Geben
Geben,
[
445-446] verb. irreg. ich gebe, du
gibst, er gibt, Conjunct. ich gebe; Imperf. ich gab, Conjunct. ich gäbe;
Mittelw. gegeben; Imperat. gib. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein
Activum, welches die dritte Endung der Person erfordert. 1. Eigentlich,
darreichen, in die Hand reichen, als ein allgemeiner Ausdruck, der das
Eigenthum an und für sich unentschieden lässet, von der körperlichen
Überreichung. Gib mir das Buch. Einem zu trinken geben. Seinem Freunde die Hand
geben. ich habe ihm das Geld schon gegeben. Geld für die Waare, Waare für Waare
geben. Ich habe zehen Thaler dafür gegeben. So viel gebe ich nicht dafür.
Steuern und Gaben geben. Den Bedienten ihren Lohn Geben. Einem etwas in die
Hand geben. Ich habe zehen Thaler darauf gegeben, als ein Angeld. Den Zehenten
geben. Einem ein Geschenk, etwas zum Geschenke geben. Den Armen ein Almosen
geben. Dem Viehe sein Futter, dem Gläubiger ein Pfand geben. Unser täglich Brot
gib uns heute. Einem etwas unter den Fuß geben, figürlich, es ihm heimlich
anrathen, ihm heimlich Nachricht davon ertheilen. Ich kann es dafür, für den
Preis, nicht geben, nicht weggeben. Wenn geben für angeben stehet, so wird
statt des Datives der Person die Präposition an gebracht. Von dem Gewinste fünf
von Hundert an das Waisenhaus geben. Ich habe den Brief an deinen Bruder
gegeben. In weiterer Bedeutung auch von andern Arten, sich einer Sache zu
entledigen. Die Speisen wieder von sich geben, durch das Erbrechen. Besonders
wenn die Sache einem andern übertragen wird. 2. Figürlich, wo dieses Wort in
sehr vielen Fällen und oft mit allerley Nebenbegriffen gebraucht wird, davon
die vornehmsten etwa seyn möchten. 1) Unentgeldlich geben, schenken. Er gibt
nicht gerne. Einen Ball, einen Schmaus geben, auf seine Kosten veranstalten.
Seine Habe den Armen geben. 2) Das Eigenthum, oder den Gebrauch einer Sache
einem andern übertragen. Einem ein Land zu regieren geben. Einem seine Tochter
zur Frau geben. Dem Kinde einen Nahmen geben. 3) Mittheilen, auch von
unkörperlichen Dingen. Einem einen guten Rath, einen Anschlag, gute Lehren,
heilsame Ermahnungen geben. Einem Unterricht in den schönen Wissenschaften
geben. Einem eine Stunde auf dem Claviere geben, d. i. stundenweise Unterricht
auf dem Claviere ertheilen. Sie gab ihm einen Kuß. Einem einen Verweis, einen
Schlag, eine Ohrfeige, derbe Prügel geben. Er gab mir einen Wink mit den Augen.
Einem Nachricht von etwas geben. Gott hat dir vielen Verstand gegeben. Einem
ein Amt geben. Einem Macht, Gewalt, Recht z etwas geben. 4) Hervor bringen,
entstehen lassen, die Ursache einer Wirkung seyn, in vielen mehrentheils
bereits eingeführten Fällen, die man nicht nach Gutdünken vermehren darf. Einem
lose Worte geben, lose Worte gegen ihn hervor bringen. Ich habe ihm die besten
Worte von der Welt gegeben.
So viel ich euch auch gute Worte gab, Gell.
Geben sie mir die Ehre ihres Besuchs. Ich gebe mir die Ehre.
Er weiß sich ein rechtes Ansehen zu geben. Gib mir immer den erquickenden
Trost, daß ich dich bald freudiger wieder sehen werde, Weiße. Gott gebe es!
Gott gebe, daß ich ihn wieder sehe! Einem Hause Licht geben. Dem Hause zehen
Ellen Tiefe geben. Er kann keinen Laut von sich geben. Einem etwas zu thun, zu
rathen geben. Er gab mir keine Antwort. Einen Leibeigenen frey geben.
