Fallen
Fallen,
[
27-28] verb. irreg. Neutr. welches
das Hülfsw. seyn erfordert. Ich falle, du fällst, er fällt; Imperf. ich fiel;
Mittelw. gefallen. Es druckt überhaupt diejenige Bewegung aus, nach welcher ein
Körper seine Schwere schnell nach dem Mittelpunkte der Erde zu getrieben wird.
I. In eigentlicher und weiterer Bedeutung. 1. Überhaupt, durch seine Schwere
schnell aus einem höhern Orte in einen niedrigern getrieben werden. Ein
schwerer Körper fällt alle Mahl nach einer senkrechten Linie. Die Äpfel, die
Blätter fallen im Herbste von den Bäumen. Schon lassen die Bäume die welken
Blätter fallen. Die Tasse ist mir aus der Hand gefallen. Warum hast du das Buch
fallen lassen? Wenn die Sterne von Himmel fallen werden. Es fiel ein Ziegel von
dem Dache. Die Hoffnung ist mir in den Brunnen gefallen, figürlich in gemeinen
Leben, ist mir vereitelt worden. Das Unvorsichtige fiel in das Wasser und
ertrank. 2. Besonders, unpersönlich von Schnee, Hagel, Thau und starkem Regen,
wenn sie aus dem mittlern Gegenden der Luft auf die Oberfläche der Erde
gerathen. Es ist diesen Winter nur wenig Schnee gefallen. Es fiel ein
außerordentlich tiefer Schnee. Es fällt ein erquickender Thau. Es fiel ein
starker Regen, ein heftiger Hagel. 3. In engerer Bedeutung, von stehenden und
sitzenden Körpern, wenn sie auf Antrieb ihrer Schwere plötzlich in den Stand
des Liegens gerathen. Der Reiter ist vom Pferde gefallen. Das Kind fiel auf
ebener Erde. Eli fiel von dem Stuhle und brach den Hals. Über einen Stein
fallen, über andere hinfallen. Er fiel todt in meine Arme. Das Pferd stolperte,
fiel aber nicht. Die Häuser fielen zusammen, fielen über den Haufen, stürzten
ein. Doch gebraucht man von Gebäuden lieber einfallen, und von andern leblosen
Körpern, wenn fallen absolute stehen sollte, am häufigsten umfallen. Vor
Schrecken zu Boden fallen. Mit der Thür ins Haus fallen, im gemeinen Leben,
etwas ohne die nöthige Vorsicht, unbehuthsam zu erkennen geben. Auf den Kopf,
auf die Nase, auf die Stirn fallen, die Theile zu bezeichnen, welche im Fallen
am meisten gelitten haben. Mit dem Kopfe an die Wand, an die Mauer fallen, wo
im Oberdeutschen die Vorwörter gegen und wider üblich sind. In der Sprache des
täglichen Umganges gebraucht man dieses Wort von lebendigen Geschöpfen auch als
ein Reciprocum, folglich mit haben. Sich wund fallen, sich todt oder zu Tode
fallen, sich Löcher in den Kopf fallen. Er hat sich den Arm aus der Kugel, aus
dem Gelenke gefallen. In dem Ausdrucke die fallende Sucht, die Epilepsie zu
bezeichnen, vertritt das Neutrum fallen die Stelle des Activi fällen, eine
Krankheit zu bezeichnen, welche den Kranken plötzlich fallen machet, oder zu
Boden wirft. Indessen ist doch der Gebrauch des Neutrius in dieser Benennung
sehr allgemein. In Niedersächsischen heißt diese Krankheit de stortende Süke,
an andern Orten Fallsucht, im Dän. Faldsot, im mittlern Latein. cadiva insania,
cadiva guita, cadax passio. Die fallende Wuth der Hunde, wobey sie beständig
niederfallen, als wenn sie die fallende Sucht hätten; zum Unterschiede der
fahrenden Wuth. II. Figürlich, wo mit diesem Worte verbundenen Begriffe der
verminderten Höhe, der Geschwindigkeit, des Unerwarteten, des Unwillkührlichen,
eine Menge bildlicher Bedeutungen veranlasset haben, von welchen hier nur die
vornehmsten angeführet werden können. 1. So fern der Begriff der verminderten
Höhe der herrschende ist; im Gegensatze des Steigens oder Stehens. 1) An
körperlicher Höhe abnehmen. (a) Näher nach der Oberfläche der Erde zu sinken.
