3. Fahren
3. Fahren,
[
15-16] verb. irreg. ich fahre, du
fährest oder fährst, er fähret oder fährt u. s. f. Imperf. ich fuhr, Conj. ich
führe; Mittelw. gefahren. Es ist in doppelter Gattung üblich. I. Als ein
Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, sich bewegen, den Ort verändern. 1. In der
eigentlichen und weitern Bedeutung. 1) Sich bewegen, oder beweget werden, ohne
allen Nebenbegriff; doch nur noch in einigen Fällen. Mit der Hand auf dem
Tische hin und her fahren. Daß der Kasten auf dem Gewässer fuhr, 1. Mos. 7, 18.
In den Rechten ist noch die fahrende Habe für bewegliche Güter üblich, im
Gegensatze der unbeweglichen, in welcher Bedeutung dieses Wort schon alt ist.
Die Farunde habe unterscheidet schon Stryker und Schwabenspiegel von dem Erbe
und Eigen. Min varnde gut und eigens vil, Walth. von der Vogelweide.
S. Fahrniß. 2) Mit dem Nebenbegriffe der Wirkung, oder
einer vorgesetzten Handlung, welcher Gebrauch in der Deutschen Bibel häufig,
außer dem aber wenig vorkommt. Wo du mit deinem Messer über den Altar fährest,
2 Mos. 20, 25. Du sollst die Bäume nicht verderben, daß du mit den Äxten daran
fahrest, 5 Mos. 20, 19. Kein Scheermesser soll über sein Haupt fahren, 4 Mos.
6, 5. 3) Mit dem Nebenbegriffe der Geschwindigkeit, eine schnelle und
gemeiniglich unerwartete Bewegung anzudeuten, so wohl von lebendigen als
leblosen Dingen. Ich möchte aus der Haut fahren, ein im gemeinen Leben üblicher
Ausdruck der Ungeduld. Vor Schrecken zurück fahren, zusammen fahren, uuidorort
faran bey dem Ottfried. Aus dem Bette fahren. Der böse Geist ist in ihn
gefahren. Mit der Hand in die Schüssel fahren. Der Blitz fuhr aus den Wolken.
Die Art ist vom Stiele gefahren. Der Spieß fuhr in die Wand. Es ist mir durch
alle Glieder gefahren, sagt man im gemeinen Leben von einem großer Schrecken.
Die ganze Gesellschaft fuhr (griff schnell) nach den Gläsern, Raben. Die
schnellen Flügen der Zeit fahren mit dem Strahle des Lichts in die Wette,
Dusch. Bey den Jägern fährt der Hase, wenn er sich auf den Hinterläuften
schnell fortbewegt. Der Strick fuhr mir aus der Hand. Das Seil fahren lassen,
aus der Hand. Auch figürlich mit dem Zeitworte lassen, sich einer Sache
begeben, ihrem Besitze, ihrem Genusse entsagen. Laß fahren, was nicht bleiben
will. Ich will den Gewinnst fahren lassen. Lassen sie das Geld fahren. Die
Sorgen, den Kummer fahren lassen, sich desselben entschlagen. Rede ihr doch zu,
daß sie ihren Eigensinn fahren lässet, Gell. ihn ableget. Wenn sie Julchen
wollen fahren lassen, ebend. Laß diese Gedanken fahren. Die Gelegenheit fahren
lassen, entwischen lassen. Nur die häufigen biblischen Ausdrücke, Gottes
Gebothe, Gott, Gottes Rath, das Gesetz, die Zucht u. s. f. fahren lassen, sie
verlassen, hintan setzen, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. 4) In engerer
Bedeutung, sich wohin begeben, den Ort verändern, reisen, von Menschen, ohne
allen Unterschied der Art und Weise. In dieser nur noch in einigen Fällen
üblichen Bedeutung stehet es, (a) für gehen. Furifare, vorüber gehen, Kero.
Then uueg si faran scolton, Ottfr. Ich faru dhir fora, ich gehe vor dir her,
Isid. In der Schweiz fahren die Sennen oder Hirten noch zu Alp, wenn sie mit
ihrer Herden auf die Alpen ziehen, und die Bergleute gebrauchen fahren in
dieser Bedeutung beständig, sie mögen nun auf einer horizontalen Fläche gehen,
oder in die Gruben und aus denselben steigen. Fahret nicht hoch her, tretet
nicht stolz einher, Luc. 12, 29. (b) Für reiten. Tho komi er gevaren uf sineme
marche, Fragm. de bello Caroli. Er siehet aber Reiter reiten, und fahren auf
Rossen, Eseln und Kamelen, Es. 21, 7. Welche Bedeutung aber im Hochdeutschen
völlig veraltet ist. (c) Für reisen.
Mit vrlob wil ich hinnan varn Vnd scheiden von dem lande, Graf
Wernh. v. Hohenberg.