Gelegenheit, Anlaß zu etwas geben. Einem ein Ärgerniß geben, eine unrechtmäßige
Handlung vornehmen, welche zu Veranlassung solcher Handlungen bey andern
eingerichtet ist. Ein gegebenes Ärgerniß, zum Unterschiede von einem
genommenen. Seinen Kindern eine gute Erziehung geben. Alles das gibt mir kein
Vergnügen. Dem Holze eine Gestalt geben. Die Wollust, welche der Wein gibt,
rauschet schnell vorüber. Das wird einen artigen Spaß geben. Einem etwas zu
lesen, zu verstehen, zu erkennen, zu vernehmen geben. Ein Wort gab das andere,
veranlassete das andere. Gott, gib uns einen sanften Regen. Gott, ist es, der
uns Frieden geben muß. Seinen Segen zu etwas geben. Rechenschaft von etwas
geben. Einem ein gutes Beyspiel geben. Sich eine fromme Miene geben, sie
annehmen. Und so in vielen andern Fällen mehr, welche aus dem Gebrauche
erlernet werden müssen. 5) Verstatten. Einem Erlaubniß zu etwas geben. Ich will
ihm noch acht Tage Frist, Bedenkzeit geben. Ich habe ihm Zeit genug dazu
gegeben. Dem Sauerteige Zeit zur Gahre geben. Einem Gehör geben, ihn anhören.
6) Sein Wort von sich geben, sich wörtlich zu etwas anheischig machen. Sie hat
endlich ihr Ja von sich gegeben. Einem sein Wort geben, ihm etwas feyerlich
versprechen. Einem seine Stimme geben, für ihn, zu seinem Besten stimmen. Ich
habe meine Einwilligung noch nicht dazu gegeben. Seine Gedanken von sich geben,
sie andern bekannt machen. Er kann es nicht von sich geben, kann seine Gedanken
andern nicht verständlich machen. 7) Sich Mühe geben, Mühe anwenden. Ich weiß
nicht, warum ich mir seinetwegen so viele Mühe gebe, Gell. Er gibt sich viel
Mühe um dich, ebend. Geben sie sich keine Mühe, mir die Gefahr geringe zu
machen. Acht geben, aufmerksam seyn. Geben sie Acht, es wird alles gut gehen.
8) Einem Recht, Unrecht geben, sagen, daß er Recht, Unrecht habe. Geben sie ihm
nur in allem Recht, so haben sie Ruhe vor ihm. Ich gebe ihr funfzig Jahr, ich
behaupte, vermuthe, daß sie funfzig Jahre alt ist. Ich gebe ihm höchstens noch
zwanzig Jahr, glaube, daß er höchstens noch zwanzig Jahre leben könne. Etwas
verloren geben, es für verloren halten. Einem alle Schuld geben, behaupten, daß
er alle Schuld habe. 9) Sich zufrieden geben, zufrieden werden, sich beruhigen.
Gib dich nur über deinen Irrthum zufrieden.
Ich werde mich nicht eh zufrieden geben, Als bis diesen Wunsch
erfüllt, Gell.
Sich bloß, seine Schwäche sehen lassen, sich verrathen.
[
447-448] 10) Sich geben, nicht mehr Widerstand leisten,
nachgeben. Sie wird sich schon noch geben. Sie zankten sich noch lange Zeit,
und weil sich keiner wollte, u. s. f. Lichtw. Das wird sich schon geben, wird
schon vorüber gehen, unsern Wünschen gemäß erfolgen. Das gibt sich schon von
sich selbst. Das Tuch gibt sich, läßt sich dehnen, gibt nach. Dahin gehöret
auch die im gemeinen Leben übliche figürliche R. A. er wird es schon näher
geben müssen, er wird schon biegsamer werden, von seinen Forderungen schon
nachlassen müssen. 11) Ein Französisches Wort durch ein Deutsches geben, d. i.
übersetzten. Dieses Wort kann nicht so gegeben, d. i. übersetzt, oder durch ein
anderes erkläret, werden. Ich will es kurz geben, ausdrucken. Das war sehr gut
gegeben. 12) Verfertigen, besonders von Schriften, ausfertigen; in welchem
Verstande das Mittelwort gegeben noch zuweilen der Zeit der Ausfertigung einer
Schrift, Vorrede oder Briefes beygefüget wird. Gegeben zu Berlin den 4. May
1774, d. i. geschrieben. Daher das Datum eines Briefes oder einer Schrift im
Oberdeutschen auch die Gabe genannt wird. 13) Zwey Personen zusammen geben, im
gemeinen Leben, sie copuliren, ehelich verbinden.
Laßt euch - - von des Priesters Hand - - Ganz still zusammen
geben, Gell.
II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben; in den meisten
Fällen gleich falls mit dem Accusativ, obgleich das Verbum im Passivo nicht
gebraucht werden kann. 1) Die Bäume geben gute Balken, wenn gute Balken daraus
bereitet werden können. Die Garben geben dieses Mahl wenig Getreide. Die Bäume
geben vieles Obst. Frisches Getreide gibt mehr Mehl als das alte.
S. Ergiebig. 2) Abgeben, d. i. seyn oder seyn können;
eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche noch im Oberdeutschen üblich
ist. Er gibt einen guten Soldaten. Er hat einen artlichen Poeten gegeben.,
Opitz.
Die Kinder sollen Waisen geben, Sein Weib im Wittwenstande
leben, ebend.
