Der Gang
Der Gang,
[
399-400] des -es, plur. die Gänge, das
Abstractum von dem Zeitworte gehen. I. Die Handlung des Gehens, oder der
Veränderung des Ortes vermittelst der Füße; ohne Plural. 1. Eigentlich. Erhalte
meinen Gang auf deinen Fußsteigen, Ps. 17, 5. Daß, wenn du gehest, dein Gang
dir nicht sauer werde, Sprichw. 4, 12.
Mir wird die Pause selbst zu lang, Drum förderte ich meinen
Gang, Michael.
Am häufigsten in den Zusammensetzungen, Kirchgang, Ausgang,
Abgang, Aufgang, Durchgang u. s. f. 2. Figürlich. 1) Den Gang auf den Wald
verrichten, im Nürnbergischen, die Aufsicht darüber führen. 2) Bewegung eines
leblosen Körpers. Eine Uhr, eine Mühle, in den Gang bringen. Stockende Säfte in
dem menschlichen Körper wieder in den Gang bringen. Dahin auch die
Zusammensetzungen, Blutgang, Stuhlgang, Ausgang, Aufgang, Durchgang u. s. f.
gehören. 3) Die Fortsetzung, der Erfolg einer Sache. Einer Sache ihren Gang
lassen, wofür auch das Wort Lauf üblich ist. 4) Eine Mode, eine Waare in den
Gang bringen, machen, daß sie Abgang finde. Die Blattern sind jetzt im Gange,
grassiren. Die Aufmerksamkeit im Gange erhalten, sie thätig erhalten. II.
Besonders in Rücksicht auf die Art und Weise, wie man gehet; auch ohne Plural.
1. Eigentlich. Ich kenne ihn an seinem Gange. Ein langsamer, flüchtiger,
träger, schläfriger, nachlässiger Gang.
Ihr, rief er, hinkt, ich aber nicht, Den Gang müßt ihr euch
abgewöhnen, Gell.
Der Gang zeiget den Mann an, Sir. 19, 27. Das Pferd hat einen
sanften, einen schweren Gang. 2. Figürlich. 1) Die Art und Weise zu denken und
zu handeln. Ein jeder gehet seinen Gang. Der Gang des menschlichen Geistes. Der
eigenthümliche Gang seiner Gedanken. Die Dichtkunst ist eine Nachahmerinn der
Natur; ein wenig Aufmerksamkeit auf den Gang dieser großen Lehrerinn würde uns
zeigen, wie sie mit den Leidenschaften verfahret, Dusch. Besonders, 2) in der
biblischen Schreibart, die menschlichen Handlungen in Ansehung ihrer sittlichen
Beschaffenheit; wo auch der Plural von mehrern Handlungen üblich ist. Es stehet
in niemandes Gewalt, wie er wandle oder seinen Gang richte, Jer. 10, 23. Es ist
kein Recht in ihren Gängen, Es. 59, 8. Jedermanns Gänge kommen vom Herrn,
Sprichw. 20, 24. 3) Die Art und Weise der Fortsetzung, des Fortganges einer
Sache. Der Prozeß, die Sache gewinnet einen ganz andern Gang. III. So viel als
man auf Ein Mahl, bis zu einer Pause, oder bis zur Erreichung eines Zieles
gehet. 1. Eigentlich. 1) In der weitesten Bedeutung, die Handlung des Gehens
bis zu einem gewissen Ziele. Ich will einen Gang zu meinem, Bruder thun. Ich
habe noch einen sauern Gang vor mir. Einem Arzt seine Gänge bezahlen. Viele
vergebliche Gänge thun müssen. Im gemeinen Leben höret man hier auch zuweilen
das Diminut. Gängelchen und im Nieders. Gängsken. Der Hund thut Gänge, bey den
Jägern, wenn er läuft. Das Wildbret mach Gänge, wenn es oft hin und her gehet.
Der Gang eines Wildbrets von dem Felde zu Holze. 2) In der engsten Bedeutung,
ein Schritt. Und da sie einher gingen mit der Lade des Herren sechs Gänge, 2
Sam. 6, 13. Denn du hast schon meine Gänge gezählet, Hiob. 14, 16; denn du
zählst jetzt meine Schritte, Michael. In diesem Verstande ist es unter andern
auch noch bey den Jägern üblich, wo Gang mehrmahls für Schritt gebraucht wird.
2. Figürlich. 1) Von Speisen, so viel deren auf Ein Mahl aufgetragen wird. Eine
Tafel von drey Gängen. Der Braten kam im zweyten Gange. 2) Im Fechten, die
Handlung des Fechtens bis zu einem Ruhepuncte. Drey Gänge mit jemanden thun.
Wir wollen einen Gang wagen. 3) Einige Gänge auf dem Claviere machen, ein Paar
Mahl die Scala auf und abspielen. 4) In den Mühlen, die Handlung, da das
Getreide und Mehl durch den Rumpf gehet, oder auf den Stein geschüttet wird.
