Biethen
, verb. irreg. act. ich biethe, du biethest, er biethet,
(Oberdeutsch du beuthst, er beuth,) Imperf. ich both, Supin. gebothen, Imperat.
biethe (Oberdeutsch beuth); welches ehedem zwey Hauptbedeutungen hatte, und zum
Theil noch hat.I. Befehlen. Der Richter, der über ihn hat zu biethen, Buch
Belial 1472. Besonders, mit einem Befehle laden, vorfordern. So sagte man
ehedem, jemanden vor Gericht biethen, ihn den Rath biethen. In dieser ganzen
Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, weil sie zusammen gesetzten
gebiethen und entbiethen dessen Stelle eingenommen haben.
S. auch Aufbiethen, Ausbiethen, Verbiethen.II.
Darreichen, vorhalten, und zwar, 1. eigentlich. Welcher ist unter euch
Menschen, so ihn sein Sohn bittet ums Brot, der ihm einen Stein biethe? Matth.
7, 9; Luc. 11, 11. Jemanden einen Trunk biethen, im denselben darreichen. Einem
die Hand biethen, so wohl eigentlich, als auch figürlich, ihm helfen
wollen. In dieser eigentlichen Bedeutung ist es nur zuweilen noch im gemeinen
Leben, besonders Niedersachsens üblich; im Hochdeutschen gebraucht man
dafür lieber darbiethen. Nur einige figürliche Redensarten kommen
auch in der anständigeren Schreibart vor. Ein Unglück biethet dem
andern die Hand. Einem den Kopf, die Spitze biethen, sich ihm widersetzen.
Jemanden Trotz biethen, ihm Trotz entgegen setzen.2. Figürlich, mit
verschiedenen Nebenbegriffen. 1) Anbiethen, doch auch nur im gemeinen Leben,
besonders in Niedersachsen, woraus einige Dichter es in die höhere
Schreibart aufzunehmen gesucht.
Da er mich stets erhielt, und sich zum Opfer both,
Schleg. Vergeblich böthe sie mir heut Mit ihrer Hand Unsterblichkeit,
Raml.
2) Zu erdulden zumuthen. Dem Könige Schach biethen, im
Schachspiele. Das darf mir niemand biethen, das leide ich von niemanden. 3)
Sagen, anwünschen, auch nur in der Sprache des täglichen Umganges,
besonders in den R. A. einem einen guten Morgen, einen guten Tag, einen guten
Abend biethen. [
1011-1012]
Das ich den liuten guten morgen bot Engegen der nacht, Friedr.
von Husen.
4) Am häufigsten wird dieses Wort noch in Handel und
Wandel, und zwar so wohl von dem Käufer, als von dem Verkäufer
gebraucht. Im ersten Falle wird es mit der dritten Endung der Person, und den
Vorwörtern für und auf, wenn die Sache ausgedruckt wird, verbunden,
und bedeutet alsdann geben wollen; dem Verkäufer eine gewisse Summe
für seine Waare anbiethen. Ich habe ihm zehn Thaler dafür gebothen.
Auf etwas biethen, besonders bey einem öffentlichen Verkaufe. Ich habe mit
darauf gebothen. Geld auf eines Kopf biethen. Wenn dieses Zeitwort von dem
Verkäufer gebraucht wird, so bekommt der bestimmte Preis das Vorwort um,
und biethen bedeutet alsdann, eine Sache gegen einen gewissen Preis dem andern
anbiethen. Er both den Ring um zehn Thaler. Du biethest deine Waare gar zu
theuer, du forderst zu viel dafür. Die Waare ist sein, er kann sie
biethen, wie er will.Anm. 1. In der Bedeutung des Befeblens oder Gebiethens
kommt bey dem Ulphilas schon biudan, im Angels, beodan, bey den alten Schweden
bioda, bey den heutigen Schweden bjuda, in Engl. to bid, und bey dem Notker
pieton vor. So fern es darreichen bedeutet, lautet es bey dem Ottfried biutan,
im Angels. biddan, im Engl. to bid, im Holländ. bieden. Das
Niedersächsische beden, und zusammen gezogen been, bedeutet so wohl
gebiethen, als darbiethen. Herr ihre hält sehr wahrscheinlich die
Bedeutung des Einladens für die erste und ursprüngliche Bedeutung
dieses alten Wortes, weil solche schon in dem Latein. vito, in invito,
angetroffen wird. Wenigstens lassen sich die verschiedenen Bedeutungen dieses
Wortes ziemlich ungezwungen daraus herleiten; und besser, als wenn man mit
Wachtern für jede Bedeutung ein neues Stammwort annimmt.
S. auch Entbiethen, Bothe, Büttel. Isidors
Übersetzer gebraucht beodan auch für praedicare.Anm. 2. Die
Conjugation der gegenwärtigen Zeit, du beuthst, er beuth, Imper. beuth,
ist in diesem, wie im allen ähnlichen Verbis, bloß Oberdeutsch, und
auch hier nur in einigen Provinzen üblich, wird aber doch in der
höhern Schreibart im Hochdeutschen der gewöhnlichen Form vorgezogen,
theils um der größern Fülle des Mundes, theils aber auch um der
Einsylbigkeit willen, welche für die Dichtung in manchen Fällen
bequemer ist. Im Conjunctiv findet nur die gewöhnliche Form Statt. Die
Niedersächsische und alle mit ihr verwandte Mundarten haben in diesem
Worte ein d. die Oberdeutsche aber ein t. Da die Hochdeutsche das Mittel
zwischen beyden ist, so hat die seit ihrer Ausbildung das th angenommen,
ungeachtet selbiges in der Aussprache von dem t nicht verschieden ist; daher
man es hier nicht als ein bloßes Dehnungszeichen ansehen darf, dessen das
ie ohnehin nicht bedurft hätte.
S. die Orthographie. [
1013-1014]