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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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Entsetzen

, verb. reg. act. welches noch in einer dreyfachen Bedeutung üblich ist. 1) Von einem Amte setzen, eines Amtes berauben, mit der zweyten Endung der Sache und der Voraussetzung eines begangenen Fehlers. Jemanden seines Dienstes, seines Amtes entsetzen, in der anständigen Schreib- und Sprechart, für das niedrigere absetzen. Der Hofmarschall, der Bürgermeister ist entsetzet, oder seiner Würde entsetzet worden. Entsetzen und absetzen sind in diesem Verstande bloß in der Würde, nicht aber in der Bedeutung verschieden, daher sich dieses Wort von bloßen Ehren und Würden im Hochdeutschen so wenig gebrauchen lässet als absetzen. So auch die Entsetzung. In dieser Bedeutung kommt intsezzan schon bey dem Kero und Notker, im mittlern Latein aber depossidere vor. 2) Einen belagerten Ort durch Anrückung mit einem Corps Truppen von der Belagerung befreyen, die Belagerer zu Aufhebung der Belagerung zwingen. Eine Stadt entsetzen. Das Hauptwort, welches zu dieser Bedeutung des Zeitwortes gehöret, ist Entsatz. Ehedem war dieses Wort von einem weitern Umfange der Bedeutung, weil man auch einen Gefangenen entsetzte, wenn man ihn aus dem Gefängnisse befreyete. Ja es muß sogar helfen überhaupt bedeutet haben, weil es noch bey dem Opitz heißt:
Wir Menschen leben drum, einander zu entsetzen.
S. auch Entschütten, welches im Oberdeutschen für entsetzen üblich ist. 3) Einen mit Erstaunen verbundenen hohen Grad des plötzlichen Schreckens, oder Abscheues über ein gegenwärtiges Übel empfinden, als ein Reciprocum. Sich entsetzen. Sich vor, oder über eine Sache entsetzen. Sich vor der Gefahr, vor dem Tode, über eines Anblick entsetzen. Die Oberdeutsche Wortfügung mit der zweyten Endung der Sache, sie werden erschrecken und sich entsetzen deines plötzlichen Falles, Ezech. 26, 16, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Das Hauptwort für diese Bedeutung ist das Entsetzen. Ich kann es ohne Entsetzen nicht ansehen. Dieses Wort scheinet eigentlich von etwas weg setzen, d. i. springen, zu bedeuten, welches oft die Wirkung eines großen Schreckens zu seyn pfleget; zumahl da in Fausts Lüneburg. Chron. enschupfet werden so viel ist als sich entsetzen. In der Deutschen Bibel kommt dieses Wort noch in der veralteten irregulären Conjugation vor, ich entsatzte mich, S. Setzen. Schon seit dem neunten Jahrhunderte findet sich intsetzen, etsetzen und antsazzan in der Bedeutung eines großen Schreckens. Allein man gebrauchte es theils active mit der vierten Endung der Sache, etwas entsetzen, für vor demselben, theils war es auch in weiterer Bedeutung für fürchten, Ehrfurcht gegen etwas hegen, zürnen, üblich, in welchen sämmtlichen Bedeutungen auch entsitzen ge-braucht wurde. Das wir dehaine geste nimmer mer entsitzen, Stryker. [1835-1836]
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