Erwägen
, verb. reg. et irreg. act.
S. Wägen. 1. * Bewegen; in welcher veralteten
Bedeutung eruuegen und iruuagen noch bey dem Notker vorkommen. In etwas engerer
Bedeutung mag es hernach mit der Wage abwägen bedeutet haben. Aber auch in
diesem Verstande ist es veraltet, indem man es nur noch figürlich
gebraucht, nach allen Umständen überdenken. 1) Eine Sache
erwägen. Ich habe es reiflich bey mir erwogen. Ich hatte es vorher nicht
erwäget. Wir wollen die Sache genau erwägen. Wenn ich alles recht
erwäge, so u. s. f. Daher die Erwägung. Eine Sache in Erwägung
ziehen. In Erwägung dessen, wofür im Oberdeutschen und in den
Hochdeutschen Kanzelleyen auch anerwogen als eine Partikel, für indem,
weil u. s. f. üblich ist. 2) Erklären in der Kanzelberedsamkeit.
Einen biblischen Text, das Evangelium erwägen. 2. * Sich einer Sache
begeben, sich derselben verzeihen; eine im Hochdeutschen längst veraltete
Bedeutung. Etliche aber fielen dahin, daß sie sich des Lebens erwegten,
Weish. 17, 15. Und das heilige Volk war hoch betrübt - und hatten sich
ihres Lebens erwogen, St. Esth. 6, 6. Da wir über Maße beschweret
waren, also, daß wir uns auch des Lebens erwegten, 2 Cor. 1, 8.
Es nahet das ich scheiden muos, Wie sol ich mich der fruinde
eruuegen, der Burggr. von Linnz.
Ain ieglich man mag uuol clagen und antuurten aun
vorsprechen, ob er sich dez schaden eruuegenwil, der im dauon beschehen mag,
Schwabenspiegel Kap. 75, 6, wenn er sich des Schadens verzeihen, d. i.
denselben nicht rügen will;wo es in der Latein. Übersetzung nicht
völlig richtig lautet, si vult periculum facere de damno, als wenn es so
viel als wagen bedeutete. In eben diesem Verstande sagte man ehedem auch sich
einer Sache bewegen,
S. Bewegen.Anm. Da dieses Wort von wegen, bewegen,
abstammet, so könnte man es auch erwegen schreiben; allein da das Bild
zunächst von einer Wage hergenommen ist, und in wägen das e schon in
ein ä übergegangen ist, so ist erwägen richtiger. Im
Hochdeutschen gehet es so wohl regulär, als irregulär, doch ist die
letzte Form noch die üblichste. Einige Oberdeutsche Mundarten sagen gar
ich erwug, erwugen,
S. Wägen. In der ersten Bedeutung kommt dieses Wort
in unsern ältesten Denkmählern nicht vor. Ottfried und andere
gebrauchen dafür giuuuagin, welches aber auch aufmerken, sich erinnern,
melden, bedeutet, so wie Geuuaht das Andenken. Im Nieders. heißt Gewag
noch jetzt die Erinnerung. In eben dieser Mundart bedeutet bewägen
erwegen, und Bewag Erwägung.
S. Bewegung. Opitz gebraucht überwiegen für
erwägen,
S. dieses Wort. [
1949-1950]