwas geschieht nicht alle Tage. Daher geschahe
es, daß u. s. f. Zuweilen auch mit bestimmter Meldung der Sache, welche
geschehen ist, in Gestalt eines Hauptwortes. Es ist ein Unglück geschehen. Aber
nicht, es ist ein Aufruhr geschehen, es geschahe ein Windwirbel, ein Erdbeben,
ein Brausen u. s. f. ungeachtet diese und ähnliche Ausdrücke häufig in der
Deutschen Bibel vorkommen. 2. In engerer Bedeutung, zur Wirklichkeit gebraucht,
vollendet, gethan werden, von Handlungen und thätigen Veränderungen. Dein Wille
geschehe. Was er spricht, das muß geschehen. Die Sache ist bereits geschehen,
ist noch nicht geschehen. Wir wollen sehen, was geschehen wird. Es soll nicht
mehr geschehen. Er ist den ganzen Tag geschäftig, und es geschiehet doch
nichts, es wird nichts ausgerichtet, nichts zu Wirklichkeit gebraucht. Ich muß
es geschehen lassen, kann es nicht hindern.
Ich pflück ihr manchen Straus, dieß läßt sie auch geschehen,
Gell.
Die Arbeit ist geschehen. Es ist im Zorne, aus Versehen
geschehen. Zu geschehenen Sachen muß man das Beste reden. Die Zeit der
geschehenen Schöpfung der Welt. Die Zueignung der geschehenen Erlösung. Die
Schöpfung der Welt ist durch Gottes Allmacht geschehen. Es geschahe ein Schutz.
Von wem ist das geschehen? Die Ausfälle, welche von den Belagerten geschehen
sind. Die Erhaltung des menschlichen Lebens geschiehet nicht unmittelbar. Alles
was von unserer Seite dagegen geschehen kann. Wenn dieser Versuch geschehen
ist. Indessen kommt es auch hier oft auf den Gebrauch an, ob geschehen in
manchen Fällen üblich ist, oder nicht. So sagt man im Hochdeutschen nicht, die
Stimme des Herrn, oder das Wort des Herrn geschah zu ihm; es geschahe eine
Weißagung, u. s. f. welche Ausdrücke doch in der Deutschen Bibel nicht selten
sind. 3. Figürlich. Es ist um ihn geschehen, er ist verloren, gestorben,
unglücklich geworden u. s. f. actum est de illo; in welchem Verstande die
Hebräer das Zeitwort $, er ist gewesen, in Niphal gebrauchen. Anm. Bey dem
Ottfried kiskehan, bey dem Notker gischehen, im Nieders. schüen, entschüeen, im
Holländ. geschieden, im Schwed, ske, im Isländ. skedur, im Lappländ. skiaddet,
im Oberd. auch beschehen. Wachters Muthmaßung, daß es mit dem Lat. cadere und
accidere verwandt sey, ist sehr wahrscheinlich, und wird durch die Nordischen
Mundarten, welche in diesem Worte gleichfalls ein d haben, bestättiget. Die
Vorsetzung des Zischlautes ist in vielen Sprachen, besonders der Deutschen,
etwas sehr gewöhnliches.
S. Sch. Die Franzosen haben daraus ihr escheoir
gebildet. Das mittelste e wird im Hochdeutschen wie das erste, das ist wie ein
Franz. eferme, ausgesprochen; dagegen einige Mundarten, z. B. die Schlesische,
es wie ein ä aussprechen. Im Oberdeutschen gehet dieses Wort in einigen
Gegenden regulär; es geschehete für geschah. Das ch im Präsenti und Imperfecto,
es geschicht, es geschach, gehöret gleichfalls den Mundarten zu, obgleich das
erstere auch im Hochdeutschen nicht selten ist.
S. Geschichte. [
603-604]