Gedeihen
Gedeihen,
[
463-464] verb. irreg. neutr. welches
das Hülfswort seyn zu sich nimmt; Imperf. ich gedieh; Mittelw. gediehen;
Imperf. gedeih. 1. Eigentlich, der Ausdehnung, dem äußern Umfange nach größer
werden, von Menschen und Thieren. Star isset viel, aber er gedeihet nicht
dabey, er wird nicht genähret, nimmt nicht zu. Das Vieh gedeihet vortrefflich.
Ingleichen für nähren, mit der dritten Endung der Person. Grobe Kost gedeihet
den Handarbeitern besser als Leckerbissen. Er isset viel, aber es gedeihet ihm
nicht, es gereicht ihm nicht zur Nahrung, er nimmt dabey nicht zu. 2.
Figürlich. 1) Wachsen,
S. Gediegen. 2) Der Zahl nach zunehmen, ingleichen an
äußerm Wohlstande zunehmen. Die Kinder der Ehebrecher gedeihen nicht, Weish. 3,
16. Ein Bienenstock gedeihet, wenn er an Volk und Werk zunimmt, wofür man in
Niedersachsen auch wudeln und faseln gebraucht. Unrecht Gut gedeihet nicht. 3)
Gerathen, einen erwünschten Wachstum und Fortgang haben. Das Getreide würde
gediehen seyn, wenn die Witterung nicht so naß gewesen wäre. Der Flachs ist
vortrefflich gediehen. Das wird dir nicht gedeihen. Seine Anschläge gedeihen
nicht. Gott must das Gedeihen zu unserer Arbeit geben. Im Mecklenburg jahren.
4) Ausschlagen, zum Nutzen oder Schaden gereichen. Das wird zu deinem Verderben
gedeihen. Das gedeihet ihm zur Ehre, zum Spotte, zur Schande. Sagen sie, wie
gedieh mir Lamm dieser Trost? Hermes. Es ist ihm übel gediehen, bekommen. In
dieser und den beyden folgenden Bedeutungen fängt es an im Hochdeutschen
seltener zu werden. 5) Kommen, gerathen. Dadurch nemens an narung ab, gedeyhen
an den bettelstab,
S. Sachs. Die Sache ist auf das Äußerste gediehen.
Laß mich nicht unter die gedeyen, Wo stolz Frevel sich
befindt, Opitz Ps. 140. Herr ich bitte, laß mein Schreyen Für dein treues Ohr
gedeyen, ebend. Ps. 86.
6) Werden, entstehen. Wenn die redlichsten Absichten zu
weiter nichts führen, als zu einem lächerlichen Zwecke, so gedeihet niemahls
ein Verdienst daraus, Abt. 7) * Bleiben, fortdauern; eine im Hochdeutschen ganz
veraltete Bedeutung. Ihre Gemeine soll vor mir gedeyen, Jer. 30, 20. Ihr Same
wird für dir gedeyen, Ps. 102, 29. Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem
Ottfried kedihen, bey dem Stryker gedeichen, bey dem Notker gediehen, und zwar
in den meisten der obigen Bedeutungen. Das einfache deihen kommt bey den ältern
Oberdeutschen Schriftstellern noch häufiger vor. Bey dem Ottfried lautet es
thihan, wo es wachsen, zunehmen, zum Nutzen gereichen, bedeutet. Das Nieders.
digen, diggen, das Goth. teihan, das Schwed. taga, das Isländ. tia, und das
Angels. thean haben das verlängernde ge gleichfalls nicht. Es stammet von dicht
und dick her. In Hamburg bedeutet deyen und uthdeyen, aufquillen, und bey dem
Notker ist Diehseme die Frucht.
S. Dicht, Gediegen, Taugen und Teig. Die Schreibart
gedeyen, welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt, ist veraltet.
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