S. Abgeben. 3) * Die Flucht geben, das Reißaus geben,
die Flucht nehmen, ergreifen; zwey im Hochdeutschen gleichfalls veraltete
Ausdrücke, wovon der erste in der Deutschen Bibel vorkommt. 4) Er gibt nichts
auf meine Worte, läßt sich nicht dadurch bewegen, achtet sie nicht, folget
ihnen nicht.
Die nichts durchaus auf dein Gesetz geben, Opitz.
Er gibt nichts, weder auf mich, noch auf meine Befehle. Also
gibst du auf meine Treue und Beständigkeit gar nichts? Weiße. Auf diese Tugend
habe ich niemahls viel gegeben. ebend. ich habe sie niemahls sehr geschätzet.
5) Geschehen, entstehen, im gemeinen Leben, und nur in einigen Fällen; auch nur
als ein unpersönliches Zeitwort. Was gibt es? was gehet vor? was für ein Lärm
ist entstanden? Es hat einen rechten Zank gegeben, im gemeinen Leben. Sagen sie
mir doch, was es gegeben hat. Was gibts denn für ein Geschrey? Es wird gewiß
wieder etwas geben, es wird gewiß wieder ein Streit, ein Lärm entstehen. Gibts
nichts Neues? Was gibts Neues?
S. Begeben. 6) Da seyn, vorhanden seyn; als ein
Impersonale. Künste, bey denen es Grundsätze und wissenschaftliche Regeln gibt.
Es gibt der gottlosen Leute zu viel, Gell. Der Gegenstände, die zum äußern
Glücke gehören, gibt es eine große Anzahl, ebend. Ach, gibt es für mich noch
einen heitern Himmel und eine sanfte Luft? Weiße. O klage nicht, es gibt noch
edle Seelen, Gell. Dahin gehören auch die R. A. [
449-450] mit einigen Gerundiis. Hier gibt es was zu lachen, was zu sehen, was
zu verdienen, was zu gewinnen u. s. f. hier findet sich, oder ist etwas zu
lachen, zu sehen u. s. f. 7) Erhellen machen. Das gibt schon die gesunde
Vernunft, läßt sich aus der gesunden Vernunft begreifen. Sein Gesicht gibt es
schon, daß er ein Betrieger ist. Der Augenschein gibt es. Der Brief gibt es,
aus dem Briefe erhellet es. Anm. Statt des Hauptwortes die Gebung, ist das
Abstractum die Gabe, ingleichen das Geben üblich. Das Geben hat kein Ende.
Dieses Zeitwort lautet bey dem Kero keban, im Imperat. kib, im Isidor gheban,
in der ersten Person des Präsens ghibu, im Tatian ih gibu, bey den Ottfried im
Imperf. ih gap, im Nieders. geven, im Holländ. gheven, im Angels. gifan, im
Engl. to give, im Dän. give, im Schwed. gifwa, im Isländ. gifva, bey dem
Ulphilas giban, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - . Es stammet ohne Zweifel von dem alten Gaff, die hohle Hand her,
welches noch im Oberd. Gaufe lautet;
S. Gäspe. Da die meisten verwandten Sprachen in der
ersten Sylbe ein i haben, so rühret es daher, daß auch im Hochdeutschen die
zweyte und dritte Person des Präsens du gibst, er gibt, und der Imperativus gib
lautet. Ja im Österreichischen sagt man auch in der ersten Person des Präsens
ich gib. Es fragt sich nur, ob dieses i geschärft, oder ob es gedehnt ist, und
in diesem letztern Falle giebst, giebt, gieb geschrieben und gesprochen werden
müsse. Für das ie scheinet die Regel zu streiten, daß das gedehnte e, welches
in geben wirklich vorhanden ist, auch in ein gedehntes i oder ie verwandelt
werden müsse, so wie man von sehen du siehest, von stehlen du stiehlst, von
befehlen du befiehlst sagt. Allein, daß diese Regel nicht allgemein ist,
erhellet auch aus den Zeitwörtern treten und nehmen, welche gleichfalls ein
gedehntes e haben, und doch ein geschärftes i bekommen, du trittst, er nimmt.
Diese Regel entscheidet hier also nichts. Über dieß hat die alte Form giben,
oder gibben, von welcher gibst, gibt und gib Überbleibsel sind, in den meisten
verwandten Sprachen ein kurzes i, wie das Schwed. und Isländ. gifva, das Engl.
und Dän. give. Da nun auch die meisten und richtigsten Mundarten in den jetzt
gedachten Fällen, alle aber im Imperative ein kurzes i deutlich hören lassen,
so sehe ich nicht ein, warum man bey den wenigen gedehnten Mundarten, welche
giebst und giebt schreiben und sprechen, folgen wollte, ungeachtet sich auch
Gottsched für diese letztere erklärete. [
449-450]