Böse
, -r, -ste, adj. et adv. welches in allen seinen Bedeutungen den
Gegensatz von gut ausdrucket, und überhaupt alles dasjenige bedeutet, was
den Absichten eines vernünftigen Wesens zuwider ist. Besonders wird es
gebraucht, [
1131-1132] 1. Von den physischen Zustande einer
Sache, für schadhaft, verdorben, verfälscht. Böse Augen haben,
kranke, ungesunde. Eine böse (verdorbene) Waare. Böses
(verfälschtes, geringhaltiges) Geld. Eine böse (taube) Nuß. Ein
böser Weg. Einen bösen Hals haben. In dieser Bedeutung, in welcher
schon Notker bos für krank, ungesund gebraucht, kommt dieses Wort nur noch
hin und wieder im gemeinen Leben, besonders Oberdeutschlandes vor. Ingleichen,
was im Gebrauche Beschwerlichkeiten verursacht, unangenehme Empfindungen macht,
größten Theils auch nur im gemeinen Leben. Es ist hier böse
gehen. Böses muß man mit Bösem vertreiben.2. Von der sittlichen
Beschaffenheit. 1) Überhaupt, unsern Absichten, unserm Verlangen, unserer
Empfindung zuwider. Er hat jetzt eine sehr böse Sache, seine Sache gehet
seinen Absichten ganz zuwider. Böse Zeiten, in Ansehung des
Nahrungsstandes. Ein böser Bezahler, der schwer zur Bezahlung zu bringen
ist. Ein böser Nachbar, dessen Nachbarschaft uns beschwerlich und
unangenehm ist. Aus Bösem kommt oft Gutes. Nichts ist so böse, es ist
zu etwas gut. Ich habe es nicht so böse gemeinet. Besonders, 2) zum Zorne
geneigt. Ein böses Weib. Ein böses Thier. Ein böser Hund, der
gerne beißt. Noch mehr aber, 3) Wirklich zornig, doch nur in einem
geringen Grade zornig, obgleich die zusammen gesetzten boßhaft,
Boßheit und erboßen einen hohen Grad des Zornes ausdrucken. In dieser
Bedeutung ist es nur als ein Adverbium in der vertraulichen Sprache des
Umganges üblich. Er ist sehr böse. Mache mich nicht böse. Auf
jemanden böse seyn; über etwas böse seyn. Wenn ich werde
böse werden. Er that sehr böse, stellte sich böse. 4)
Schädlich, gefährlich. Böse Gesellschaft. Einem Böses
(Schaden) thun. Einem Böses wünschen. Ein böses Maul, eine
böse Zunge, im gemeinen Leben, die Schaden anrichtet. Das böse Wesen,
eine gemeine Benennung der Epilepsie, in der Schweiz das Bösweh, in
Niedersachsen die Kränkt, d. i. die Krankheit -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . In dieser Bedeutung des
Nachtheiligen sagt schon der Verfasser des alten Gedichtes auf den König
Ludwig, bey dem Schilter V. 6.
Wart er vaterlosThess wart ime ser boss;
das war ihm sehr nachtheilig. 5) Schändlich. Ein
böser Nahme. Eine böse Krankheit, die ihren Ursprung aus
schändlichen Vergehungen hat. 6) Den Gesetzen zuwider, besonders den
göttlichen Gesetzen zuwider laufend, in welcher Bedeutung dieses Wort so
wohl als ein Bey- und Nebenwort, als auch, als ein Hauptwort sehr häufig
in der Deutschen Bibel, und der biblischen Schreibart vorkommt. Böses
thun, wider das göttliche Gesetz handeln. Ein böser Mensch. Er hat
ein böses Herz. Die böse Luft. Böse Begierden. Ein böser
Bube. Das Böse bleibt nicht ungestraft. Er weiß was gut und böse
ist. Der böse Feind, bey dem großen Haufen der Böse, der Teufel,
so wohl in dieser Bedeutung, als auch wegen seiner Neigung Schaden zu thun. 7)
Was diese böse Beschaffenheit entdeckt, vornehmlich in der Benennung des
bösen Gewissens, weil es den Verbrecher an seinen gesetzwidrigen Zustand
erinnert.Anm. 1: Man hat das e am Ende dieses Wortes getadelt, wenn es die
Gestalt eines Nebenwortes hat, und verlangt, daß es in diesem Falle
bös heißen müsse, so wie man gut, groß, arm u. s. f. sagt.