Zeug hinauf, und fahre glückselig, 1 Kön. 22, 12, 15. Auch
diese Bedeutung ist im Hochdeutschen ungewöhnlich, obgleich faran bey dem
Ulphilas, fara im Schwed. und to fare im Engl. gleichfalls reisen bedeuten. Nur
die Handwerksbursche pflegen ihr Reisen und Wandern noch ein Fahren zu nennen.
S. auch Wallfahrt. Mit einem verächtlichen Nebenbegriffe
ist es in diesem Verstande im Oberdeutschen sehr gewöhnlich, für herum
streifen. Ein fahrender Bettler, Ritter, Musikant u. s. f. der im Lande herum
ziehet und keine gewisse Stätte hat. Ein Landfahrer, ein Landstreicher. Im
Angels. Farandmanni pede pulver osi, Fremdlinge, Ausländer, und die Faramanni
in dem alten Burgund bey dem Du Fresne sind vielleicht auch nichts anders,
obgleich Ihre sie für eine Art von Lohnbauern hält, weil fara im Schwedischen
auch den Acker bauen bedeutet. Die fahrende Wuth der Hunde, wobey sie in der
Wuth so lange herum laufen, bis sie umfallen; im Gegensatze der fallenden.
Hierher gehören auch (d) die biblischen Redensarten, wenn von Gott gesagt wird,
er fahre auf dem Cherub, auf den Wolken u. s. f. (e) Ingleichen die gleichfalls
biblischen Ausdrücke. Gen Himmel fahren. Zur Hölle fahren, welches nur von
Christo gebraucht wird, dagegen man von lasterhaften Menschen in die Hölle
fahren, und im härtesten Ausdruck, zum Teufel fahren, sagt. Aus dieser Welt
fahren, gemeiniglich in einem bedenklichen Verstande wegen des künftigen
Zustandes des Verstorbenen. In der Stelle, Herr, nun lässest du deinen Diener
in Frieden fahren, stehet es absolute für sterben, so wie fara im Schwedischen
umkommen bedeutet, womit auch das Latein. perire überein stimmet.
S. Verfahren. 5) In noch engerer Bedeutung, welche aber
im Hochdeutschen die gewöhnlichste ist. (a) Den Ort auf einem Fahrzeuge und
Fuhrwerke, d. i. auf einem Schiffe, Kahne, Wagen, Karren, Schlitten u. s. f.
verändern. Auf einem Schiffe, Kahne, Wagen, Schlitten fahren. In den Wald, ins
Feld, oder auf das Feld, in die Stadt, über Land, auf das Dorf, an den Hof
fahren. Er kam mit vier Pferden in die Stadt gefahren. Wir sind heute spazieren
gefahren, in welcher Redensart dieses Zeitwort, so wie gehen und reiten, den
bloßen Infinitiv vor sich hat. Irre fahren, sich im Fahren verirren. Den
nächsten Weg fahren, im Oberd. des nächsten Weges. Sich müde fahren, von langem
Fahren müde werden. Die fahrende Post, im Gegensatze der reitenden. Über einen
Fluß fahren, mit einem Schiffe, Kahne, u. s. f. An das Land, an das Ufer
fahren. Von dem Lande, von dem Ufer, auf die hohe See fahren. Der Schiffe ist
auf den Grund gefahren, ist mit dem Schiffe auf den Grund gerathen. Von dem
Fahren auf und mit großen Schiffen ist indessen segeln und zuweilen auch
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17-18] schiffen üblicher. Auch gebraucht man dieses
Zeitwort von Schlittschuhen und Schubkarren. Auf Schlittschuhen fahren. Mit dem
Schubkarren in die Stadt, zur Stadt fahren, ob er gleich nur geschoben wird. In
einigen Fällen ist es auch von Personen üblich, wenn sie mit Seilen in die Höhe
gezogen werden. So fährt der Schieferdecker auf den Thurm.
S. Fahrsessel 2. 2. Figürlich. 1) * Fortschreiten, von
Reden; ein jetzt ungewöhnlicher Gebrauch. Darum wollen wir die Lehre - jetzt
lassen, und zur Vollkommenheit fahren, Ehr. 6, 1. 2) * Ziehen; eine gleichfalls
veraltete Bedeutung, welche nur noch bey den Tuchscherern vorkommt, welche das
Schrauben, d. i. wenn sie die große Schraube der Presse zuziehen, fahren
nennen.
