Bleiben
, verb, irreg. neutr. welches mit dem Hülfsworte seyn
abgewandelt wird; ich bleibe, du bleibst, er bleibt; Imperf. ich blieb;
Mittelwort geblieben; Imperat. bleib; fortfahren zu seyn, in den meisten
Bedeutungen dieses Zeitwortes.1. Sein Daseyn behalten, fortfahren zu existiren,
im Gegensatze des Vergehens. So lange noch das Andenken von Rom bleiben wird.
In dieser Bedeutung wird es heut zu Tage im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht.
In der Deutschen Bibel kommt es dagegen in derselben desto häufiger vor.
Man soll den Stock mit seinen Wurzeln bleiben lassen, Dan. 4, 23. Den Frommen
gibt Gott Güter, die da bleiben, Sir. 11, 15. Daß sein Nahme in
Israel bleibe, Ruth 4, 14. Der Herr aber bleibet ewiglich, Ps. 9, 8 u. s. f.
Doch ist auch das Mittelwort bleibend für dauerhaft im Hochdeutschen nicht
selten. Du hast nichts, was deinen Ruhm bleibend machen könne. Wir haben
hier keine bleibende Stätte, welche R. A. von einigen unbillig getadelt
worden, die diese erste Bedeutung des Zeitwortes nicht gekannt haben. Er hat
keine bleibende Stätte, sagt man auch im gemeinen Leben von einem, der
sich nicht gern lange an einem Orte aufhält.2. Fortfahren, gewisse
Eigenschaften zu haben, in einem gewissen Zustande beharren, da denn dieser
Zustand auf mancherley Art ausgedruckt werden kann. 1) Mit der ersten Endung
des Hauptwortes. Ich bleibe dein Freund. Willst du denn immer ein
Bösewicht bleiben? Wir Menschen bleiben Schüler so lange wir leben.
Deine Freude selbst kann ohne Veränderung nicht Freude bleiben, Dusch. 2)
Mit dem Infinitiv des Zeitwortes. Stehen bleiben, liegen bleiben, sitzen
bleiben, fortfahren zu stehen, zu liegen, zu sitzen.
Sie trifft ihn schlafend an, bleibt von der Seite stehen,
Gell.
So auch kleben bleiben, hängen bleiben, leben bleiben,
stecken bleiben. Doch läßt sich diese Wortfügung nur mit wenig
Zeitwörter gebrauchen, die man nicht nach Gutdünken vermehren darf.
Die eben angeführten werden wohl die vornehmsten seyn. 3) Mit
Nebenwörtern. Gesund, reich, arm, blind bleiben. Er blieb unbeweglich. Wir
sind noch allein verschont geblieben. Das wird wohl nicht verschwiegen bleiben.
Wer kann immer aufgeräumt bleiben? Treu bleiben. Beständig bleiben.
Lebendig bleiben. Einem etwas schuldig bleiben. 4) Mit Vorwörtern. Am
Leben bleiben, lebendig bleiben. Er bleibt nicht auf Einer Rede, im gemeinen
Leben. Bleib bey diesen Gedanken, du wirst wohl dabey fahren, Gell. Bey Ehren
bleiben, seinen guten Nahmen behalten. Es bleibt dabey, es bleibt
unverändert, so, wie es gesagt, verglichen worden. Es bleibt bey meinem
Versprechen. Ich denke, es soll bey der ersten Einrichtung bleiben, Gell.