Die Spitzkleye kommt von dem ersten, das Griesmehl von dem zweyten, das
Mittelmehl von dem dritten Gange. Nach einer noch weitern Figur, wird auch wohl
dieses Mehl selbst der Gang genannt, und da ist das Schrotmehl und die
Spitzkleye der erste Gang u. s. f. IV. Was da gehet, in einigen figürlichen
Arten des Gebrauches. So heißt bey den Mühlen das sämmtliche zu einem Mühlrade
gehörige Getriebe ein Gang. Eine Mühle von drey, von sechs Gängen. Bey den
Webern ist der Gang eine gewisse Anzahl Fäden in der Kette oder dem Aufzuge.
Einen Gang verschütten, wenn diese Fäden aus ihrem Geleise oder aus ihrer
Richtung kommen. Bey den Perrückenmachern heißen die Haare, welche man auf Ein
Mahl um die drey Fäden herum schlinget, ein Gang, Franz. Passee.
S. auch das zusammen gesetzte Abgang. V. Der Ort, wohin
man gehet, in einigen im gemeinen Leben üblichen Arten des Ausdruckes. Ich weiß
seine Gänge schon. Seine Gänge gefallen mir nicht. Das ist sein Gang nicht,
dahin pfleget er nicht zu gehen. VI: Der Ort, auf welchem man gehet. 1.
Eigentlich. 1) In der weitesten Bedeutung, der Weg, worauf man gehet, gegangen
ist, oder gehen kann. Sein Strick ist gelegt in die Erden, und seine Falle auf
seinen Gang, Hiob. 18, 10; sein Fallstrick liegt in der Erde verborgen, und das
Fangeisen ist auf dem Fußsteige gestellet, Michael. Alle Gänge und Schliche in
einem Gebirge, in einem Walde wissen. Die Spur eines Marders heißt bey den
Jägern gleichfalls ein Gang. Dahin auch die Zusammensetzungen, der Zugang,
Ausgang, Eingang, Durchgang u. s. f. Ingleichen die Gänge in einem Garten, die
Wege, zum Unterschiede von den Beeten, Blumenstücken u. s. f. Ein bedeckter
Gang, Allee, ein Irrgang, Luftgang, Schattengang u. s. f. 2) In engerer
Bedeutung, derjenige Theil eines Gebäudes, ver- [
401-402] mittelst dessen man zu den Zimmern gelanget, welcher in großen
Pallästen auch eine Gallerie genannt wird. Ein Säulengang, der auf Säulen
ruhet. Ein Gang unter der Erde, ein unterirdischer Gang. Der Wallgang u. s. f.
2. Figürlich. 1) Die Gewinde einer Schraube, oder die Vertiefungen, welche um
ihre Spindel geführet werden, führen gemeiniglich auch den Nahmen Gänge. 2) Die
Röhren und Canäle, in welchen sich ein flüssiger Körper beweget, besonders in
den Körpern der Thiere und Pflanzen. Der Gallengang, Saftgang, Wassergang u. s.
f. Der natürliche Gang, Matth. 15, 17, durch welchen die Excremente ausgeworfen
werden. 3) Im Bergbaue sind Gänge diejenigen Räume im Gebirge, welche in die
Länge und Tiefe fortdauern, und mit Erz oder Mineralien ausgefüllet sind; zum
Unterschiede von den Flötzen, Stockwerken, Nestern u. s. f. Diese Gänge werden
im gemeinen Leben oft Adern genannt, weil sie den Blutadern in der Ausdehnung
in die Länge ähnlich sind. Ein streichender Gang, der innerhalb seiner Gränzen
seine Richtung gegen eine gewisse Weltgegend beobachtet. Das Streichen des
Ganges, dessen Richtung nach einer gewissen Himmelsgegend. Der Gang wirft einen
Bauch, wenn er sich in dieser Richtung krümmet. Das Fallen der Gänge, ihre
Richtung gegen den Horizont. Ein fallender Gang, der sich nach dem Horizonte
neiget, zum Unterschiede von den schwebenden und gestürzten Gängen. Ein
stehender Gang, ein fallender Gang, welcher senkrecht in die Tiefe gehet; ein
donleger Gang, der sich zwischen dem 10ten und 80sten Grade unter den Horizont
neiget. Ein schwebender Gang, der eine horizontale Richtung hat. Ein gestürzter
Gang, der bald auf bald nieder steiget. Nach einer noch weitern Figur werden
auch die in solchen Gängen befindlichen Erze und Mineralien Gang und Gänge
genannt. 4) Eine Reihe aufgestellter Klebgarne, welche auch eine Wand genannt
wird, heißt bey den Jägern gleichfalls ein Gang. Anm. Dieses Wort lautet schon
bey dem Ulphilas Gagg (sprich Gang,) bey dem Ottfried und Notker Gang, bey dem
Stryker Ganch, im Schwed. und Nieders. Gang, im Pohln. Ganck. Notker gebraucht
es auch für einen Schritt. [
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