Die Blüthe
, plur. die -n, von dem Verbo blühen. 1. Der Zustand, da
eine Pflanze blühet; ohne Plural. 1) Eigentlich. Die Lindenbäume
stehen schon in der Blüthe. Ingleichen die Zeit, wenn eine gewisse Gattung
von Gewächsen blühet. In der Lindenblüthe, in der
Baumblüthe, in der Kornblüthe, in der Nelkenblüthe. Von der
Blüthe solcher Gewächse, welche vornehmlich um ihrer angenehmen
Blumen willen geschätzt werden, ist das ausländische Flor beynahe
üblicher. Der Tulpenflor, der Nelkenflor, u. s. f.
S. dieses Wort. 2) Figürlich, derjenige Zustand
einer Sache, da sie viel Gutes von sich hoffen lässet, ein
erwünschter Zustand. Sein Glück steht noch in der Blüthe. Meine
schönsten Hoffnungen haben sie in ihrer Blüthe verheeret, von Brawe.
In der Blüthe seines Alters, in der Blüthe seiner Jahre, d. i. in der
Jugend.
So unrühmlich fällst du dahin in der Blüthe des
Lebens, Zachar.
2. Die zur Befruchtung und Fortpflanzung der Pflanzen
gehörigen Theile selbst, nach ihrer ersten Entwicklung. 1) Eigentlich, in
welcher Bedeutung dieses Wort bey den Schriftstellern des Pflanzenreiches von
den Blumen aller Arten des ganzen Pflanzenreiches gebraucht wird.
Männliche Blüthen, welche nur allein Staubfäden und keine
Staubwege haben. Weibliche Blüthen, in welchen sich nur allein Staubwege
und keine Staubfäden befinden. Zwitterblüthen, die beydes haben. Im
gemeinen Leben gebraucht man dieses Wort nur in engerer Bedeutung von solchen
Blüthen, die man wegen ihrer Farbe und Geruches keiner besonderen Achtung
werth hält, im Gegensatze der Blumen in engerer Bedeutung.
S. dieses Wort. Und alsdann wird es so wohl als ein
Collectivum von allen Blumen eines Gewächses oder ihrer Art, ohne Plural,
als auch von einzelnen Blumen, mit dem Plural, gebraucht. Die
Kirschblüthen sind abgefallen. Taube Blüthen, auf welche wegen
Frostes, Mehlthaues u. s. f. keine Frucht folget. 2) Figürlich. (a)
Eigenschaften, Umstände,von welchen man viel Gutes hoffet, in der
höheren Schreibart. Auch du weißt noch den schwarzen Tag, der die
Blüthen unserer Hoffnung zu Grunde richtete, Weiße.
Hier, wo der Hoffnung Blüthen Ein jäher Frost
erstickt, ebend.
(b) Das Beste einer Sache, gleichfalls nur in der höhern
Schreibart. Mitten in einem Thale bricht er sich die Blüthe aller
Vergnügungen ab. (c) Im Bergbaue heißt angesetztes Erz, welches eine
zarte krystallinische Gestalt hat, gleichfalls Blüthe, und wenn es einen
dichten Körper vorstellet, wird es derbe Blüthe genannt. (d) Zuweilen
führet diesen Nahmen auch die monathliche Reinigung des andern
Geschlechts,
S. Blut, Anm.3. Dasjenige Gewächs selbst, welches
vorzüglich um seiner Blüthe willen geschätzet wird. In dieser
Bedeutung wird nur der Spanische oder blaue Hohlunder, Syringa, L. in einigen
Gegenden, z. B. in Thüringen, blaue Blüthe genannt,
S. Hohlunder.Anm. Die ältesten Fränkischen und
Schwäbischen Schriftstellern scheinen unter Blumen und Blüthe keinen
Unterschied gemacht zu haben. In dem Ottfried ist bluat eine Blume. Bey dem
Willeram lautet dieses dieses Wort bluod, und die Dichter des Schwädischen
Zeitalters gebrauchen es zuweilen im männlichen Geschlechte.
Vns kumt aber ein lichter meie Der machet manig herze fruot Er
bringet bluomen mangerleye Wer gefach ie suesser bluot, Marggraf Otto von
Brandenburg.
In dem alten Gedichte auf den heil. Anno lautet dieses Wort
schon Blüd, und in dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur wird
der plüde der bäume gedacht. Die heutigen Oberschwaben sprechen
dieses Wort noch Blüat, die Niedersachsen Bloite, und manche Obersachsen
die Bluth, aus. Es ist das Abstractum von dem Verbo blühen, gleichsam die
Blühde, wie Zierde, Geberde, Begierde u. a. m. Statt des d ist im
Hochdeutschen das th hergebracht, welches in mehrern Stellen das d vertritt,
und das man also nicht um sein h bringen darf. Um den Übelstand zweyer so
nahe auf einander folgender h zu vermeiden, hat man das h des Verbi
weggeworfen, und so ist aus Blühde oder Blühthe unser heutiges
Blüthe geworden. Übrigens ist statt dieses Wortes im Oberdeutschen
auch die Blühe, die Blust die Blussem und das Blust üblich, welche
mit dem Angels. Blosma, Blostin, dem Engl. Blossom, dem Holländ. Bloessem,
und dem Latein. Flos überein kommen, und nur verschiedene Formen und
verschiedene Mundarten eines und eben desselben Wortes sind.
S. Blitz, Blöde Blühen, Blume und
Blut. [
1095-1096]