Erklären sie sich, ob es noch bey den tausend Thalern an Gelde bleiben
soll, ebend. Er bleibt dabey, er behauptet es beständig. Er bleibt dabey,
er habe es dir gegeben. Sie bleibt beständig dabey, daß das Thier
Menschenverstand hätte, Gell. Hierher gehöret, 5) auch die
Oberdeutsche Wortfügung, da bleiben anstatt des Vorwortes [
1059-1060] zuw eilen auch mit der zweyten Endung des Hauptwortes
verbunden wird. Des festen Entschlusses, des beständigen Vorsatzes
bleiben. Diese Wortfügung ist im Hochdeutschen ungewöhnlich,
außer etwa in der Redensart, der Meinung bleiben, die aber nicht
hinreicht, es mit Bödikern zu einer Regel zu machen, daß bleiben
einen Genitiv regiere, wenn es eine Natur, Beschaffenheit oder Sitten
andeutet.3. Fortfahren, an einem gewissen Orte zu seyn, den Ort nicht
verändern, in welcher Bedeutung es so wohl mit Vorwörtern, als auch
mit Nebenwörtern, in einigen figürlichen Bedeutungen aber auch mit
Nennwörtern verbunden wird.1) Eigentlich. Zu Hause bleiben, nicht
ausgehen. Ich kann hier unmöglich bleiben. Du hättest mit deinen
Sittenlehren immer zu Hause bleiben können, figürlich und im gemeinen
Leben. Da bleiben. Die Hefen bleiben auf dem Boden. Bey einem bleiben. Bleib
bey mir. Bey einem zu Tische bleiben. In seines Vaters Hause, auf dem Berge, im
Walde, auf der Gasse bleiben u. s. f. Von einem bleiben, nicht zu ihm gehen.
Bleib mir vom Leibe, im gemeinen Leben, nähere dich mir nicht. Beysammen
bleiben, bey einander bleiben, zurück bleiben u. s. f. Zuweilen auch
absolute. Er weiß vor Jammer kaum zu bleiben, Gell. er ist vor Jammer so
unruhig, daß er an keinem Orte bleiben kann. Im gemeinen Leben wird in
dieser Bedeutung auch wohl der Infinitiv als ein Hauptwort gebraucht Hier ist
meines Bleibens nicht, ich finde es nicht für nützlich, oder rathsam,
hier zu bleiben. Sein Bleibens an einem Orte behalten, welche Redensart unter
den Bergleuten üblich ist.2) In weiterer und figürlicher Bedeutung.
(a) Ausbleiben, nicht kommen. Wo bist du so lange geblieben? Ich weiß
nicht, wo die Post bleibt, warum sie nicht ankommt. Er bleibt sehr lange.
Ingleichen figürlich: wo bleibt nun dein Versprechen, dein mir so heilig
gethanes Versprechen? Wo bleibt nun dein mir gegebenes Wort? (b) Übrig
bleiben, mit der dritten Endung der Person. Von seinen großen
Reichthümern ist ihm nichts, als sein Garten geblieben. Außer dem,
was du hier verschrieben liesest, bleibt mir nichts mehr, Dusch. Was noch von
Begierden in ihm bleibt, ist der Wunsch ruhig zu sterben, ebend.
Ihm bleibt zum Schirm allein Sein Degen und sein Arm, Wiel.
Ingleichen, in eines Besitz bleiben. Das soll dir vor mir
wohl bleiben, ich will es dir nicht nehmen. Der Sieg muß mir wohl bleiben.
Dein Königreich soll die bleiben, Dan. 4, 23. (c) Verschwiegen bleiben,
mit den Vorwörtern bey und unter. Es bleibt zur Zeit noch unter uns, wir
wissen es jetzt nur noch allein. Das muß unter uns bleiben. Laß das
bey dir bleiben. (d) Nicht zur Wirklichkeit gebracht werden, nicht geschehen,
unterbleiben, nur in der gesellschaftlichen Schreib- und Sprechart. Wenn es
noch nicht geschehen ist, so mag es bleiben. Es wäre gut, wenn es damit so
lange bleiben könnte, bis ich komme. Am häufigsten mit dem Verbo
lassen, für unterlassen. Laß deine Reise bleiben. Es wird es wohl
bleiben lassen. Das lasse ich wohl bleiben, das thue ich gewiß nicht. Das
soll er mir wohl bleiben lassen, das ist ihm unmöglich zu
bewerkstelligen.4. Sterben, umkommen. An einer hitzigen Krankheit bleiben,
Gell. Besonders, in einem Treffen, in einem Gefechte umkommen. Auf dem Platze
bleiben. Es sind in diesem Gefechte viele tapfere Leute geblieben. Es ist kein
Mann geblieben. Gegen den Feind, und noch besser, vor dem Feinde bleiben.