S. auch Fahre. 3) Von einem schnellen Ausbruche der
Rede. Ey! fuhr der Koch heraus, u. s. f. Lichtw. Einem über das Maul fahren, in
der niedrigen Sprechart, ihm trotzig, gebieterisch antworten. 4) Jemanden durch
den Sinn fahren, seinem Eigensinne freymüthig widersprechen. Aber die
biblischen Ausdrücke: er (Gott) fähret über mich mit Ungestüm, Hiob 9, 17. Du
hast Menschen lassen über unser Haupt fahren, Ps. 66, 12. sind ungewöhnlich. 5)
Handeln, wirken; so wohl (a) * überhaupt, eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung. Lose mich fone unrechto farenten, Notk. erlöse mich von denen,
welche Böses thun.
Wolt ihr euch vor Krieg bewaren So müst ir nach meim rat
faren, Theuerd.
So verkündiget er ihnen, was sie gethan haben, und ihre
Untugend, daß sie mit Gewalt gefahren haben, Hiob 36, 9; wo das Hülfswort haben
bemerket zu werden verdienet. Wer ohne Furcht fähret, der gefällt Gott nicht,
Sir. 1, 28. Gottes Geboth lehret klüglich fahren in allem Handel, Kap. 19, 18.
Als auch (b) * in Ansehung der Art und Weise, wie man Personen und Sachen
behandelt; ein gleichfalls veralteter Gebrauch. Mit einer Sache grob fahren,
sie grob behandeln, im Oberdeutschen. Fahret säuberlich mit dem Knaben, 2 Sam.
18, 5. Warum willt du mit deinen Knechten also fahren! 2 Mos. 5, 15. Dieweil
wir denn wissen, daß der Herr zu fürchten ist, fahren wir schön mit den Leuten,
2 Cor. 5, 11. wir begegnen ihnen glimpflich.
S. Mitfahren, Fortfahren und Verfahren, welche diese
Bedeutung des Handelns noch aufbehalten haben. Im Schwed. bedeutet fara
gleichfalls agere, und das Latein. facere, woraus das Ital. fare und Franz.
faire geworden sind, scheinen mit unserm Worte aus Einer Quelle hergeflossen zu
seyn. 6) Wohl oder übel bey oder mit einer Sache fahren, seinen Zustand durch
dieselbe verbessern oder verschlimmern, in der vertraulichen Sprache des
Umganges. Ich bin sehr wohl, sehr gut bey diesem Kaufe gefahren. Bleib bey den
Gedanken, du wirst wohl dabey fahren, Gell. Ein Mann wird recht gut mit ihnen
fahren, wenn sie diesen Fehler ablegen wollen, ebend. 7) * Geschehen. So fare
iz, so geschehe es, Notk. eine völlig veraltete Bedeutung, wovon das Zeitwort
Widerfahren noch ein Überrest ist. Wer weiß, ob hierin nicht die Abstammung des
Latein. fieri und des Deutschen werden liegt? 8) * Leben; ein eben so unbekannt
gewordener Gebrauch, der indessen noch in dem Englischen fare, und in den
Deutschen Wörtern Verfahren, für sterben, Vorfahrer und Nachfahrer übrig ist.
II. Als ein Activum, welches folglich das Hülfswort haben bekommt. Auf einem
Fahrzeuge oder auf einem Fuhrwerke von einem Orte zum andern bringen, wofür im
Oberdeutschen führen üblich ist. Reisende, Waaren über einen Fluß, über eine
Meerenge fahren, auf einer Fähre, einem Kahne oder Schiffe.
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Allein an Leuten eurer Art, Die stolze Polyhistor waren, Hab
ich mich schon bald lahm gefahren,
sagt Charon zum Polyhistor beym Gellert. Fremde nach Dresden
fahren, auf einem Wagen. Der Fuhrmann fährt gut. Holz zur Stadt, in die Stadt
fahren. Zuweilen auch mit einigen Ellipsen. Holz fahren, anfahren, aus dem
Walde hohlen, oder in die Stadt fahren. Steine fahren. Mist fahren, auf das
Feld führen. Anm. Das Hauptwort die Fahrung ist nur in einigen
Zusammensetzungen üblich; doch pflegen die Bergleute ihr Aus- und Einfahren,
ingleichen den Fahrschacht, eine Fahrung zu nennen. Im Niedersächsischen lautet
dieses Wort so wohl im Activo als Neutro faren, und in einigen Gegenden färje.
Das Latein. varare, überfahren, und das mittlere Lat. ferire, fahren, kommen
genau damit überein. Auch das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - scheinet hierher zu gehören, zumahl da in der Lakonischen Mundart
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - einen Fuß bedeutet.
Fahren und fern, Engl. far, scheinen genau verwandt zu seyn, aber welches von
beyden das Stammwort ist, bleibt bey einem so hohen Alterthume beyder Wörter
unentschieden. Außer den schon angezeigten veralteten Bedeutungen kommt sih
faren bey dem Ottfried auch für sich verändern vor, welches uns auf das Latein.
varius führet. Ehedem bedeutete es auch pflügen,
S. Fahre, Fahrt 1. und Furche.
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17-18]