Das Quecksilber fällt in dem Barometer, der Spiritus in dem Thermometer, wenn
beydes näher nach der Kugel sinkt. Das Wasser fällt in den Flüssen, Teichen, in
dem Meere, u. s. f. wenn dessen senkrechte Höhe durch Abfluß oder Ausdünstung
vermindert wird. Der Nebel fällt, wenn er näher nach der Oberfläche der Erde
sinket. (b) Nach einer fortgesetzten Figur, sich von einem höhern Orte nach
einem niedrigern bewegen. So gebraucht man dieses Wort von Flüssen, wenn sie in
andere tiefer liegende Gewässer ausfließen. Der Main fällt in den Rhein, der
Rhein in die Nordsee. In der Mathematik siehet man bey dem Fallen des Wassers
mehr auf das Maß, um wie viel es sich von der angenommenen Horizontal-Linie
entfernet; doch sagt man alsdann lieber, das Wasser hat drey Fuß Fall oder
Gefalle, als es fällt um drey Fuß.
S. Fall und Gefälle. Im Bergbauen und gemeinen Leben
gebraucht man dieses Wort, (c) in noch weiterer Bedeutung, von der Richtung
einer jeden Fläche unter einen angenommenen Horizont. Der Gang fällt seiger, im
Bergbaue, erstreckt sich senkrecht in die Tiefe. Der Gang fällt donlege, gehet
schräge in die Tiefe. Fallende Gänge oder Linien, welche unter den angenommenen
Horizont niedersinken. Das Fallen der Gänge, oder ihr Fallendes, ihre Richtung
unter die Horizontal-Linie.
S. Steigen. Diese Bedeutung des Wortes fallen führet uns
auf die Abstammung des Latein vallis. 2) Von der Stimme und dem Tone. Das
Steigen und Fallen der Stimme, der Töne. Die Cadenz fällt aus dem Triller in
den Schlußton. Einige Sprachlehrer nennen diejenige Sylbe welche keinen Ton
hat, eine fallende Sylbe, im Gegensatze der steigenden, weil jene in der
Aussprache gleichsam hinunter sinkt. Die Stimme, den Ton fallen lassen, wo doch
sinken lassen üblicher ist. 3) Vermindert werden, am Preise, am Güte, an
innerer Stärke abnehmen. Die Preise steigen und fallen. Das Korn ist gar sehr
gefallen, d. i. im Preise, oder in Ansehung des Preises. Ich hoffe, daß diese
Waare bald noch mehr fallen wird. Sein Ansehen fällt, ist gar sehr gefallen.
Meine Liebe gegen dich ist sehr gefallen. Ich bitte sie recht sehr, lassen sie
deßwegen nichts von ihrer Hochachtung gegen mich fallen, Gell. Den Muth, die
Hoffnung fallen lassen. Sein Ruhm stärkt das gefallne Herz, Weiße, das muthlos
gewordene. 4) Besonders mit dem Nebenbegriffe der Verschlimmerung, aus einem
vollkommnern Zustande in einen unvollkommenern gerathen. (a) An Macht, Ansehen,
bürgerlichem Wohlstande abnehmen. Von einem Minister, der sein Ansehen bey
Hofe, von einem Günstlinge, der die Gnade seines Herren verloren hat, sagt man,
daß sie gefallen sind. Babel ist gefallen, Jer. 51, 8. Ich hoffe auf den
Herren, darum werde ich nicht fallen, Ps. 26, 1. Ein Handelshaus fällt, wenn es
in Abnahme geräth, oder gar bankerott wird. Seinen Freund fallen lassen, ihn
durch Versagung der Hülfe zu Grunde gehen lassen. Bey den Handwerkern heißt
fallen, das gesuchte Meisterrecht aus eigner Schuld nicht erlangen und einen
solchen fallen lassen, ihm das Meisterrecht versagen; wo dieser Ausdruck der
Gegensatz des Bestehens ist. (b) Im sittlichen, besonders theologischer
Verstande, Fehler, Sünden begehen. Adam fiel, als er durch seinen Ungehorsam
das Ebenbild Gottes verscherzte. Ein Gerechter fällt sieben Mahl, Sprichw. 24,
16. Du strafst säuberlich die so gefallen sind, Weish. 12, 2 Auch von groben
Verbrechen und herrschenden Sünden. Gottes Ernst an denen, die gefallen sind,
Röm. 11, 22. Wie rief [
29-30] bist du gefallen! (c)
Vernichtet werden, aufhören; doch nur in einigen Fällen in den höhern
Schreibart. In ihm fiel unsere Hoffnung, unser Schutz, Dusch. 5) In engerer
Bedeutung, umkommen, sterben. (a) Für sterben überhaupt; ein mit Hochdeutschen
veralteter Gebrauch. keiner von der Sperlingen fällt ohne des Vaters Willen,
Math. 10, 29. Durch Pestilenz fallen, 1 Chron. 22, 14. (b) Von dem Wildbret und
andern großen Thieren. Es ist ihm sein bestes Pferd gefallen. Es ist vieles
Vieh an der Seuche gefallen. Gefallenes Wildbret, welches vor Krankheit oder
Hunger gestorben ist.