Ingleichen auf dem Wasser umkommen. Das Schiffist gestrandet und das ganze
Schiffsvolk ist geblieben. Zuweilen gebraucht man dieses Wort auch von dem
Schiffe selbst, und alsdann bedeutet es stranden, verunglücken. Das Schiff
ist geblieben. In dieser ganzen Bedeutung wird die gegenwärtige Zeit von
bleiben wohl nicht leicht vorkommen. Gemeiniglich siehet man diese Bedeutung
als die figürliche von der vorigen an, weil einer, der in einem Gefechte
umkommt, wirklich auf dem Schlachtfelde zurück bleibt. Man setzet dabey
voraus, daß bleiben nur von dem Umkommen in einem Gefechte üblich
sey. Allein das Gegentheil erhellet schon aus einigen der oben angeführten
Beyspiele. In ältern Zeiten kommen deren noch mehrere vor.
Er selbo meinta auur thaz Thaz er tho biliban uuas. Ih uuille iu
iz zellen quad er er, Ist Lazarus bilibaner.
Er meinete aber damit, daß er (Lazarus) geblieben (d. i.
gestorben) war. Ich will es euch sagen, sprach er, Lazarus ist geblieben
(gestorben). Ottfried B. 3, Kap. 23, V. 98. Swa ein meiger blibet der des
Goteshuses ist, wenn ein Meier stirbt, der dem Gotteshause gehöret, in
einem handschriftlichen Salbuche des Klosters Ebersheim bey dem Schilter. Da
nun bleiben überhaupt auch sterben bedeutet hat, so lässet sich diese
Bedeutung wohl nicht unmittelbar aus den vorigen herleiten, sondern man
muß sie aus der ersten eigenthümlichen des Wortes leiben oder leben
herleiten.
S. die Anmerkung. Be würde hier alsdann so viel als
ver oder ab bedeuten.
S. auch Ableben.Anm. Dieses Wort lautet bey dem Kero
pilibin, bey dem Übersetzer Isidors bileiphan, bey dem Ottfried biliban,
und im Angels. belafan. Aus dieser Schreibart erhellet, daß es ein
zusammen gesetztes Wort ist, dessen erste Hälfte die Partikel be ist. Die
andere Hälfte lautet bey dem Ulphilas lifnan, und bey den Fränkischen
und Alemannischen Schriftstellern leiban, und bedeutet übrig lassen. Za
leiba ist bey dem Kero, und zi leuba bey dem Ottfried, so viel als der
Überrest. Das Schwedische lifwa, Isländ. lifa und Engl. to leave,
bedeuten noch jetzt hinterlassen; im Nieders. ist leven erblich hinterlassen,
und Lawa, Lowa eine Erbschaft oder Verlassenschaft; in Schwaben sagt man noch
jetzt, eine Speise leiden, d. i. übrig lassen, und in dieser Bedeutung
kommt es mit dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - genau überein. Indessen ist dieses wohl nicht
die erste und eigentliche Bedeutung des Wortes leiben, sondern es scheinet mit
Leib und leben genau verwandt zu seyn, ob man gleich nicht sagen kann, welches
von allen dreyen der Quelle am nächsten ist. Was lebt, ist da oder
übrig, und was übrig bleibt, lebt gewisser Maßen. Be
verstärkt nur die Bedeutung und deutet ein fortgesetztes Leben oder Daseyn
an. Nur in der vierten Bedeutung, da bleiben für sterben gebraucht wird,
hat es die entgegen gesetzte und eine jetzt ungebräuchlich gewordene
Bedeutung. Bleiben kommt ohne Zusammenziehung noch in dem Buche Belial von 1472
vor. Das Niedersächs. bliben, das Schwed. blifwa, und Dän. blive
kommen in der Bedeutung mit dem Hochdeutschen überein. Die alte
Gewohnheit, da man das Augmentum zuweilen von den Verbis wegließ, hat sich
bey diesem wohl noch am längsten erhalten. Wären wir doch in Mycene
blieben, Gottsch. Heut zu Tage aber wird sich wohl kein guter Schriftsteller
dieses Übelstandes mehr schuldig machen. [
1061-1062]