Der Bürger
, des -s, plur. ut nom. sing. Fämininum die Bürgerinn,
von dem Worte Burg, so fern es ehedem einen befestigten Ort bedeutete, da denn
dieses Wort in einem sehr mannigfaltigen Umfange der Bedeutung gebraucht wird.
1) In der ersten Bedeutung drucket es diejenigen Einwohner einer Stadt aus,
welche die Freyheiten und Gerechtsamen derselben genießen, aber zugleich
an der Regierung mit Theil haben, oder zu Rathspersonen erwählet werden
können. Diese Bedeutung findet sich nur noch in einigen Oberdeutschen
Städten, besonders in der Schweiz, wo diese Bürger im ausnehmenden
Verstande den Einwohnern entgegen gesetzet werden. 2) In etwas weiterer
Bedeutung; welche noch in vielen Reichsstädten gangbar ist, werden alle
diejenigen Einwohner einer Stadt, welche in Ansehung ihres
Nahrungsgeschäftes die Freyheiten der Stadt genießen, aber zugleich
ihre Lasten mit tragen helfen, Bürger genannt, sie mögen nun an der
Regierung mit Theil haben oder nicht. Alsdann theilet man sie in adelige oder
rathsfähige Bürger, und in ehrbare oder unrathsfähige
Bürger. Die ersten, welches die obigen Bürger in der engsten
Bedeutung sind, werden auch Patricier genannt. 3) Dagegen verstehet man unter
diesem Ausdrucke sehr oft nur die letzte Classe dieser Bürger, welche im
eigentlichen Verstande die einer Stadt verliehenen Freyheiten in Ansehung ihres
Nahrungsgeschäftes genießen, aber auch dafür die Lasten der
Stadt mit zu tragen verbunden sind; welche Eigenschaft eigentlich durch das
Bürgerrecht erworben wird.
S. dieses Wort. Bürger werden. Bürger seyn. In
dieser Bedeutung werden die Bürger den Schutzverwandten, Beysassen u. s.
f. entgegen gesetzet, und da die Handwerker gemeiniglich den größten
und vornehmsten Theil dieser Bürger ausmachen; so werden Bürger und
Handwerker oft als gleich bedeutende Ausdrücke gebraucht. 4) In weiterer
Bedeutung heißen oft alle Einwohner einer Stadt, sie mögen nun das
Bürgerrecht erlangt haben, oder nicht, Bürger, im Gegensatze der
Bauern, oder des Landvolkes. In diesem Verstande kommt das Wort nicht nur
häufig in der Deutschen Bibel, sondern auch noch jetzt so wohl im
täglichen Umgange, als in der anständigern Schreibart vor. Diese
Bedeutung scheinet zugleich die erste und älteste dieses Wortes zu seyn;
denn daß Burg ehedem so viel als eine Stadt bedeutet habe, ist schon oben
bemerket worden. Ja, da Burg, wenigstens in einigen Gegenden Oberdeutschlandes,
auch für einen Flecken oder großes Dorf gebraucht wurde, so bedeutet
Bürger in Oberschwaben noch jetzt einen Bauer und Burgemeister den
Schuldheiß oder Dorfrichter.
S. auch Bauer. 5) In noch weiterer Bedeutung begreift
man unter dem Nahmen der Bürger, auch den dritten Stand eines Staates, im
Gegensatze der Adeligen und Geistlichen; der Bürgerstand. Der Bürger
muß fast überall die Lasten des Staates tragen. Diese Bedeutung hat
wieder einen verschiedenen Umfang, indem man zuweilen auch die Bauern mit
darunter begreifet, oft aber solche als den vierten und nie- [
1261-1262] drigsten Stand annimmt. In beyden Fällen bekommt
dieses Wort in dem Munde des Adels und des Hofmannes oft den verächtlichen
Nebenbegriff des Unedlen und Ungesitteten. 6) Figürlich. Ein jedes
Mitglied einer bürgerlichen Gesellschaft, d. i. einer Gesellschaft, welche
sich dem Willen eines einzigen unterworfen hat. In diesem Verstande werden die
Einwohner eines jeden Staates und Landes nach dem Muster des Latein. Civis,
besonders in der höhern Schreibart, Bürger genannt. Er ist ein guter
Bürger, er erfüllet die Pflichten des gesellschaftlichen Lebens. In
engerer Bedeutung kommt dieser Nahme nur Unterthanen solcher Staaten zu, deren
Einwohner ein Eigenthum und wenigstens noch einige Freyheit haben, zum
Unterschiede despotischer Staaten, wo die Unterthanen Sclaven und nicht
Bürger sind. Nach einer noch weitern Figur ist in der höhern
Schreibart ein Bürger dieser Welt, ein Bürger der Erde, ein Mensch,
ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft.
Ich rede hier als Mensch und Bürger dieser Welt,
Hofmansw.
Anm. Das Fämininum die Bürgerinn, wird wohl nur in
der dritten und vierten Bedeutung gefunden werden. Statt dessen ist im gemeinen
Leben auch das zusammen gesetzte Bürgerfrau oder Bürgersfrau
üblich. Schon bey dem Ulphilas bedeutet Baurjans den Einwohner einer
Stadt, einen Städter. Im Oberdeutschen lautet dieses Wort Burger, Purger,
im Niedersächsischen und Dän. Borger, im Schwed. Borgare, im Holl.
Burgher, Borgher, im Franz. Bourgeois, im mittlern Lateine Burgarius, Burgenlis
u. s. f. Ottfried gebraucht Burgliuti für Bürger;
S. Burgmann. [
1263-1264]