S. Fallwildbret. In dieser Bedeutung ist im gemeinen
Leben auch umfallen üblich. (c) In einer Schlacht bleiben, in einem Treffen
getödtet werden, in der biblischen und höhern Schreibart. Wie sin d die Helden
gefallen? 2 Sam. 1, 19. Ein Fürst und Großer ist gefallen in Israel, 2 Sam. 3,
38. Dein Bruder fiel in dem Treffen neben mir. Durch das Schwert fallen, ist
eine bloß biblische Art des Ausdrucks. Eine gleiche Bedeutung hat das Schwed.
falla. 2. So fern der Begriff des Affectes und der dadurch verursachten
Geschwindigkeit der herrschende ist; wo dieses Zeitwort von vielen freywilligen
Handlungen gebraucht wird, welche schnell, und zuweilen mit Gewaltthätigkeit
vollzogen werden. (a) Seinem Freunde und den Hals fallen, ihn lebhaft umarmen.
Auf die Knie fallen. Falle deinem Herren, falle Gott zu Fuße. Mit Begierde auf
etwas fallen, sich einer Sache mit einer Leidenschaft ergeben. Dem Pferde in
den Zügel fallen, schnell nach dem Zügel greifen. Einem andern in die Rede, in
das Wort fallen, ihn unterbrechen. (b) Mit dem Nebenbegriffe der
Gewaltthätigkeit. Dem Feinde in das Land, in die Bagage, in die Arrieregarde
fallen. Der Wolf fiel in die Herde. Dem Gegner in seine Blöße fallen, im
Fechten. Einem in die Haare fallen, im gemeinen Leben. Einem andern in sein Amt
fallen, etwas eigenmächtig thun, was doch jenes Amt ist. Einem andern in den
Kauf fallen, eine Sache um welche er handelt, für sich zu kaufen suchen. (c)
Von einer Person oder Sache fallen, eines Partey verlassen, einer Sache
entsagen, von einer Sache abstehen, ist ein bloß biblischer, im Hochdeutschen
ungewöhnlicher Gebrauch. Von David fiel jedermann, 2 Sam 20, 2.
S. Abfallen. Sie fielen nicht von ihrem Vornehmen noch
von ihrem halsstarrigen Wesen, Richt. 2, 19. Gedenke, wovon du gefallen bist,
Offenb. 2, 5. (d) Im gemeinen Leben wird dieses Wort auch oft von Thieren für
laufen, fliegen, springen gebraucht. Die Vögel fallen auf das Aas. Bey den
Jägern fallen die Falken in ein fremdes Land, wenn sie sich verirren. Das
Wildbret fällt über den Graben, wenn es darüber springet. Der Hirsch fällt über
den Zeug, wenn er darüber setzt. Die Sau fällt in den Zeug, wenn du hinein
läufst. Zu Baume fallen, wird bey den Jägern von den Birk- und Haselhühnern
gesagt, wenn sie auf die Bäume fliegen. 3. In sehr vielen Fällen ist der
Begriff des Unerwarteten der herrschende, und da wird dieses Zeitwort häufig,
1) von unwillkührlichen Handlungen oder Veränderungen lebendiger Körper
gebraucht. (a) Von solchen Veränderungen, welche ihnen wider ihren Willen
widerfahren, wobey sich doch etwas von der Idee der Geschwindigkeit mit
einschleicht; gemeiniglich mit dem Vorworte in. In eine Krankheit fallen. In
Anfechtung fallen, in der biblischen Sprechart. In ein Ohnmacht, in einen
tiefen Schlaf fallen; dagegen die biblische, R. A. ein tiefer Schlaf, ein
großer Schrecken u. s. f. fiel aus ihn, im Hochdeutschen ungewöhnlich sind. In
einem Hinterhalt, in ein gelegtes Netz fallen. In eines Ungnade fallen. In
Strafe [
29-30] fallen, sich der Strafe schuldig
machen.
S. Straffällig. Dem Gerichte in die Hände fallen, sich
dessen Abendung schuldig machen. Dem Arzte, einem Wucherer in die Hände fallen,
dessen Hülfe benöthiget seyn. Seinen Verfolgern in die Hände fallen, in ihre
Gewalt gerathen. In die Hand Gottes fallen, von Gott gezüchtiget werden. Wenn
er in gute Hände fällt,(gute Anleitung bekommt) so kann was aus ihm werden. O,
fallen sie nicht wieder in ihre alte Schwermuth, Cron. Durch trocknen Witz und
öftere Wiederhohlungen fällt man oft in das Abgeschmackte. Unter die Morder
fallen. (b) Von Gedanken, welche ohne deutliches Bewußtseyn entstehen oder zu
entstehen scheinen; mit dem Vorworte auf. Wie können sie doch auf die Gedanken
fallen? Wie fallen sie auf mich? wie muthmaßen sie auf mich? Ich bin auf ihn
gefallen, argwohne, muthmaße auf ihn. Wie sind sie auf dieses Wort gefallen?