Allein man hat nicht bedacht, daß wir im Hochdeutschen ein e euphonicum
haben, welches sich an einige gelinde Mitlauter, besonders an das einfache
gelinde s; und an das d, wenn sie am Ende stehen, anhängt, und ohne
welches diese Mitlauter eigenthümliche und gelinde Aussprache verlieren
würden. So sagt man behende, blöde, spröde, leise, weise,
böse,obgleich die härtere Oberdeutsche Mundart, nach dem Muster aller
übrigen Beywörter behend, blöd, spröd, leis, weis, bös
spricht und schreibt.Anm. 2. Böse lautet im Holländ. boos, und im
Engl. bad, welches mit dem alten Gothischen baud, baut, zum Gebrauche
untüchtig, verdorben, überein kommt. Die meisten Niedersachsen kennen
dieses Wort so wenig, als die Dänen und Schweden. Die erstern gebrauchen
statt dessen ihr quaad, leeg, meen, u. s. f. Wachter behauptet, es sey ein
fremdes Wort, welches sich in den alten Deutschen Denkmählern gar nicht
finde. Allein Ottfried gebraucht Bosa einige Mahl für Boßheit, und
daß das Beywort böse auch dem Notker nicht unbekannt gewesen,
erhellet aus den bereits oben angeführten Stellen. Indessen ist doch wahr,
daß es in den ältern und mittlern Zeiten im Oberdeutschen nur sparsam
vorkommt, weil man in den meisten Fällen wirs und bal an dessen Statt
findet. Bey dem allen scheinet es doch ein sehr altes Wort zu seyn, welches
nicht nur mit dem Hebr. bosch, sondern auch mit dem alten Latein. peus, wovon
peior und pessimus abstammen, überein kommt. In den alten
Französischen und Spanischen Lehensrechten bedeutet Baudia, Baucia,
Bausia, Butia, denjenigen Lehensfehler, welchem man die Felonie zu nennen
pflegt, im Alt-Französischen Boisdie, Boidie, und bausiare, Franz. boiser,
sich dieses Fehlers schuldig machen; welche Wörter, von welchen des du
Fresne Glossar. nachzusehen ist, man gemeiniglich von böse ableitet.
Dürfte man in Ansehung der Abstammung dieses dunkeln Wortes eine
Muthmaßung wagen, so könnte man es von dem eben so alten bas,
abhängig, niedrig, ableiten, welches ursprünglich krumm, im
Gegensatze dessen, was gerade ist, bedeutet haben mag, weil mehrere
Wörter, die den sittlich verderbten Zustand ausdrücken, von der
physischen Krümme entlehnet worden, wie das Hochdeutsche schlimm, und das
Niedersächsische leeg;
S. Schlimm und Donlege. Im Slavonischen bedeutet Biess
den Teufel. Ehedem hatte man von Böse auch die Verba verbosen,
bösern, verbösern, böse, oder böser machen, von welchen das
erstere schon bey dem Notker vorkommt.
Wer sagt mir ob wir selbst so grundverböste
Zeiten Verbösern, oder ob die Zeiten uns verleiten? Logau.
Allein heut zu Tage sind sie, wenigstens im Hochdeutschen,
größten Theils veraltet, indem verschlimmern dafür üblich
ist. Das Nieders. und Holländ. verbistern, in Unordnung gerathen, unsinnig
werden, eigentlich, sich verirren, welches Frisch anführet, gehöret
nicht hierher, sondern zu dem Nieders. bister, dunkel, fürchterlich, irre;
S. dasselbe. Einen hohen Grad des Bösen in allen
Bedeutungen auszudrucken, gebraucht man im gemeinen Leben die zusammen
gesetzten bitterböse, erzböse, grundböse. [
1133-1134]