Der Gedanke
Der Gedanke,
[
461-462] des -n, plur. die -n, bey
einigen auch der Gedanken, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte
denken. 1. Eigentlich und überhaupt, eine jede Vorstellung von einer Sache. In
Gedanken seyn, in tiefen Gedanken stehen, auch wenn man sich dieser
Vorstellungen nicht deutlich bewußt ist. In engerer Bedeutung verstehet man
unter diesem Ausdrucke nur die mit Bewußtseyn verknüpften Vorstellungen. 1)
Absolute. Es fallen mir allerley Gedanken ein. Seine Gedanken nicht beysammen
haben, zerstreuet seyn. Fasse dich, sammle deine Gedanken, so viel wie möglich
ist, Less. Etwas ohne Gedanken thun, ohne Richtung seiner Gedanken auf den
gehörigen Gegenstand. Das ist mir nicht in die Gedanken gekommen. Sich der
Gedanken entschlagen. Sich etwas in Gedanken vorstellen. Seinen Gedanken
Audienz geben, im gemeinen Leben, allerley Vorstellungen nachhängen. Voller
Gedanken seyn. In Gedanken seyn, in tiefen Gedanken sitzen, so an etwas denken,
daß man sich und anderer Dinge außer sich nicht bewußt ist; im Nieders. mymern,
welches mit dem Lat. memorari verwandt ist. Warum stehest du denn so in tiefen
Gedanken? Er saß tief in Gedanken. Mein ganzer Gedanke bist du, Weiße. Von ihm
zeugt jeder Gedanke unsrer Seele, Gell. Der große Gedanke, Gott regieret und
ordnet die allgemeinen und besondern Schicksale der Menschen - ist göttliche
Beruhigung des Herzens in Unfällen und Leiden, Gell. Er ist ein recht sanfter
Mann, dem noch nie der Kopf von einem Gedanken weh gethan hat, Weiße. Ein
lebhafter, starker, kühner, glänzender, körnichter, feiner Gedanke. 2) In
Rücksicht auf einen besondern Gegenstand, mit dem Vorworte an. Es sey
Krankheit, es sey Verlust der Güter dieses Lebens, - der Gedanke an die
göttliche Vorsehung vermindert ihr Schmerzhaftes, Gell. Zuweilen auch mit der
zweyten Endung. Diesen Gedanken seiner Unschuld - gäbe er für keine Welt,
ebend. 2. Figürlich, mit verschiedenen Nebenbegriffen, theils in weiterer,
theils in engerer Bedeutung. 1) Vom den mit einem Urtheile verbundenen
Vorstellungen; am häufigsten im Plural. (a) Für Meinung. Er stand in den
Gedanken, daß ich die Erbinn des Testamentes wäre. Ich war in den Gedanken, daß
er heute nicht kommen würde. Er hat sehr hohe Gedanken von sich. Sie wäre es
nach meinen Gedanken wohl werth. Jemanden auf bessere Gedanken bringen, ihm
eine bessere Meinung beybringen. Wir haben einerley Gedanken. Jemanden seine
Gedanken eröffnen. Auf andere Gedanken kommen. (b) Für Vermuthung. Wie können
sie doch auf die Gedanken fallen? Ihr stetes Bethen und Singen bringt mich fast
auf die Gedanken, daß sie nicht fromm ist, sondern nur fromm scheinen will,
Gell. Ich komme fast auf die Gedanken, daß sie ihn nicht leiden kann. Sich
arge, böse Gedanken von jemanden machen. Besonders von der Vermuthung einer
unangenehmen Sache, für Argwohn. Wenn ich argwöhnisch wäre, so könnte ich mir
allerhand Gedanken machen, Gell. 2) Von der Vorstellung einer abwesenden oder
vergangenen Sache, für Erinnerung, Andenken; doch nur in einigen Fällen und im
Plural.
Ich will mir Sylvia aus den Gedanken schlagen, Gell.
Sich Gedanken über etwas machen, darüber bekümmert seyn. 3)
Von einer ganzen Reihe zusammen hängender Vorstellungen, für Betrachtung, und
deren schriftlicher Aufsatz. Die letzten Gedanken sind immer reifer als die
ersten. Ich hatte allerley Gedanken darüber. Sterbensgedanken. Gedanken über
den zwischen Rußland und der Pforte geschlossenen Frieden. 4) Von der
Vorstellung einer künftigen Sache als wahrscheinlich, auch nur im Plural;
besonders von einer angenehmen, für Hoffnung. Er macht sich die Gedanken, er
werde das Amt erhalten. Seine Gedanken sind ihm fehlgeschlagen. In ihren
Gedanken ist sie schon gnädige Frau. 5) Von der Vorstellung einer Absicht, für
Entschließung, Vorhaben; gleichfalls nur im Plural. Friedensgedanken,
Kriegesgedanken haben. Ich gehe mit den Gedanken um zu verreisen. Diese
Gedanken sind mir vergangen. Gott erhalte ihn bey diesen Gedanken! Bleib bey
den Gedanken, du wirst wohl dabey fahren, Gell. In der Deutschen Bibel wird es
auch mehrmahls von sinnlichen Begierden gebraucht. 6) Die ersten Ideen, welche
der Künstler auf das Papier entwirft, in der Zeichenkunst und Mahlerey. Anm.
Dieses Wort lautet um das Jahr 790 Gidachtdi, gleichsam Gedächte, aber schon
bey dem Kero Kedanc, Kidancha, bey dem Ottfried Githang, bey dem Willeram
Gedank, im Angelsächsischen Gedhanc. Im Isidor bedeutet Chidanc den Verstand.
Das einfache Dank, welches auch noch in dem Schwedischen Thanke und
Niedersächsischen Dank vorhanden ist, ist auch im Oberdeutschen nicht selten.
Die Nacht hett er manchen Dannck Theuerd. Kap. 68. In solchen
Dannkchen reyt er weg, ebend.
Ottfried gebraucht dafür auch Thahti. In einigen, besonders
Oberdeutschen Gegenden, ist dieses Wort weiblichen Geschlechtes, die Gedanke.
S. Denken und Gedenken. [
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