Ich kann nicht wieder darauf fallen, ich kann mich nicht darauf besinnen. Ich
würde vielleicht selbst darauf gefallen sey, Gell. Er fiel dann und wann auf
ganz artige Töne.
S. auch Einfallen. 2) Von leblosen Dingen, welche von
vorher gegangene Erwartung, wenigstens ohne unsere Mitwirkung, geschehen. Es
ist mir von ungefähr ein Buch in die Hände gefallen, welches ich noch nicht
gesehen habe. Ein Zufall ließ diese Schrift in meine Hände fallen. Als ich mich
nach dir umsah, fiel mir dein Bruder in die Augen. Das Gut ist an seinem Bruder
gefallen, durch Erbschaft. Das Loos fiel auf ihn. Wie das Loos fallen wird. Die
Wahl ist auf ihn gefallen; Die Sache ist ganz anders gefallen; wo doch
ausfallen üblicher ist. Das Nieders. fallen und das Schwed. falla bedeuten
gleichfalls geschehen, sich zu tragen, accidere.
S. auch Vorfallen. 4. In einigen Fällen verschwinden die
bisher angezeigten Begriffe, wenigstens bleibt es dunkel, welcher vor andern
der herrschende ist; und da bedeutet dieses Zeitwort, 1) Sichtbar werden. (a)
Von Lichtstrahlen. Das Licht fällt von der linken Seite herein. Es fällt wenig
Licht durch dieses Fenster. Wenn Schrägere Strahlen der Sonne auf diese Ebene
fallen, Dusch. Auch von den Gegenständen, welche vermittelst des Lichtes
empfunden werden, doch mit einigen Nebenwärtern, welche die Art und Weise der
Empfindung bezeichnen. Das fällt gut in die Augen.
Wer nicht sehr ins Auge fällt, Den beneidet nicht die Welt,
Weiße.
Auch wohl elliptisch, das fällt in die Augen, hat ein gutes
Ansehen. Auf diesen Gebrauch gründet sich ohne Zweifel die Bedeutung der Wörter
gefallen und mißfallen. (b) Auch von andern Dingen, für kommen, gerathen. Die
Sache ist mir ganz aus dem Gedächtnisse gefallen; wo doch entfallen anständiger
ist. Der Argwohn fällt auf ihn. Endlich wird alle Schuld auf dich fallen. Deine
Liebe ist auf einen unwürdigen Gegenstand gefallen. Lassen sie das Verbrechen
eines einzigen nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen, Gell. Lassen sie nicht
unser ganzes Geschlecht dafür büßen. Das Fest fällt auf einen Sonntag. Die
Messe fällt in den Winter, in den Aprill. Die Einkünfte, die von diesem Gute
fallen (einkommen), sind beträchtlich.
S. Gefalle. 2) Seyn, doch nur in einigen bereits
eingeführten Ausdrücken. Dieser Verlust fällt mir ungemein empfindlich. Du
würdest mir damit nur hinderlich fallen. Nichts fiel ihr zu bekennen schwer,
Rost. Wenn mir nur das Reden nicht so beschwerlich fiele, Gell. Einem mit etwas
beschwerlich, lästig fallen. Einem zur Last fallen, beschwerlich seyn oder
werden. Der Beweis wird mir sehr leicht fallen. Es fällt mir unmöglich, dir
jetzt zu dienen. [
31-32] An Höfen fällt es schwer, das
Alter zu erreichen, Haged. 3) Geboren, gezeuget werden; doch nur von größern
Thieren, und alle Mahl mit einem oder dem andern Beysatze. Von schönen Pferden
fallen schöne Füllen. Ein Hund, der von einem Pudel und einer Schweißhündinn
gefallen ist. Wo der Hase fällt, da ist er, am liebsten. Das Schwed. falla hat
diese Bedeutung gleichfalls. Anm. Das Hauptwort die Fallung wird nicht
gebraucht, weil Fall dessen Stelle schon vertritt. Dieses alte Zeitwort lautet
im Nieders. gleichfalls fallen, im Schwed. falla, im Dän. falde, im Angels.
feallan, im Engl. to fall, im mittleren Lat. falliare, und im Hebr. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - oder -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - . In einigen Oberdeutschen Gegenden verbindet man es
mit dem Hülfsworte haben. Denn ich hab nun gefallen schon, Theuerd.
S. auch Fehlen. [
31-32]